Washington. Nach dem Flugzeugabsturz in der US-Hauptstadt bangen Angehörige um ihre Liebsten. Unterdessen kommt die Ursachenforschung langsam in Gang.

„Ich bete nur dafür, dass jemand sie in genau diesem Moment aus dem Fluss zieht.“ Der junge Mann, der die Worte spricht, steht in der Abflughalle des Ronald Reagan Flughafen in Washington und bangt um seine Frau. Sie war eine von 64 Menschen, die am Mittwochabend (Ortszeit) mit einem Passagierflugzeug über dem Potomac River in der US-Hauptstadt Washington abgestürzt waren. Der Flieger aus Wichita/Kansas war im Landeanflug mit einem Hubschrauber des amerikanischen Militärs zusammengestoßen. An Bord des Helikopters: drei Soldaten auf einem Testflug.

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Mit dem jungen Mann warteten in der Nacht viele andere Angehörige am Flughafen auf Neuigkeiten über das Schicksal ihrer Liebsten. „Sie schrieb mir, dass sie in 20 Minuten landen würden“, berichtet der Mann gegenüber dem Sender „WUSA“ von der letzten Nachricht seiner Frau. Seine Antwort habe schon nicht mehr zugestellt werden können. In diesem Moment habe er realisiert, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte.

Flugzeugabsturz: Russische Eiskunstläufer vermutlich unter den Opfern

Sollte sich die schlimmsten Befürchtungen der örtlichen Feuerwehr bestätigen, könnte es die schwerste Flugzeug-Katastrophe in den USA seit 16 Jahren werden. Mehr als 300 Einsatzkräfte waren in der Nacht an der Absturzstelle und suchten mit Schlauchbooten und Infrarot-Kameras die Wasseroberfläche nach den rund 70 Vermissten ab.

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Unter den möglichen Opfern sind vermutlich auch 15 Eiskunstläufer und Nachwuchstalente, die in Wichita an Meisterschaften und Trainingscamps teilgenommen hatten. Russische Medien berichteten, dass die Paarlauf-Goldmedaillen-Gewinner von Japan 1994, Jewgenija Schischkowa und Wadim Naumow, ebenfalls an Bord waren.

Bange Stunden in Washington: Nach dem Flugzeugabsturz suchten rund 300 Einsatzkräfte den Fluss nach Vermissten ab.
Bange Stunden in Washington: Nach dem Flugzeugabsturz suchten rund 300 Einsatzkräfte den Fluss nach Vermissten ab. © AFP | ANDREW CABALLERO-REYNOLDS

Aufgrund der Nähe zu Regierung und Parlament mischten sich mehrere Senatoren und Abgeordnete wie auch der erst am Mittwoch vereidigte neue Transportminister Sean Duffy unter die Menschen, die zum Flughafen und an die Flussufer strömten. Dabei spielten sich herzzerreißende Szenen ab.

Die „Washington Post“ zitierte den CEO von American Airlines, Robert Isom: „Wir fühlen mit den Familien und Angehörigen der Passagiere und Crewmitglieder“. Die Airline gab eine Notfallnummer heraus, an die die Familien der Vermissten sich wenden können.

US-Präsident Trump erhebt schwere Anschuldigung

Die Kollision, die Experten viele Rätsel aufgibt, wurde von einer Web-Kamera auf dem Dach des benachbarten Kennedy-Centers gefilmt. Auf den Bildern sieht man, dass der Black Hawk vor dem Crash, der einen Feuerball auslöste, in der Luft konstant auf einer Flughöhe verblieb. Dabei hatte laut der zuständigen Flugaufsichtsbehörde FAA Fluglotsen die Helikopter-Besatzung auf die Maschine vom Typ Bombardier CRJ700 der Fluggesellschaft American Airlines aufmerksam gemacht. Dem Rekorder-Protokoll zufolge hätten die Lotsen den Helikopter aufgefordert, „hinter dem Flugzeug“ zu bleiben, das in Richtung Landebahn 33 unterwegs war.

