Berlin. Schauspielerin Cordelia Wege liebt ihren Job – doch eine andere Aktivität in ihrem Leben ist ihr mindestens genauso wichtig.

Von „Tatort“ bis „Polizeiruf 110“ – Cordelia Wege hat im Lauf ihrer Karriere eine ganze Menge Krimis gedreht. Mit „Nord bei Nordost“, dessen Pilotfilm am 3. Oktober um 20.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt wird, könnte nun eine eigene Reihe für die 48-Jährige starten. Das wäre ganz nach dem Geschmack der Schauspielerin, die auch für Serien wie „Dark“ bekannt ist. Auch deshalb, weil sie dann ihrer Liebe zur Natur frönen und noch mehr vom Selbstvertrauen ihrer Figur lernen kann.

Haben Sie nicht gezögert, sich auf noch auf ein Krimiformat einzulassen, das Sie womöglich Jahre lang in Anspruch nimmt?

Cordelia Wege: Wir haben ja bislang nur den Pilotfilm zu „Nord bei Nordost“ gedreht und wissen nicht, ob es weitergeht. Das entscheiden am 3. Oktober die Zuschauerzahlen. Ich drücke also die Daumen! Natürlich könnte man die Frage stellen, ob es nicht bereits genügend Krimiformate im deutschen TV gebe. Ich denke, dass jedes Filmgenre Geschichten über Menschen erzählt. Vielleicht sind Krimis sogar besonders geeignet, gesellschaftlich relevante Themen aufzugreifen und zwischenmenschliche Beziehungen zu beleuchten. In „Nord bei Nordost – Westend“ gefällt mir zum Beispiel die Figurenkonstellation sehr gut: Es ergibt sich durch das Dreieck, in dem die Hauptcharaktere zueinander stehen, ein Variationsreichtum.

Auch interessant

Sie leben selbst in Mecklenburg. War das auch ein Grund, weshalb Sie für dieses Mecklenburger Format zugesagt haben?

Wege: Ich muss sagen, dass ich zum Drehen gerne reise. Ein Tapetenwechsel wirkt immer wieder erweiternd. Bei unserem Film „Westend“ gibt es jedoch eine schöne Parallele zu meiner Figur Nina Hagen, die in einem Bootshaus am See wohnt. Dass ich zu Hause über die Wiesen schaue so wie sie über den See, diese vergleichbare Weite, hat etwas Vertrautes. Die Ruhe kenne ich gut. Daher ist die relative Nähe von Wohnort und Arbeitsplatz und die Ähnlichkeit der Landschaft in diesem Fall wirklich von Vorteil.

Cordelia Wege: „Ich bin über die Endlichkeit des Lebens dankbar“

Sie meinten in den Pressenotizen allerdings auch, dass Ihre Figur anders gepolt sei als Sie.

Wege: Ich halte mich für einen Menschen, der sich Mühe gibt, freundlich zu sein. Ich versuche Harmonie durch Verbindlichkeit zu erzeugen. Nina Hagen dagegen ist es egal, was andere Menschen über sie denken. Sie ist geradeheraus und verwendet keine Energie für eine ihr überflüssig erscheinende Höflichkeit. Dabei hat sie aber ein großes Herz, besonders für wehrlose Geschöpfe.

Wer freundlich sein will, läuft Gefahr, es den anderen immer recht machen zu wollen. Wie ist das bei Ihnen?

Wege: Wenn man reifer wird und mehr bei sich ankommt, weiß man in der Regel eher, was man will und braucht. Man vertraut sich mehr selbst. So wachse ich Nina Hagen entgegen. Frei nach dem Motto: Was meine Figur kann, wird mir doch wohl auch möglich sein!

Auch spannend: Jutta Speidel: „Wir sind auf Leute hereingefallen“

Die Figuren dieses Krimis bewegen sich in der Mitte des Lebens, wo man die Endlichkeit stärker spürt. Würden Sie selbst lieber in jüngere Jahrzehnte zurückkehren, wo das Ende eben noch weit entfernt scheint?

Wege: Nein, ganz und gar nicht. Ich bin sogar über die Endlichkeit des Lebens dankbar, die mir zunehmend bewusst wird. Meiner Meinung nach ist sie die Grundvoraussetzung dafür, dass das Leben einen erfüllenden Weg nehmen kann.

