Mit subtilen Methoden versuchen professionelle Lobbyisten in Berlin, Einfluss auf Öffentlichkeit und Politik zu nehmen.
Sie haben kunstvolle Namen wie „Eutop“ oder „Consultum Communications“, und wenn sie ihren Job gut machen, dann hat die breite Öffentlichkeit noch nie etwas von ihnen gehört. Ihre Arbeit ist erfolgreich, wenn sie Gesetzgebungsverfahren beeinflussen oder in den Medien nicht über sie, aber gut über ihre Auftraggeber und deren Anliegen gesprochen wird.
Die Rede ist natürlich von Lobbyisten: Einer Branche, die einerseits die Öffentlichkeit sucht, großteils und mit offenbar steigender Tendenz aber still und heimlich im Verborgenen arbeitet. Rund 5000 professionelle Strippenzieher sollen es nach Schätzung der Kölner Initiative „Lobby-Control“ inzwischen sein, die in der Hauptstadt Politiker und Journalisten bearbeiten.
Gefahr für die Demokratie
„Lobbyisten nehmen immer stärker Einfluss auf Politik und Öffentlichkeit“, sagt Hedi Klein, eine der Initiatoren von „Lobby-Control“. Dabei ist es nicht der Lobbyismus an sich, den die Politikwissenschaftlerin kritisiert. „Dass Interessengruppen ihr Anliegen zu Gehör bringen, ist legitim“, sagt Klein. „In seiner heutigen Ausprägung bringt der Lobbyismus jedoch die Demokratie in Bedrängnis.“ Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Die Branche hat sich in den letzten Jahren zunehmend professionalisiert. Ihre Methoden sind immer feiner, immer subtiler geworden. Auch die Gewänder der Lobbyisten haben sich geändert. Heute sind es neben den klassischen Verbänden immer mehr PR-Agenturen, Kanzleien oder nur scheinbar unabhängige Organisationen wie die arbeitgeberfinanzierte „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“, die über ihre weit reichenden Netzwerke in der Hauptstadt Einfluss auf Gesetze und öffentliche Meinungsbildung nehmen.
Das Idealbild des Lobbyisten, der seine im Grundgesetz verbürgte Meinungs- und Koalitionsfreiheit nutzt, um sich mit seinen Interessen und Fachkenntnissen in Öffentlichkeit und Parlament einzubringen, existiert höchstens im Lehrbuch. Im echten Leben haben Unternehmen, Wirtschaftsverbände und ihnen nahestehende „Think Tanks“ weit mehr Gelder zur Verfügung als andere, um ihre Anliegen durchzusetzen. „Schwächer repräsentierte Interessen geraten so leicht unter die Räder“, warnt Klein. Das jüngste Beispiel gekaufter Meinungsmache, von der die Öffentlichkeit nur durch einen Zufall erfuhr, fand ausgerechnet bei der Bahn statt.
Als 2007 die geplante Privatisierung des Staatsbetriebs in Parlament und Öffentlichkeit zunehmend auf Skepsis stieß, gab der Mehdorn-Konzern bei der Lobby-Agentur „European Public Policy Advisers“ (EPPA) für 1,3 Millionen Euro verdeckte PR-Aktivitäten in Auftrag. Die öffentliche Meinungsmassage war geschickt eingefädelt und wäre ohne die hartnäckige Recherche von Lobby-Control wohl nie ans Licht gekommen. Denn nicht EPPA selbst trat in der Öffentlichkeit in Erscheinung, sondern die von der Agentur beauftragte Denkfabrik „berlinpolis e.V.“, die direkte Beziehungen zur Bahn zuvor stets bestritten hatte. Inzwischen musste die Bahn den Vorfall einräumen, personelle Konsequenzen wurden gezogen.
Die Liste intransparenter und wenig demokratischer Einflussnahme auf den Parlamentsbetrieb ließe sich beliebig verlängern. So schreiben „externe Mitarbeiter“ in Ministerien an Gesetzen mit, die ihren wahren Arbeitgeber, oft ein Unternehmen oder ein Wirtschaftsverband, nachhaltig beeinflussen. So wechseln prominente Politiker wie Werner Müller, Gerhard Schröder, Hildegard Müller oder Alfred Tacke schneller in Führungspositionen in der Wirtschaft, als vielen lieb ist. Und so lassen sich vermeintlich unabhängige Ökonomen von Versicherungen bezahlen, deren Produkte sie mit wissenschaftlichen Expertisen oder als Regierungsberater den Weg bereitet haben.
Mehr Transparenz unverzichtbar
Für die Aktivisten von Lobby-Control kann es deshalb nur eine Konsequenz geben: Um die Funktionsfähigkeit der Demokratie nicht zu gefährden, ist mehr Transparenz nötig. Wer hat wann welche Gesetze wie beeinflusst? Diese Frage lässt sich heute in Deutschland kaum beantworten, anders als etwa in den USA. In Washington gibt es seit 1995 ein obligatorisches Lobbyregister, in dem sich alle Lobbyisten, ob Verband oder Anwalt, registrieren lassen müssen. Ebenfalls nachzulesen ist dort, wer an welchem Gesetzgebungsverfahren arbeitet und wie viele Lobbygelder fließen.
In Europa gibt es derartige Register bislang nur in Litauen, Polen und Ungarn. Geredet wird darüber immerhin in Großbritannien, Frankreich oder eben auch in Deutschland. Solange es ein echtes Lobbyregister jedoch nicht gibt, bleibt die Öffentlichkeit wohl vor allem auf Zufallsfunde wie bei der Bahn angewiesen. Die Lobbyisten haben vorerst weiter leichtes Spiel. NRZ