Berlin. Ann-Kathrin Kramer verrät, wie sie sich bei einem Dreh gegen Sexismus wehrte und was für sie in einer Beziehung am wichtigsten ist.
Am 7. April um 20.15 Uhr sind Ann-Kathrin Kramer und ihr Mann Harald Krassnitzer bei der Paartherapie. Allerdings nicht real, sondern nur in dem ZDF-Format „Familie Anders“. Wie die 58-Jährige betont, gibt es indes keine Parallelen zu ihrem persönlichen Eheleben. Da setzt die Schauspielerin auf offene Kommunikation. Dass sie offene Worte nicht scheut, bewies sie bereits in jungen Jahren, als sie sich gegen Sexismus beim Dreh zur Wehr setzen musste.
„Familie Anders“ hat den Reiz, dass die Darsteller der ratsuchenden Paare auch im realen Leben liiert sind...
Ann-Kathrin Kramer: Letztlich ist das aber nur ein Gimmick. Das macht für die Arbeit vor der Kamera keinen Unterschied.
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Legen Sie und Ihr Mann Harald Krassnitzer es darauf an, gemeinsam vor der Kamera zu stehen?
Kramer: Nein. Wir haben nicht alles gemeinsam gemacht, was uns als Paar angeboten wurde. Eine Zeitlang war das sogar eher ein Argument dagegen. Denn nicht jede der Rollen passt für den einzelnen. In diesem konkreten Fall fanden wir die Dynamik dieser Eheleute aber durchaus spannend, und wir konnten beide mit den Rollen etwas anfangen.
Ann-Kathrin Kramer über Dreh mit Ehemann: „Figuren waren uns extrem fern“
Weil Sie sich in der Beziehungsdynamik dieser Folge wiedergefunden haben?
Kramer: Es ist immer verlockend, die Verbindung zwischen Rolle und Privatmensch herzustellen. Zwar bedienen wir uns als Schauspieler unserer persönlichen Erfahrungen, aber wenn wir immer nur uns selbst spielen würden, wäre es unglaublich langweilig. Unser Beruf ist ja eigentlich, andere Menschen zu beobachten und uns die dann anzueignen. In diesem Fall waren die Figuren extrem fern von uns. Mein Mann zum Beispiel spielt in der Folge einen Menschen mit einer narzisstischen Störung.
Man sagt ja gerne Schauspielern zumindest narzisstische Anwandlungen nach...
Kramer: Es gibt sehr unterschiedliche Arten von Schauspielern, die den Beruf unterschiedlich betreiben und die ihn manchmal mit einer gewissen Form von Bereicherung fürs Ego verwechseln. Das hat uns nie interessiert. Dieses ganze Drumherum, wo auch gerne dein Ego gefüttert wird, ist für uns eher anstrengend. Aber das meine ich auch nicht wertend. Jeder Schauspieler holt sich seine Energie eben woanders. Jeder findet für sich den Weg, der ihm am besten gefällt.
Diese Dinge sind Kramer in einer Beziehung am wichtigsten
Auch wenn Sie beide vermutlich keine Paartherapie brauchen, was halten Sie davon?
Kramer: Ich finde jede Form von Therapie klasse. Es ist sehr luxuriös, wenn man jemanden hat, mit dem man reden kann, vor allem wenn man an Grenzen mit sich und dem anderen stößt. Diese Funktion können auch ein gut funktionierender Freundeskreis oder eine gut funktionierende Familie übernehmen. Aber ich finde es gut, dass die Therapie ihren Makel verloren hat, den sie bis vor nicht allzu langer Zeit noch hatte. Es sollte wie eine Prophylaxe sein.
Was ist für eine funktionierende Beziehung am wichtigsten?