Fototermin 'Nord bei Nordost: Westend' in Malchow
Als Polizistin Nina Hagen ermittelt Cordelia Wege im Pilot-Film „Nord bei Nordost“ mit ihren Kollegen Tim Engelmann (David Bredin, rechts) und Felix Bittner (Franz Dinda, links). © picture alliance / Geisler-Fotopress | Frederic Kern/Geisler-Fotopress

Und wie finden Sie Erfüllung?

Wege: Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, ist immer wieder eine Herausforderung. Ich will drehen, ich will arbeiten. Ich finde das wunderbar und liebe meinen Beruf. Und zu gleichen Teilen will ich für meine Lieben präsent sein, Zeit mit ihnen verbringen und meinen Teil zum Leben in der Familie beitragen. Und dann gibt es ja auch noch die sozialen Bindungen außerhalb der Familie: Freundschaften wollen gepflegt sein.

„Tatort“-Darstellerin verrät, warum sie kaum Musik hört

Ihre Figur trägt ja einen klangvollen Namen. Was für eine Beziehung haben Sie eigentlich zu Nina Hagen?

Wege: Sie ist eine Ikone. Ihre Energie und Eigenwilligkeit nötigen mir Respekt ab! In ihrer Exzentrik ist die Sängerin das genaue Gegenteil „meiner“ Nina Hagen. In ihrer Kraft und Willensstärke ähneln sie sich möglicherweise.

Ihre Musik läuft aber nicht bei Ihnen rauf und runter?

Wege: Ganz persönlich höre ich sehr wenig Musik. Lieber mache ich das Fenster auf und höre die Vögel zwitschern, die Kraniche rufen.

Das heißt, Ihnen ist die Natur wichtiger als Kulturprodukte? 

Wege: Das kann ich nicht miteinander vergleichen. In der Natur fühle ich mich aber am ehesten aufgehoben. Und apropos Kulturprodukte: Ich lese leidenschaftlich gern.

Cordelia Wege über Schauspielerei: „Wir loten Beziehungen aus“

Wenn Sie so eine starke Beziehung zur Natur haben, dann wären Sie doch sicher auch als Försterin gut aufgehoben gewesen?

Wege: Ich finde den Beruf der Schauspielerin beziehungsweise des Schauspielers für unsere Welt essentiell wichtig. Es gibt natürlich Phasen, wo ich hadere und denke: Was tue ich eigentlich? Aber wir Schauspieler nehmen eine Stellvertreterrolle für andere Menschen ein. Wir loten Beziehungen aus, in denen sich die Menschen wiederfinden können. Wir gehen in geschützten Räumen auf spielerische Weise in Grenzbereiche des Lebens.

So können wir in Film und Theater eine Art Lebenshilfe anbieten, indem wir uns über gesellschaftliche und private Themen Gedanken machen, sie uns erspielen, erarbeiten und uns Vorschläge und Beispiele gegenseitig zur Verfügung stellen. Die zentrale Frage für mich ist: Wie wollen wir leben? Und das finde ich genauso wichtig wie das Hegen und Pflegen der Natur. 

Fototermin 'Nord bei Nordost: Westend' in Malchow
Cordelia Wege fühlt sich in der Natur besonders wohl – hier im Yachthafen Malchow mit ihren Kollegen Franz Dinda (links) und David Bredin (rechts) beim Fototermin am Set des ARD-Pilotfilms „Nord bei Nordost“. © picture alliance / Geisler-Fotopress | Frederic Kern/Geisler-Fotopress

Können Sie aus dem Stand sagen, welches Naturerlebnis für Sie am glückhaftesten war? 

Wege: Es gibt ein spezielles Ereignis, das ich nie vergessen werde: Es war Winter und gerade kalt geworden. Auf unserem nahegelegenen Badesee hatte sich eine hauchzarte Eisschicht gebildet. Als ich zum Eisbaden ins Wasser stieg, konnte ich dieses Eis mit meiner Fußspitze ganz leicht durchdringen. Nachdem ich bis zum Hals eingetaucht war, klirrten und mich her die kleinen, hauchfeinen Schollen, die in meinem Eisloch schwammen. Und als ich über den See blickte, sah ich, dass das Wasser unter dem Eis sanfte, langsame Wellen schlug, und die dünne Eisdecke hob und senkte sich, ohne zu zerbrechen. Es war ein magischer Augenblick. Eine tiefe Ruhe und Stille lag in diesem Moment.