Berlin. Rund um die tiefste Stelle der Erde nehmen Wissenschaftler vor zehn Jahren „außerirdische“ Klänge auf. So hört sich der „Biotwang“ an.

Knapp 11.000 Meter tief ist die tiefste Stelle des Weltmeers im Marianengraben. In der südlich von Japan gelegenen Rinne belasten Druckverhältnisse wie im Weltall die Lebewesen und wenigen Tauchboote, die es bisher zum Grund geschafft haben. Mikrofone in der Nähe des Marianengrabens nahmen hier 2014 mysteriöse Geräusche auf, die nicht von dieser Welt zu stammen schienen. Nun haben Forscher das Rätsel um sie lösen können.

Das wenige Sekunden lange Geräusch besteht aus zwei unterschiedlichen Teilen. Auf einen tiefen, grummelnden Ton folgt ein hoher, metallischer Ton, den die Forscher wahlweise mit Raumschiffen aus „Star Wars“ oder „Star Trek“ vergleichen. In Anlehnung an die Vibration einer gezupften Saite bezeichneten sie den Ton als „Biotwang“.

Marianengraben: Brydewale versuchen sich mithilfe von Geräuschen zu finden

Schnell hatten die Wissenschaftler eine Vermutung, wer die Geräusche wirklich verursacht: Wale. Nun konnten sie zehn Jahre später ihre Theorie endlich bestätigen. Demnach stoßen Brydewale den „Biotwang“ aus, um sich gegenseitig in dem 2400 Kilometer langen Graben zu lokalisieren. Es sei eine Art „Marco-Polo-Ruf“ der geheimnisvollen und schwer auffindbaren Art, sagte Ann Allen, Meeresforscherin und Co-Autorin der neuen Studie, gegenüber „Popular Science“.

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Die graublauen Brydewale leben laut dem „WWF“ vor allem in tropischen und warmen Meeren. Dabei werden sie in zwei unterschiedliche Populationen unterschieden. Die größere erreicht eine Körperlange von bis zu 16 Metern und wiegt etwa 26 Tonnen, die kleinere kann bei einem Körpergewicht von 20 Tonnen bis zu 11,5 Meter lang werden. Ihr Verbreitungsgebiet beschränkt sich auf die tropischen und warmen Meere innerhalb der Wendekreise der Erdhalbkugeln.

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Forscher brauchten „gehörige Portion Glück“ für die Identifikation

Forscher hatten bereits in einer Studie aus dem Jahr 2016 auf große Bartenwale wie Blauwale oder Buckelwale als Verursacher des „Biotwangs“ getippt. Mithilfe eines KI-Tools, das mehr als 200.000 Stunden Audioaufnahmen von Ozean-Tönen filterte, konnte der Ton den Brydewalen zugeordnet werden. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Frontiers in Marine Science“ veröffentlicht.

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Brydewale können auch vor den Kanarischen Inseln beobachtet werden. © imago images/Nature Picture Library | IMAGO stock

Jeder, der sich nicht mit Walen auskennt, würde wohl niemals denken, dass Tiere den Ton ausstoßen, bemerkte Allen gegenüber „Scientific American“. Doch zu ermitteln, welches Tier genau dahinter steckt, sei besonders schwierig. Demnach müssen die Forscher die Quelle des Geräuschs im selben Moment beobachten, in dem sie das Geräusch aufzeichnen. „Es erfordert viel Zeit, viel Mühe und eine gehörige Portion Glück“, so Allen.

Auf diese Weise lösten auch Allen und ihre Kollegen das Rätsel um den „Biotwang“. Während sie Wale vor den Marianeninseln neben dem Marianengraben beobachteten, tauchten die Brydewale zehnmal auf. Bei neun der Begegnungen zeichneten sie auch den charakteristischen „Biotwang“ auf. Einmal sei Zufall, bei neun Malen sei es der Brydewal, erklärte Allen.

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Wale nutzen Gesänge zu Verständigung und Koordinierung

Indem sie das Auftauchen der Geräusche mit den Migrationsrouten der Tiere rund um den Marianengraben verglichen, konnten die Forscher eine starke Überschneidung feststellen. Interessant dabei ist, dass der „Biotwang“ nur im nordwestlichen Teil des Pazifiks auftaucht. Dabei gibt es Brydewale auch in anderen Erdgegenden. Die Forscher schließen daraus, dass nur eine bestimmte Gruppe von Brydewalen den Ruf entwickelt hat.

Wale kommunizieren hauptsächlich über Geräusche, da der Schall sich unter Wasser besser ausbreitet als Licht. Sie nutzen Klicklaute, um sich zu orientieren und Beute aufzuspüren, sogenannte Echoortung. Niederfrequente Töne, wie Walgesänge, können über weite Entfernungen gehört werden und dienen der Kommunikation zwischen Artgenossen.

Die Gesänge spielen eine Rolle bei der Partnerfindung und bei sozialen Interaktionen. Kurzfrequente Laute und „Pfeifen“ helfen bei der Verständigung innerhalb von Gruppen, etwa bei der Koordination von Wanderungen oder beim Zusammenhalt von Mutter und Kalb.

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