Berlin. Schauspieler Benno Fürmann spricht im Interview über seine private Krise und verrät, was ihm letztlich bei der Bewältigung geholfen hat.
Benno Fürmann zeigt in diesen Wochen die ganze Bandbreite seines Schaffens. Gerade kam das Audible Original Hörspiel „Als das Böse kam“ auf den Markt, in dem der 52-Jährige eine der Hauptrollen spricht. Am 25. strahlt die ARD um 19.15 Uhr seine Umwelt-Dokumentation „Ostsee am Limit“ aus, und ab Anfang Januar ist Fürmann in der neuen Staffel von „Der Palast“ zu sehen. All diese Aktivitäten hindern den Schauspieler aber nicht, sich intensiv mit seinem Seelenleben auseinanderzusetzen. Im Interview erklärt er, wie er sich mit seinen inneren Dämonen konfrontiert, welche Denker ihn inspirieren und wie ihn eine private Trennung „durchgeknetet“ hat.
Das Hörbuch entwirft das bedrückende Szenario einer Familie, die in ständiger Angst isoliert auf einer Insel lebt. Was finden Sie selbst daran am interessantesten?
Benno Fürmann: Die Grundkonstellation. In der Pubertät stellst du dir die klassische philosophische Frage: Was ist Leben? Wie lebt man Leben? Und normalerweise haben Jugendliche die Chance, ihr Innenleben mit Freunden und Freundinnen abzugleichen. Aber die junge Protagonistin in der Geschichte ist bei der Interpretation der Wahrheit mutterseelenallein. Das ist der wahre Horror, gleichzeitig erlebt die Protagonistin auch einen unbedingten Zug zur Wahrheit. Sie kann gar nicht anders als alles, auch die existentiellsten Gewissheiten, infrage zu stellen. Und das finde ich hoch spannend.
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Haben Sie auch manchmal das Gefühl, dass „das Böse“ auf Sie zukommt, oder denken Sie nicht in solchen Kategorien?
Fürmann: Das Böse ist dort, wo wir das Gute nicht hinein lassen. Wo kein Licht ist, ist Dunkel. Insofern bin ich ein großer Freund des Lichtes. Aber ich muss mich halt darum kümmern und es kultivieren.
Schauspieler Benno Fürmann über Sehnsucht und Schmerz
Wie tun Sie das?
Fürmann: Martin Buber hat mal den wunderschönen Satz gesagt: „Gott wohnt, wo man ihn einlässt.“ Ich glaube, es fängt immer mit uns selber an. Wir leiden so oft darunter, dass wir keine Beziehung zur Welt spüren, aber dafür müssen wir zuallererst eine Beziehung zu uns selber spüren.
Wir sagen oft: „Wir sind hier und die Politiker sind dort. Wir sind hier und die Verantwortlichen sind dort. Wir haben Recht und die anderen sind Idioten. Wir sind hier und die Natur ist nur ein Rohstofflager, das mit uns nichts zu tun hat.“ Doch wenn wir wirklich zulassen würden zu spüren, dass wir in der Gesamtheit die Welt sind und welche Auswirkung unser Handeln hat, wäre das eine andere Welt. Wenn du blindlings durch die Welt bolzt, dann bist du nicht im Kontakt mit dem Licht.
Was hat denn Ihren persönlichen Denkprozess befördert, dass Sie solche Erkenntnisse von sich geben können?
Fürmann: Jeder, der mal ein paar tiefe Atemzüge genommen hat, weiß, dass in der Stille eine andere Tiefe herrscht, eine andere Zartheit der Gefühle. In der Stille, in der wirklichen Verbundenheit nehmen wir wahr, was ist und was nicht. Aber davor rennen wir die ganze Zeit weg, verdrängen viel und sind gerne im Kopf unterwegs, planen und lenken uns ab.
