Berlin. Der Zusammenbruch der Dresdner Carolabrücke wirft viele Fragen auf. Ein Experte erklärt, warum ein Einsturz niemals ganz auszuschließen ist.
Um drei Uhr nachts gibt es einen ohrenbetäubenden Knall in Dresden: Teile der Carolabrücke, die über die Elbe führt, sind eingestürzt. In die große Erleichterung, dass keine Menschen zu Schaden kamen, mischt sich auch Schock: Wie ist es möglich, dass mitten in Deutschland scheinbar einfach so eine Brücke kollabiert? Im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt Dr. Dipl.-Ing. Hartmut Kalleja, Präsident der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik (BVPI), welche Ursachen er für möglich hält und was es für die Sachverständigen nun zu tun gibt.
Wie kann es sein, dass eine Brücke einfach einstürzt?
Hartmut Kalleja: Das ist leider nie auszuschließen – auch wenn es zum Glück sehr unwahrscheinlich ist. Aber es gibt keine 100-prozentige Sicherheit. Die normale Versagenswahrscheinlichkeit, dass eine Brücke einstürzt, liegt bei zehn hoch minus sechs – also extrem gering. Aber wie man sieht: Es kann trotzdem passieren.
Wovon hängt die Stabilität einer Brücke ab?
Kalleja: Die Stabilität hängt vom statischen System, vom Baualter sowie vom Erhaltungszustand ab.
Carolabrücke eingestürzt: Diese Brückenkontrollen sind in Deutschland Vorschrift
Wie oft werden Brücken in Deutschland kontrolliert?
Kalleja: Brücken müssen alle sechs Jahre untersucht werden, das ist die Hauptprüfung. Wir sprechen von einer handnahen Untersuchung. Hier wird die Brückenkonstruktion untersucht, und zwar von oben und von unten. Man schaut beispielsweise, ob Risse vorhanden sind oder Abplatzungen. Man untersucht die Spannglieder, man klopft die Brücke ab. Kurz: Die Brücke wird alle sechs Jahre sehr genau untersucht.
Gibt es außerdem noch weitere Kontrollen?
Kalleja: Alle drei Jahre wird noch eine einfache Prüfung gemacht, die ist nicht ganz so umfangreich wie die Hauptprüfung. Außerdem wird eine Brücke jedes Jahr inspiziert, um zu gewährleisten, dass die Verkehrssicherheit noch vorhanden ist. Das alles führen immer sachkundige Ingenieure durch. Trotzdem ist es nicht auszuschließen, dass es zu einem Versagen einer Brücke kommt.
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Was kann eine Brücke instabil machen?
Kalleja: Also zum einen kann eine verkehrliche Überlastung vorliegen. Das wird zwar bei der Brückenhauptuntersuchung berücksichtigt, ausschließen kann man es aber trotzdem nicht. Zum anderen können es auch Witterungseinflüsse sein, die zur Korrosion von Bewehrung oder Einbauteilen führen. Es gibt viele verschiedene Versagensarten.
Experte erklärt zu Carolabrücke: Das müssen Sachverständige jetzt prüfen
Was könnte die Ursache für den Einsturz der Carolabrücke sein?
Kalleja: Das kann man heute noch nicht abschließend beurteilen. Offensichtlich handelt es sich um einen Bruch ohne Vorankündigung. Bei einem Bruch mit Vorankündigung sieht man im Vorhinein Rissbildungen oder Abplatzungen – und daraus hätte man dann im Vorfeld bereits reagieren können. In vier bis sechs Wochen, so schätze ich, wird man sicher mehr wissen. Heute etwas zur Ursache zu sagen, wäre aber reine Spekulation.
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Wie wird das Unglück jetzt untersucht?
Kalleja: Man wird sich die Carolabrücke, eine Spannbetonbrücke, jetzt genau anschauen, insbesondere die Bruchform. Und natürlich auch eventuelle Rissbildungen. Da sind wahrscheinlich schon heute Sachverständige am Werk und vor Ort, die das untersuchen. Und sicherlich werden auch die anderen Brückenstränge der Carolabrücke mituntersucht.
Wie kann es sein, dass Brücken zwar regelmäßig untersucht werden – aber trotzdem jetzt eine eingestürzt ist?
Kalleja: Es gibt einen hohen Bedarf an Brückensanierungen in Deutschland. Und die öffentliche Hand muss mehr Geld für die Instandhaltung zur Verfügung stellen, das steht für mich zweifelsfrei fest. Es gibt viele Brücken, die eine schlechte Note nach der Hauptuntersuchung bekommen haben. Und für die sollte dann kurzfristig Geld zur Verfügung gestellt werden, um diese Verkehrsbauwerke zu sanieren. Leider ist das Geld, das der Staat momentan zur Verfügung stellt, nicht ausreichend, um alle Bedarfe zu decken.
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Der Region könnte im Laufe der Woche Starkregen drohen, womöglich sogar Hochwasser. Was bedeutet das für die Stabilität der Carolabrücke?
Kalleja: Die Brücke wird dadurch nicht instabiler. Solche Katastrophenfälle wie Starkregen, Hochwasser, Wind, etc. sind bei Konstruktion und Bau von Brücken miteingeplant. Im Prinzip braucht man sich keine Sorgen zu machen, allerdings ist das Strömungsverhalten der Elbe durch die im Wasser liegenden Bauteile verändert. Das erfordert eine sorgfältige Beobachtung und Bewertung.