Berlin. Yvonne Catterfeld fühlt sich in der Filmbranche häufig fremd. Hier verrät die Schauspielerin, wann ihre offene Art zum Problem wird.

Die Krimireihe „Wolfsland“ in der ARD war in den letzten Jahren eine wichtige Konstante im Leben von Yvonne Catterfeld. Auch zum Ende diesen Jahres ist die 44-jährige Schauspielerin und Sängerin mit zwei neuen Folgen im Fernsehen zu sehen. Sowohl am 25. Dezember um 20.15 Uhr als auch am 28. Dezember um 20.15 Uhr löst Catterfeld in ihrer Rolle als Viola Delbrück wieder Verbrechen.

Beim Dreh der Filme fühlte sich Catterfeld geborgen – im Gegensatz zu anderen Veranstaltungen der Showbranche, wie sie im Interview erzählt.

Sie spielen die Kommissarin Viola „Kessie“ Delbrück seit 2016. Wie nahe ist Ihnen diese Figur inzwischen?

Yvonne Catterfeld: Sie ist jetzt näher an mir dran als früher, weil ich glaube, dass die Autoren mehr und mehr private Qualitäten von uns haben einfließen lassen. Aber sie haben schon immer tief in unsere Figuren, in ihre Seelen, Abgründe und Verletzlichkeit geblickt. Allein dadurch sind Viola und ihr Kollege Butsch nahbarer, menschlicher und empathischer geworden. Insofern hat sich das ein bisschen angeglichen, selbst wenn Kessie immer noch eine recht spröde Figur ist. Ich bin im Gegensatz zu ihr ein fröhlicherer und harmonischerer Mensch. Aber verletzlich sind wir alle. Und wenn wir verletzt werden, werden wir hart.

Warum sind Sie nicht hart geworden?

Catterfeld: Och, das kann ich auch werden.

Und wann zeigt sich Ihre Sensibilität?

Catterfeld: Ich habe ein offenes Auge und Ohr für alles. Wenn zum Beispiel etwas beim Dreh passiert, frage ich mich sofort, ob das mit mir zu tun hat oder ob ich das verursacht habe. Ich nehme auch Geräusche sehr intensiv wahr. Deshalb kann ich nicht gleichzeitig Musik hören und etwas lesen oder mich parallel dazu auf ein Gespräch konzentrieren.

Viola Delbrück ist für ihren Kollegen Butsch eine Ansprechpartnerin in Beziehungsfragen. Sind Sie das mit Ihrer Sensibilität auch für Ihren Freundeskreis?

Catterfeld: Total. Wobei Viola keine psychologischen Tipps gibt. Aber ich bin auf jeden Fall in meinem Freundeskreis, der teilweise seit über 35 Jahren besteht, immer ein guter Gesprächspartner. Wir reflektieren, analysieren, lachen viel und können über alles offen reden. Mit Smalltalk tue ich mich dagegen schwer. Deshalb sind berufliche Events ab und an eine Herausforderung für mich. Ich kann schlecht Emotionen vortäuschen. So muss ich aufpassen, dass ich in Gesprächen nicht zu offen und ehrlich bin.

Fühlen Sie sich in der Branche dann überhaupt wohl?

Catterfeld: Doch, schon. Vor allem aber, wenn ich in einem vertrauten Umfeld, wie beim Dreh von „Wolfsland“ bin. Ich lebe normalerweise recht zurückgezogen und freue mich, wenn ich wieder mit dem ganzen Team zusammen bin. Gleichzeitig bin ich auch für andere Rollen und damit für neue Menschen offen. Das ist der Unterschied zu unserem ständig wechselnden Job und Umfeld: dass wir uns immer wieder auf neue Menschen einstellen und offen sein müssen. Das ist spannend.