Hermann Hesse hat einmal gesagt: „Nichts ist dem Menschen mehr zuwider, als den Weg zu gehen, der ihn zu ihm selbst führt.“ Und da hat er meiner Meinung nach ganz recht. Wir neigen dazu, uns selber auszuweichen. Das Licht will sich Dinge anschauen. Aber wenn Licht auf Schatten trifft, dann siehst du halt auch den Schmerz, die Abgründe. Zu sagen: Ich gucke mich selbst radikal an, musst man sich trauen. Denn in uns sind Sehnsüchte und Tendenzen, die nicht nur toll sind. Aber ich glaube, wir schulden es uns, die Dämonen anzuschauen, die in uns sind.
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Wie gut sind Sie darin, sich Ihre eigenen Dämonen anzuschauen?
Fürmann: Ich bin da immer konsequenter geworden. Aber natürlich bin ich nicht nur in den Abgründen meiner selbst unterwegs. Manchmal habe ich nicht die Kraft, und Ablenkung ist ja nicht nur schlecht. Man braucht Ressourcen, um tief zu tauchen. Und manchmal muss man ganz einfach funktionieren und kann sich nicht sein ganzes Gedöns anschauen, hat schlicht den Raum nicht dafür.
Letztendlich glaube ich aber unbedingt, dass die Phasen, in denen wir uns selber nicht mehr ausweichen können, die Phasen, wenn gefühlt alles zusammenbricht und wir vom Leben durchgewalkt werden – etwa bei einer Trennung oder einem Todesfall – die Phasen sind, die absolut keinen Spaß machen, aber Gold sind für unser inneres Wachstum.
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Wann ist Ihnen das zuletzt passiert?
Fürmann: Das letzte Mal, dass ich vom Leben richtig durchgeknetet wurde, war, als ich mich von meiner Partnerin getrennt habe. Das geschah zwar in gegenseitigem Einvernehmen, aber als es dann so weit war, habe ich gemerkt, was das mit mir in der Tiefe macht. Und ich hatte nicht die Kraft, das irgendwie abzudecken, mich abzulenken. Ausweichen ging nicht, sondern ich war mittendrin. Da war nichts mit Licht. Dann habe dann zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder eine Reise gemacht. Der Weg zum Flughafen war trostlos. Es fühlte sich damals an, wie auf den Mars zu reisen. Flughäfen wiederum sind in ihrer Seelenlosigkeit so brutale Orte.
Fürmanns zog es auf die Insel: So hat ihm die Reise bei der Trennung geholfen
Wo ging denn die Reise hin?
Fürmann: Nach Sokotra, das ist eine Insel vor Somalia mit einer unglaublichen Natur, die so entlegen ist, dass es da wenig Menschen gibt. Ich war mit einem engen Freund und einem lokalen Führer unterwegs, der uns hoch auf das Bergplateau führen sollte. Zuerst sind wir mit einem Kamel gewandert. Und als das Terrain zu buschig wurde, haben wir das Tier hinter uns gelassen.
Die Natur sieht so aus wie in den „Avatar“-Filmen, ich habe dort die schönsten Sonnenuntergänge gesehen, und es war unglaublich still. Das war wie ein richtiger Kuss vom Leben. Ich habe gemerkt, dass in meiner Brust, die vorher einfach nur dunkel war, Kraft und Wärme waren, ich durch die Schönheit des Lebens wieder zu Kräften kam.
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Und mit diesem Gefühl sind Sie auch zurückgereist?
Fürmann: Ja, selbst wenn ich mich innerlich immer noch wacklig fühlte. Es ist ja nicht so, dass du wie mit einem Zauberstab verwandelt wirst. Solche Prozesse brauchen Zeit. Trauer kommt in Wellen, was aber auch das Gnadenvolle daran ist. Selbst wenn sie dich zu Boden schmeißt, gibt sie dir zwischendrin immer wieder die Möglichkeit, zu Atem zu kommen. Aber das Leben ist eben nichts für Feiglinge.