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Obwohl noch nicht alle drei Flugschreiber gefunden wurden, womit der Funkverkehr zwischen Black Hawk, Passagiermaschine und Kontroll-Tower ausgewertet werden kann, meldete sich US-Präsident Donald Trump bereits mit Schuldzuweisungen zu Wort. „Es ist eine klare Nacht, die Lichter des Flugzeugs leuchteten, warum ist der Hubschrauber nicht hoch oder runter gegangen oder hat gedreht?“, fragte Trump. „Der Tower hätte dem Helikopter sagen müssen, was er tun soll, anstatt zu fragen, ob er das Flugzeug gesehen hat. Das ist eine schlimme Situation, die anscheinend hätte verhindert werden müssen. NICHT GUT!!!“

Unglück befeuert Kontroverse um Flughafen in Washington

Losgelöst von der Rekonstruktion der Unglücksursache, die erfahrungsgemäß Monate dauern wird, wird die Katastrophe über dem Potomac die seit Jahren geführte Debatte über die Sicherheits-Standards am „DCA“ (so das Kürzel für den Ronald Reagan Airport) neu befeuern. Erst im vergangenen Jahr hatte der US-Kongress gegen den Rat lokaler Akteure fünf weitere Flug-Slots genehmigt – obwohl seit Langem die Meinung vorherrscht, dass der Hauptstadt-Flughafen am Rande der Kapazitätsgrenze arbeitet. Er wurde vor fast 100 Jahren für ein Volumen von 15 Millionen Passagieren pro Jahr konzipiert. Heute werden dort über 25 Millionen Menschen abgefertigt. Vor dem Unglück landeten im Zwei-Minuten-Takt zehn Passagiermaschinen.

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Deren Piloten sehen sich an „DCA“ einem der schwierigsten Luftkorridore der gesamten Vereinigten Staaten ausgesetzt, von denen manche wegen der Nähe zum Weißen Haus, Kapitol, Pentagon und zahlreicher anderer ziviler und militärischer Einrichtungen aus Gründen der nationalen Sicherheit geheim gehalten werden.

Der Absturz ereignete sich im Herzen der USA – unweit vom Regierungssitz in Washington D.C.
Der Absturz ereignete sich im Herzen der USA – unweit vom Regierungssitz in Washington D.C.

Wer häufiger als Fußgänger, Jogger oder Radfahrer entlang des Potomac unterwegs ist, weiß um den Lärm, den die Rotoren erzeugt. Die Piloten müssen Routen befolgen, die meist eng am Fluss liegen und legal in niedriger Höhe genutzt werden dürfen. In den nächsten Wochen wird darum nach Angaben des „National Transportation Safety Board“ minutiös untersucht, wie sich Routen und Flughöhen beider Flugobjekte so fatal überschneiden konnten.

Absturz erinnert an schlimme Tragödie von vor 16 Jahren

Experten sehen mit besonderer Spannung der Antwort auf die Frage entgegen, ob das „Traffic Alert and Collision Avoidance System“, kurz TCAS, funktioniert hat. Es gibt automatische Sprachwarnungen an Piloten, um einen drohenden Absturz zu vermeiden.

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Im aktuellen Fall belegen Audio-Mitschnitte die letzten Gespräche zwischen den drei Besatzungsmitgliedern des Hubschraubers – Rufzeichen PAT25 –, bevor dieser mit dem CRJ-Jet kollidierte. Um 20.47 Uhr Ortszeit sagte der Fluglotse: „PAT25, haben Sie einen CRJ in Sicht? PAT25, fliegen Sie hinter dem CRJ vorbei.“ Wenige Sekunden danach war die Katastrophe geschehen. Sie erinnert an den letzten großen Unfall mit einem Verkehrsflugzeug in Amerika im Jahr 2009, als rund 50 Menschen an Bord eines Fluges von Colgan Air im Bundesstaat New York starben.

Ein Blick in die Statistik macht das Unglück noch unbegreiflicher: In der Metropol-Region Washington gibt es drei große Airports, elf Regionalflughäfen und 55 Hubschrauberlandeplätze. Dabei sind Militär-Anlagen nicht berücksichtigt. Ausweislich eines Kongress-Berichts von 2023 haben über 50 Behörden, Agenturen, Firmen und Militär-Einrichtungen zwischen 2017 und 2019 fast 90.000 Helikopter-Flüge im Unglücksgebiet absolviert.

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