Berlin. Im TV spielt Hannes Jaenicke einen Ermittler – und sieht Parallelen zur echten Polizeiarbeit. Das Problem: Oft kommen die Täter davon.
- Hannes Jaenicke ist für seine Dokumentationen, aber auch als Schauspieler bekannt
- Als Ermittler deckt er im „Amsterdam-Krimi“ (ARD) Verbrechen auf – und sieht Parallelen zur Realität
- Im Interview kritisiert er „belanglose Filme“
Nur bei ganz wenigen Krimi-Darstellern gibt es solche Gemeinsamkeiten zwischen Privatperson und Rolle wie bei Hannes Jaenicke. Zum einen kämpft der 64-Jährige mit seinen Dokumentationen für Tier- und Naturschutz und deckt dabei auch ökologische Straftaten auf. Zum anderen ist der Schauspieler als LKA-Ermittler in den „Amsterdam-Krimis“ (neuste Folge „Der Dreck der Anderen“ in der ARD-Mediathek) mit den Drahtziehern internationalen Verbrechens konfrontiert. Wie seine Figur muss er sich immer motivieren, in diesem ungleichen Kampf nicht aufzugeben, für den er auch private Opfer gebracht hat. Aber er findet auch immer wieder Gelegenheit, Glücksmomente einzusammeln.
Anders als die meisten deutschen Krimis dreht sich Ihre Reihe um Themen von hoher politisch-sozialer Brisanz – so auch die beiden neuen Folgen, wo es um illegale Müllverschiffung und Blutdiamanten geht. Darin dürften sich vermutlich Ihre persönlichen Interessen spiegeln…
Hannes Jaenicke: Richtig. Wir tun bei dieser Reihe unser Bestes, belanglose Schema-F-Geschichten zu vermeiden. Es gibt genug Krimis, die damit anfangen, dass eine Leiche im Bild herumliegt und zwei nette Kommissare fragen: „Wer könnte das gewesen sein?“
Müssen Sie sich wirklich gegen belanglose Vorschläge wehren?
Jaenicke: Ich unterstelle niemandem, dass er absichtlich belanglose Filme dreht. Aber wir hatten gelegentlich Vorschläge – zum Beispiel Kunstfälschung – die uns nicht relevant genug erschienen. Es ist ein Markenzeichen dieser Filme, dass sie keine konventionellen Krimis, sondern Thriller sind, die relativ komplexe und eben brisante Geschichten erzählen. Es gibt Zuschauer, die uns geschrieben haben: „Ich gucke seit Jahren keine Krimis mehr, aber eure Filme finde ich richtig klasse.“
Hannes Jaenicke: „Justiz lässt erschreckend viele große Fische laufen“
Das heißt, mit einer klassischen Kommissars-Rolle könnte man Sie jagen?
Jaenicke: Nein. Wenn die Drehbücher gut sind, interessiert mich grundsätzlich alles. Ich drehe auch eine Schmonzette, wenn das Skript passt. Aber der „Amsterdam-Krimi“ sticht eben heraus, und dafür bin ich der ARD sehr dankbar.
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Die Geschichten zeigen allerdings auch, dass Verbrecher ungestraft davonkommen können...
Jaenicke: Das entspricht leider der Realität. Ich habe Freunde und Bekannte bei der Kripo, und deren größter Frust ist es, wenn jemand nach jahrelanger Ermittlungsarbeit festgenommen, dann aber wegen Verfahrensfehlern oder auf Bewährung freigelassen wird. Das passiert oft. Die Justiz lässt erschreckend viele große Fische laufen. Das hat sicher auch damit zu tun, dass sich solche Leute die besten Anwälte leisten können. Der „kleine Mann“ tut sich viel schwerer, echte Gerechtigkeit zu erfahren.
Gute Beispiele sind der Cum-Ex- und der Diesel-Skandal. Oder die Masken-Deals während der Covid-Pandemie. Deshalb ist mein Vertrauen in die Justiz eingeschränkt. Der Ermittler, den ich in den „Amsterdam-Krimis“ spiele, weiß, dass er am System nichts verändern wird, und gibt dennoch nicht auf. Er hat trotz seines Zynismus den Glauben an den Sinn seiner Arbeit nie verloren.
