Berlin. Ein 35-Jähriger wurde in Schleswig-Holstein von seinem XL Bully zerfleischt. Braucht Deutschland strengere Gesetze für Kampfhunde?

Ein American Bully ist ein robuster und kräftiger Hund. Er scheint nur aus Muskeln zu bestehen, wurde extra so gezüchtet. Die Stärke des Tiers ist unverkennbar. Doch nicht immer scheinen Hunde dieser Art ihre Kraft und ihren kämpferischen Instinkt unter Kontrolle zu haben – oft bedingt durch Fehler ihrer Besitzer und eine falsche Erziehung.

Auf grausame Weise zeigt das ein Vorfall, zu dem es nun in Schleswig-Holstein gekommen ist. Dort geriet ein XL Bully – die größte Variante dieser Rasse – offenbar außer Kontrolle und griff seinen 35-jährigen Halter in einem Waldgebiet an. Wie es dazu kommen konnte und ob der Hund womöglich falsch erzogen wurde, ist unklar. Er soll jedoch bereits zuvor aggressives Verhalten gezeigt haben.

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Hundeangriff in Schleswig-Holstein: Passantin findet Verletzten in Wald

Eine Passantin fand den schwer verletzten Mann, während der Hund offenbar über sein Herrchen wachte. Auf die alarmierten Rettungskräfte aggressiv, weshalb sich die Polizei für einen tödlichen Schuss entschied. Kurz darauf verstarb der Besitzer des Hundes im Krankenhaus an seinen schweren Verletzungen.

Und leider ist es kein Einzelfall. Ein ähnliches Schicksal ereilte ein Jahr zuvor eine 87-jährige Frau in Rheinland-Pfalz, die von einem American Bully angegriffen und tödlich verletzt wurde. Im Unterschied zum aktuellen Vorfall war dieser Hund zuvor nicht durch aggressives Verhalten aufgefallen.

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XL Bullys immer wieder für tödliche Angriffe verantwortlich

Tragische Fälle, die die Frage aufwerfen, wie gefährlich diese Hunde sind. Handelt es sich um tragische Unglücke oder sind Vierbeiner dieser Art eine grundsätzliche Bedrohung? Zumindest Deutschlands Nachbar hat diese Frage für sich eindeutig entschieden. 23 tödliche Hundeattacken gab in den letzten zwei Jahren in Großbritannien, von denen die meisten auf XL Bullys zurückzuführen waren.

Infolgedessen entschied sich der Inselstaat für einen drastischen Schritt: In England und Wales dürfen XL Bullys nur unter strengen Auflagen gehalten werden. Wer einen Hund ohne Genehmigung hält, begeht eine Straftat. Wessen Hund trotz Ausnahmeregelung aggressiv wird, dem drohen 14 Jahre Haft.

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XL Bull als Kreuzung verschiedener Rassen

Entscheidend für diesen Schritt ist die Neuregelung seitens britischen Regierung, die bisher nicht klassifizierten Hunde als eigene Rasse einzustufen. Ein Schritt, der in weiten Teilen der restlichen Staaten Europas und auch in Deutschland bislang nicht vollzogen wurde. Ein American Bully ist je nach Züchtung die Kreuzung aus einem American Staffordshire Terrier und American Pit Bull Terrier, mit Einschlägen anderer Bulldoggenrassen.

Laut Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) und der Fédération Cynologique Internationale (FCI) ist der American Bully demnach keine eigene Rasse, kann somit nicht als Kampfhund klassifiziert werden und steht auch auf keiner Rasseliste.

Ein XL-Bully-Hund namens Riz, aufgenommen während eines Protests gegen die Entscheidung der Regierung, sogenannte XL Bullys in die Liste der verbotenen Rassen aufzunehmen.
Ein XL-Bully-Hund namens Riz, aufgenommen während eines Protests gegen die Entscheidung der Regierung, sogenannte XL Bullys in die Liste der verbotenen Rassen aufzunehmen. © dpa | Jacob King

Auf dieser stehen jedoch Hunde, die wegen gefährlichen Verhaltens nicht in Deutschland gehalten werden dürfen. Welche das im Einzelfall sind, unterscheidet sich je nach Bundesland. Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig Hollstein und Niedersachsen führen gar keine Rasselisten. In allen anderen Bundesländern sind der American Pit Bull Terrier und der American Staffordshire Terrier gelistet – also die beiden Rassen, aus deren Kreuzung wohl auch der American Bully abstammt.

Gesetze in Deutschland: Einfuhr von XL Bullys verboten

Dennoch unterliegt der American Bully bestimmten Auflagen. Laut Hundeverbringungs- und -einfuhrgesetz dürfen „Hunde der Rassen Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier, Bullterrier sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden“ nicht nach Deutschland eingeführt werden, somit auch nicht der American Bully.

Auch in einzelnen Bundesländer gelten gesonderte Regeln, obwohl die Tiere auf keiner Rasseliste stehen. Das Berliner Verwaltungsgericht urteilte etwa im letzten Oktober, dass der American Bully als gefährlicher Hund einzustufen ist. Auch in Bayern ist eine gesonderte Genehmigung erforderlich.

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„Fakt ist jedoch, dass die Beißkraft bei gewissen Hunderassen größer ist als bei anderen Rassen“

Inwieweit Kampfhunde und deren Kreuzungen tatsächlich aggressiver sind, darüber herrscht Uneinigkeit. Eine bundesweite Beißstatisik gibt es nämlich nicht, sie wird von Bundesländern individuell geführt. Etwa in Berlin kamen 2022 von den 489 gemeldeten Bissen, die leichte Verletzungen mit sich zogen, 20 von „gefährlichen Hunden.“ Von den 87 Bissen, in deren Folge es zu schweren Verletzungen kam, wurden 15 von „gefährlichen Hunden“ verursacht. „Falls es dazu kommt, dass große kräftige Hunde einmal zubeißen, ist das Risiko schwerer Verletzungen natürlich höher“, bestätigte Lea Schmitz vom Tierschutzbund gegenüber dieser Redaktion.

Ihrer Enschätzung nach fehle jedoch die wissenschaftliche Grundlage, um American Bullys in Gänze als gefährlich einzustufen. „Ob ein Hund verträglich oder für Menschen gefährlich ist, hängt bei allen Rassen, insbesondere von der Zuchtauswahl, Sozialisation und Aufzucht sowie von Erziehung, Umgang und Haltung ab“, so Schmitz. Der Deutsche Tierschutzbund fordere daher einen verpflichtenden theoretischen Sachkundenachweis vor der Anschaffung eines Tieres, unabhängig von der Rasse des Hundes.

Die Tierrechtsorganisation PETA fordert nach der tödlichen Beißattacke von Geesthacht ein Zuchtverbot für alle Hunde, insbesondere für Kampfhunde. „Schuld sind aber nicht die Tiere: Vor allem ‚Kampfhunde‘ werden aufgrund ihres massiv gezüchteten Körperbaus oft als Statussymbole gehalten, gequält und missbraucht“, so Fachreferentin Monic Moll. Sie begrüßt die strikte Verbotspolitik in England als verantwortungsvollen Schritt, da das aggressive Verhalten der Tiere oft gezielt gefördert werde. „Deutschland sollte dem Beispiel Englands folgen und das Import- und Zuchtverbot auch auf weitere ‚Kampfhunderassen‘ ausweiten“, fordert die Tierschützerin.

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