Berlin. Eine Szene im neuen „Tatort“ war für die Darstellerin besonders intensiv. Im Interview verrät Gröschel, wie sie einen Ausgleich findet.

Vor über 20 Jahren wurde Cornelia Gröschel als Heidi bekannt, jetzt ist die inzwischen 36-Jährige als Dresdner „Tatort“-Kommissarin mit einer wesentlich härteren Realität konfrontiert – ganz besonders auch in der nächsten Folge (am 3. November um 20.15 Uhr in der ARD). Privat findet die Schauspielerin dazu einen Ausgleich bei ihren Pferden, die ihr auch einen Spiegel vorhalten, wie sie am besten leben soll.

Beim nächsten Dresden-„Tatort“ erlebt Ihre Figur der Leonie Winkler besonders viele intensive Szenen. Wie haben Sie das erlebt?

Cornelia Gröschel: Es hat mir große Freude gemacht, mich da voll hineinzuwerfen, auch wenn ich am Schluss dadurch sehr erschöpft war. Es gab eine Szene, wo Leonie Winkler viel weint, und das war das erste Mal, dass ich zu meinem Regisseur gegangen bin und gesagt habe: „Ich brauche eine Pause und gehe jetzt kurz in meinen Wohnwagen.“ Wir haben im Anschluss an diesen Dreh noch eine weitere Folge „Tatort“ gedreht, doch da ging es nicht mehr so viel um meine Figur, und ich konnte mich ein bisschen erholen.

Was machen Sie noch zur Erholung?

Gröschel: Meistens fahre ich einfach nur nach Hause und kümmere mich um meine beiden Pferde.

Schauspielerin Cornelia Gröschel wurde als „Heidi“ bekannt, heute ist sie „Tatort“-Kommissarin. © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Sebastian Kahnert

Gröschel über ihre Eltern: Über manches muss man irgendwann sprechen

Auf die Pferde kommen wir noch. Aber in der Folge fällt der Satz: „Papa, wir müssen darüber reden“. Haben Sie so einen Satz auch einmal zu Ihrem Vater gesagt?

Gröschel: Das ist lange her, so mit Anfang, Mitte 20, als ich einige Themen in meiner Familie für mich aufgeräumt habe. Und es waren auch keine weltbewegenden Sachen, einfach nur die normalen Familienthemen, bei denen man als Kind das eine wahrnimmt und die Eltern etwas Anderes. Über manches muss man irgendwann sprechen, das haben wir getan, und jetzt ist das so explizit nicht mehr nötig.

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Können Sie eine nähere Vorstellung von diesen Themen geben?

Gröschel: Wir waren einfach eine Familie, in der immer viel los war. Mein Vater war als Sänger und Gesangspädagoge viel unterwegs, meine Mutter hat als Ballettrepetitorin viele Jobs parallel gemacht. Da war manchmal nicht die Zeit, um jeden Einzelnen so zu sehen, wie es für die persönliche Entwicklung vielleicht gut gewesen wäre, und ich selbst habe ja auch schon sehr früh mit der Filmerei angefangen, sodass ich viel von zu Hause weg war.

Sie selbst sind 1987 in Dresden geboren. Inwieweit sind Ihre Eltern als Künstler mit dem System der DDR klargekommen? 

Gröschel: Ich kann das für meine Eltern wirklich schlecht beantworten. Sie hatten rückblickend durchaus eine Sonderstellung, weil sie beide christlich waren. Das führte damals bekanntermaßen schon dazu, dass man nicht mehr ins System passte, aber soweit ich das beurteilen kann, sind sie nicht in größerem Rahmen angeeckt. Wir waren ja drei Kinder zu Hause, da ging die Sicherheit vor.

Tatort: Was ihr nicht seht
Im „Tatort“ Dresden spielt Gröschel (l.) die Kommissarin Leonie Winkler. Rechts deren Kollegin Karin Gorniak, verkörpert von Karin Hanczewski. © MDR/MadeFor/Hardy Spitz | ARD/MDR

Dieses Verhältnis hat Cornelia Gröschel zu ihrem Glauben

Wie stark war der Glaube Ihrer Eltern für Sie präsent?