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Jaenicke kämpft für die Umwelt – das motiviert ihn dabei
Sie kämpfen ja selbst mit Ihren Dokumentationen gegen die Zerstörung unserer Umwelt – und haben viele Straftäter gefilmt. Haben Sie selbst dabei den Glauben an den Sinn verloren?
Jaenicke: Das passiert regelmäßig. Sie müssen ja nur Nachrichten lesen. Ich weiß, dass vieles, was wir mit diesen Dokumentationen machen, vergebliche Liebesmüh ist. Der CO₂-Ausstoß steigt weltweit rasant weiter an, das Artensterben beschleunigt sich weiter, der Flächenfraß nimmt rasant zu, ebenso die Verschmutzung unserer Böden und Gewässer. Aber Aufgeben gilt nicht. Aufgeben ist für faule Egoisten und Verlierer.
Wie motivieren Sie sich dann?
Jaenicke: Es gibt viel zu viel Schönes zu retten. Ich habe einen Teil meiner Kindheit an Rhein und Main verbracht, das waren damals Chemiekloaken. Heute kann man in diesen Flüssen wieder baden. Es gibt viele Erfolgsgeschichten: Der Buckelwal erlebt ein Comeback. Es werden Korallenriffe und Wälder aufgeforstet. Es lohnt sich also zu kämpfen. Es ist viel zu dumm und zu bequem zu sagen: Da kann man nichts machen, also fahre ich weiter meinen SUV, buche meine und Billigflüge und esse dreimal täglich Wurst und Fleisch vom Discounter.
Doch was ist, wenn Ihre Stimmung mal ganz in den Keller geht?
Jaenicke: Dann gehe ich ans oder aufs Wasser. Ich bin begeisterter Segler, Kitesurfer, Kajakfahrer. Nach ein paar Tagen habe ich wieder die nötige gute Laune, um weiterzumachen.
Der Schauspieler über das BKA: „Einer der spannendsten Berufe, die es gibt“
Sie sind bei Ihren Dokumentationen auch inkognito unterwegs. Fänden Sie es spannend, als verdeckter Ermittler zu fungieren wie Ihre Figur in den „Amsterdam-Krimis“?
Jaenicke: Sehr sogar. Ein Jahr vor dem Abitur, da war ich 18, habe ich mich beim BKA beworben. Einer meiner Freunde arbeitet als verdeckter Ermittler. Ich finde das neben der Schauspielerei einen der spannendsten Berufe, die es gibt.
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Dafür muss man aber private Opfer bringen und sein persönliches Leben aufgeben. Wären Sie dazu bereit?
Jaenicke: Ich habe jahrzehntelang mein Privatleben der Arbeit untergeordnet. Man kann nicht 30 Jahre lang um den Globus reisen, Filme und Umwelt-Dokus drehen und glauben, dass sich das mit einem intakten Privatleben verbinden lässt. Das wird immer darunter leiden, wenn man etwas mit einer gewissen Passion betreibt. Wobei das bei verdeckten Ermittlern natürlich noch viel härter ist. Die führen radikale Doppelleben.
Jaenicke: „Reicht, eine Ehe in den Sand gesetzt zu haben“
So gesehen müssen Sie froh sein, dass Sie nicht beim BKA gelandet sind.
Jaenicke: Vielleicht wäre ich ja Sesselpupser geworden.
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Aber kriegen Sie die Balance zwischen Beruflichem und Privaten jetzt besser hin?
Jaenicke: Ich hatte jetzt fast 40 Jahre lang Zeit zum Üben und mich tatsächlich verbessert. Es reicht, eine Ehe in den Sand gesetzt zu haben. Man sollte versuchen, die eigene Lernkurve so steil wie möglich zu gestalten.
Was hat eigentlich den höheren Wert: berufliche oder private Erfüllung?
Jaenicke: Schön wäre es, wenn beides ginge. Das muss man eben üben. Mein Vater war begeisterter Naturwissenschaftler und absoluter Workaholic. Trotzdem haben meine Eltern 60 schöne Ehejahre hingelegt. Davor ziehe ich bis heute den Hut.