Kramer: Kommunikation. Es ist wichtig, die Dinge klar zu benennen. Nicht ständig jeden Tag, aber immer dann, wenn man merkt, dass etwas nicht rund läuft oder etwas einem nicht gefällt. Meistens hat man schon ein Gespür dafür, bevor man das benennen kann. Sobald man fühlt, dass etwas nicht stimmt, soll man das sagen. Auch auf die Gefahr hin, dass es die Harmonie ein bisschen stört.
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Fällt es Ihnen leicht, Ihr Unbehagen zu artikulieren?
Kramer: Ich kann das ganz gut. Das konnte ich immer schon. Das ist bei mir wie ein Reflex. Für meine Umwelt ist das manchmal anstrengend, aber ich habe immer gerne den Finger in die Wunde gelegt.
Kramer lehnte sexistische Szene ab: „Das gab ein Riesenproblem“
Wie schwierig ist denn die offene Kommunikation in der heutigen Gesellschaft, wo vieles sehr sensibel bewertet wird?
Kramer: Im Moment gibt es viele Wirbelwinde. Grundsätzlich ist es gut, wenn sich alles irgendwann wieder beruhigt und ausgleicht. Aber ich habe auch das Gefühl, dass die massive Kritik an vielen Sachen dazu geführt hat, dass einiges besser geworden ist. So anstrengend das gelegentlich für mich ist, die Wirkungen dieser Diskussionen sind ganz toll.
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Was konkret meinen Sie zum Beispiel?
Kramer: Zum Beispiel, dass sich junge Frauen bei einem Dreh nicht mehr kommentarlos bestimmten Anweisungen fügen. Als junge Schauspielerin habe ich es bei einem Nacktdreh erlebt, dass der Regisseur mir sagte: „In der Szene kommst du aus der Badewanne und kremst dich ein, und dabei bist du nackt.“ Ich hätte dabei einen Dialog mit der Figur meines Bruders, der ein katholischer Ordensmann war, haben sollen.
Ich habe das abgelehnt, weil das völlig absurd war, und so gab es ein Riesenproblem. Der Regisseur setzte mich massiv unter Druck: „Wenn du das nicht machst, dann drehen wir nicht weiter. Das wird teuer.“ Und da reden wir nicht von der Steinzeit, sondern von diesem Jahrhundert.
Was ist dann passiert?
Kramer: Ich habe das nicht gemacht, und alles ist gut ausgegangen, aber viele andere Kolleginnen wären unter diesem Druck zusammengebrochen. Heute wäre das undenkbar.
Diese Initiativen liegen Ann-Kathrin Kramer am Herzen
Was macht es mit einem, wenn man so einen Konflikt ausgestanden hat?
Kramer: Das hat mir eine größere Selbstsicherheit gegeben. In dem Moment habe ich gemerkt: Das geht nicht. Dieser Instinkt war ganz klar und ich bin meinem Gespür gefolgt. Wenn so etwas gut geht, dann fühlt man sich innerlich gestärkt.
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Sie scheuen auch sonst keine schwierigen Themen. Seit vielen Jahren engagieren Sie sich für sexuell missbrauchte Kinder. Im November 2022 übernahmen Sie und Ihr Mann die Schirmherrschaft des Fördervereins „Chance 8“, der belastete Kinder unterstützt.
Kramer: Unser Beruf ist es, Menschen zu studieren und auch zu mögen. Dazu gehören nicht zuletzt Menschen, die in diesem Leben nicht auf die Butterseite gefallen sind. Da sind mein Mann und ich uns sehr ähnlich. Es ist uns ein Anliegen, da nicht wegzuschauen, sondern das wenige, was wir tun können, auch zu tun.
Es ist wichtig, dass wir uns nicht auf eine kleine Scholle oder in unsere kleine Zelle zurückziehen. Das tun jetzt viele, weil da draußen so eine große Unruhe und Unsicherheit ist. Aber wir wollen nicht in so ein Biedermeier-Denken zurückgehen, sondern das Gegenteil tun: Orte finden, wo man es besser machen und das, was anderen fehlt, geben kann.