Gröschel: Es war schon ein großer prägender Teil meiner Kindheit, und da mein Vater evangelisch und meine Mutter katholisch war, waren wir gefühlt dauernd in der Kirche (lacht).

Und jetzt? 

Gröschel: Man trifft mich jetzt nicht mehr so häufig in der Kirche. Das hat sich über die Jahre ein bisschen ausgedünnt. 

Dreharbeiten zum neuen MDR-Tatort
Für Cornelia Gröschel sind ihre Pferde mehr als Freizeitvergnügen. © picture alliance/dpa | Robert Michael

Wobei zum Glauben auch bestimmte ethische Vorstellungen gehören. Was ist davon hängen geblieben?

Gröschel: Ich war damals sehr aktiv in der Jugendarbeit, und eine Vorstellung, die mich dabei nachhaltig geprägt hat, ist die Gleichwertigkeit der Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft oder auch von ihren sozialen Stellungen.

Gröschel über ihre Pferde: Diese wichtige Lektion haben sie ihr beigebracht

Wie Sie erwähnten, agieren Sie auch zusammen mit Ihren Pferden. Was gibt Ihnen das?

Gröschel: Ich habe meine Pferde weniger zu meinem privaten sportlichen Freizeitvergnügen, sondern mich fasziniert an ihnen, dass sie aufgrund ihrer Natur Menschen sehr stark spiegeln und uns ein ungefragtes Feedback zu unserem Verhalten geben. Zum Beispiel, wenn ich mit meinem Benehmen Sachen mache, die für mich nicht gut sind. Natürlich muss man in der Lage sein, ihr Verhalten auch zu deuten und zu lesen. 

Mehr aus der Serie „Meine erste Liebe“

Haben Sie ein Beispiel?

Gröschel: Wenn ich in den Stall komme und gestresst und hektisch bin, dann würde mein Pferd wahrscheinlich irgendwann stehen bleiben und sich verweigern, oder es wird selbst hypernervös und aggressiv und fängt im schlimmsten Fall an, nach mir zu treten oder zu beißen. Vielleicht bin ich auch viel zu schnell und das Pferd sagt: „Mensch, kannst du mal stehen bleiben und durchatmen?“

Sie haben mir die letzten fünf Jahre so viel beigebracht, und ich weiß, dass ich bestimmte Grenzen einhalten muss. Zum Beispiel leide ich seit vielen Jahren an Migräne, und durch die Pferde habe ich verstanden: Ich muss besser auf mich aufpassen. Ich kann es mir beispielsweise nicht leisten, einfach mal eine Mahlzeit auszulassen, denn das führt sofort in einen Zustand der Unterzuckerung. 

Was sind die schönsten Erlebnisse, die Sie mit Ihren Pferden gesammelt haben?

Gröschel: Das sind die ganz kleinen Alltagserlebnisse. Mit einem meiner Pferde bin ich oft in einem Wald spazieren gegangen. Irgendwann war das Vertrauen zwischen uns beiden so groß, dass ich den Strick abmachen konnte. So liefen wir teilweise eine Stunde gemeinsam durch den Wald, wo uns auch Menschen entgegengekommen sind. An einer Kreuzung bin ich links abgebogen und mein Pferd ist mir einfach gefolgt und hat gesagt: „Wir sind halt jetzt ein Team und gehen gemeinsam durch den Wald.“

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Gibt es denn – abgesehen von der Spiegelung Ihres Verhaltens – regelrechte lebensphilosophische Erkenntnisse, zu denen Ihnen Ihre Pferde verholfen haben?

Gröschel: Einen meiner Lieblingssprüche habe ich aus dem wundervollen Buch „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand.“ Der Mann sagt immer: „Es ist, wie es ist, und es kommt, wie es kommt.“ Das habe ich sehr verinnerlicht und das kenne ich auch von den Pferden. Pferde bewerten nicht. Sie sagen nicht: „Schade, dass du jetzt gehst.“ Oder: „Ich warte schon seit fünf Tagen, wann kommt sie denn endlich wieder.“ Sie sind im Jetzt. Und das ist etwas, was ich zumindest versuche: Ich mache mir weniger Gedanken darüber, wozu alles gut ist, sondern es ist, wie es ist, und es kommt, wie es kommt. Ich nehme das so an und ich versuche es nicht zu bewerten.