Dennoch halte ich mich bei Veranstaltungen an die Menschen, die ich kenne. Vor nicht allzu langer Zeit habe ich meine tolle Kollegin Silke Bodenbender kennengelernt, mit der ich mich den ganzen Abend unterhalten habe. Wir waren so vertieft in unser Gespräch, dass ich mit keinem anderen mehr gesprochen habe. Ich kann solche Veranstaltungen einfach nicht so für meinen Beruf nutzen, wie es der ein oder andere tut.

Yvonne Catterfeld und Götz Schubert in der neuen „Wolfsland“-Folge „Das schwarze Herz“.
Yvonne Catterfeld und Götz Schubert in der neuen „Wolfsland“-Folge „Das schwarze Herz“. © MDR | Molina Film/AVM

Wollen Sie das lernen oder üben?

Catterfeld: Manchmal gelingt es mir. In den ersten zehn Jahren meiner Karriere war ich extrem diplomatisch, hab mir damit selbst aber nicht gut getan.

Sind Sie denn gegenüber Ihren Drehteams offen?

Catterfeld: Ja, denn da weiß ich, was ich erzählen kann. Natürlich bin ich nicht so offen wie gegenüber meinen besten Freundinnen und Freunden. Denen sind die letzten Details vorbehalten.

Ist Ihr neunjähriger Sohn bei den Drehs eigentlich dabei?

Catterfeld: Nicht mehr, seit er zur Schule geht. Und als er noch klein war, wollte er während der Drehs viel zu mir. Er war zwar immer mit mir auf Drehreisen, aber meine Eltern kamen nur in der Mittagspause mit ihm vorbei. Letztens war er allerdings wieder bei seinem Papa (Oliver Wnuk, Anm. d. Red.) am Set, was ich auch schön finde. Kinder sollten ihre Eltern mal bei der Arbeit erleben, denn dann bekommen sie einen ganz anderen Blick. Wir sind ja alle nochmal anders in unserem jeweiligen Job.

Ich wünschte, ich hätte meinen Eltern auch nur ein einziges Mal bei ihrer Arbeit zuschauen können. Heute würde ich dagegen gerne mal meinen Freunden zuschauen, wenn sie zum Beispiel als Lehrer oder Führungskraft arbeiten. Die meisten meiner Freunde machen etwas ganz anderes als ich.

Yvonne Catterfeld kann sich mehr mit ihrer Rolle Viola Delbrück identifizieren als noch am Anfang.
Yvonne Catterfeld kann sich mehr mit ihrer Rolle Viola Delbrück identifizieren als noch am Anfang. © picture alliance / Geisler-Fotopress | Matthias Wehnert/Geisler-Fotopre

Sie meinten in einem früheren Gespräch, dass Ihr Sohn es gut verstehen würde, seine Gefühle auszudrücken. Gilt das immer noch?

Catterfeld: Ja. Ich finde es total wichtig, das von früh auf zu lernen und Gefühle zu respektieren, sie überhaupt benennen und ausdrücken zu können. Wenn man sich zu seinen eigenen Emotionen bekennt, dann zeigt man bei einem Konflikt nicht mit dem Zeigefinger auf andere, sondern sagt, wie man sich gerade fühlt und was die Situation mit einem macht.

Haben Sie ein Beispiel dafür, wie Sie Sensibilitäten für die Gefühle anderer schärfen?

Catterfeld: Wir hatten ein Jahr lang eine Familie zu Gast, die in einem eigenen Wohnbereich gelebt hat. Als es um Silvester ging, habe ich meinem Sohn erklärt, dass wir keine Silvesterknaller auf der Straße haben wollten. Er hätte das gerne gemacht, aber wir haben ihm verständlich gemacht, warum wir es nicht gutheißen: „Diese Menschen kommen aus einem Kriegsgebiet und es würde Erinnerungen wach rufen.“ Das hat er auch verstanden. Am Ende geht es darum, einander zu verstehen. Das ist eines unserer Grundbedürfnisse: verstanden werden zu wollen.