An Rhein und Ruhr. Sorge um eigene Sicherheit verleitet offenbar mehr Menschen zum Kauf freier Waffen. Ein Dinslakener Waffenhändler hat mehr Kunden mit Kleinem Waffenschein.
Waffenhändler Thomas Michelmann, in Dinslaken bekannt als „Lohmann“, steht in seinem Geschäft zwischen Gewehren und Regalen und Schaukästen voller Zubehör für Angler und Jäger, Pfefferspray und Ferngläsern. Aus einer Vitrine hat er gerade eine Schreckschusspistole herausgeholt und aufs Glas gelegt. „Die haben sich immer gut verkauft, aber jetzt haben wir eine größere Nachfrage“, erzählt er. Die auch als Gaspistole bezeichnete Waffe ist von einem scharfen Modell kaum zu unterscheiden und frei erhältlich.
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Viele der Kunden, die sich bei Waffen Lohmann Schreckschusswaffen kaufen, sorgen sich um die eigene Sicherheit, sagt er. Oft seien es ältere Leute, die sich bewaffnen wollen. Er beobachtet zudem einen Anstieg von Kunden, die bereits einen sogenannten Kleinen Waffenschein besitzen. Zwar ist der für den Erwerb der Modelle nicht nötig, für das Führen ist er jedoch verpflichtend.
Mehr Kleine Waffenscheine und höhere Nachfrage nach freien Waffen
Die Leute würden sich aktuell weniger sicher fühlen und bewaffnen sich zum Selbstschutz, erklärt Lohmann. Dieses Gefühl der Unsicherheit könnte in der Kriminalitätsstatistik begründet sein. Während von 2022 auf 2023 die Gesamtzahl der Straftaten in NRW um nur 3,4 Prozent stieg, wurde ein höherer Anstieg bei Gewaltdelikten (plus 7 Prozent) und Einbrüchen (plus 15 Prozent) erfasst.
Dass mehr Menschen einen Kleinen Waffenschein besitzen, ist ein Trend, den nicht nur der Waffenhändler spürt: in NRW steigt seit Jahren kontinuierlich die Zahl der Kleinen Waffenscheine. Ende Juni 2024 zählte das Landeskriminalamt (LKA) NRW 222.271 Stück, im Dezember 2023 waren es noch 214.095. Zum Vergleich: 2014 hatten lediglich 65.553 Menschen in NRW einen Kleinen Waffenschein.
Der Kleine Waffenschein
Ein Kleiner Waffenschein kann von Volljährigen bei der zuständigen örtlichen Waffenbehörde der Polizei beantragt werden, ist aber auch online möglich. Er berechtigt zum Führen von PTB-Waffen, wie Schreckschuss-, Gas- oder auch Signalpistolen. „Führen“ definiert die Polizei NRW als „die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Waffen“ also das „bei sich tragen“ von Waffen außerhalb der eigenen Wohnung, von Geschäftsräumen, dem eigenen befriedeten Besitztum oder einer Schießstätte. Unerheblich hierbei ist, ob Munition mitgeführt wird.
Für das Aufbewahren der Waffen zu Hause ist keine Erlaubnis nötig, ebenso wenig für den „einmaligen Transport der ungeladenen Waffe nach dem Kauf“.
Bei dem Antrag überprüfe man die Zuverlässigkeit und persönliche Eignung zum Führen einer Waffe geprüft, heißt es weiter bei der Polizei NRW. Dazu werden Auskünfte aus dem Bundeszentralregister, dem Staatsanwaltschaftlichen Verzeichnis sowie aus anderen polizeilichen Systemen herangezogen. Der Antrag kostet derzeit 90 Euro.
„Ich habe einen Kunden, der nicht mehr so gut sprechen kann und er meinte, er habe die Schreckschusspistole, um im Notfall auf sich aufmerksam machen zu können“, sagt Lohmann. Frei erhältliche Modelle, wie Schreckschusswaffen sowie mit Gummikugeln schießende RAM-Waffen machen neben Jagd- und Sportwaffen einen Großteil seines Umsatzes aus. RAM-Waffen (nach der abgekürzten englischen Bezeichnung „Real Action Marker“, im Deutschen „Markierer“ genannt) arbeiten mit Druckluft.
Insgesamt sei die Nachfrage nach freien Modellen etwas gestiegen, berichtet der Waffenhändler. „Das ist aber auch saisonabhängig. In der dunklen Jahreszeit verkaufen wir mehr Waffen zum Selbstschutz als im Sommer.“
PTB-Waffen und Beschränkungen der Schusskraft
Wer einen Kleinen Waffenschein hat, darf aber nicht alle erhältlichen Modelle tragen, denn frei ist oft nur der Erwerb. Sogenannte PTB-Waffen, wie Schreckschuss- oder Gaspistolen, dürfen von jeder Person ab 18 Jahren gekauft werden. Sie feuern Platzpatronen, können aber auch Reizgas verschießen.
Wer sie aber außerhalb des eigenen Zuhauses tragen, also führen, möchte, braucht den Kleinen Waffenschein. Erkennbar sind sie an dem PTB-Logo der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, die jedes Modell vor seiner Zulassung prüft.
RAM-Waffen sind ebenfalls ab 18 frei verkäuflich, für sie gilt jedoch ein Führverbot. Sie sind mit einem „F“ in einem Fünfeck gekennzeichnet, wenn ihre Schussenergie 7,5 Joule nicht überschreitet. Hat die Waffe mehr Energie, ist eine Waffenbesitzkarte und ein „großer“ Waffenschein für Erwerb und Führen nötig. Auf öffentlichen Veranstaltungen ist indes das Tragen jeder Art von Waffe verboten.
Aufklärung notwendig: Waffenbesitz birgt Risiken
„Die Waffengesetze werden immer komplexer“, sagt Waffenhändler Lohmann dazu. Der gestiegenen Nachfrage nach den freien Waffen folgt ein gewisser Beratungsbedarf: „Wenn jemand zum Selbstschutz für zu Hause eine Gas- oder RAM-Waffe möchte, den kläre ich auf“, erzählt der Händler. Besonders wenn jemand noch nie eine Waffe in der Hand hatte, sei die Gefahr groß, dass man sich selbst verletze. Daher wolle er in diesem Jahr erstmals Lehrgänge für den sichern Umgang mit PTB-Waffen anbieten.
Manchen Kunden rate er auch eher zum Pfefferspray für den Selbstschutz. Dieses darf von jedem geführt werden, sofern es die Aufschrift „Tierabwehrspray“ trägt. „Eine Gaspistole wirkt durch den lauten Knall eher auf Distanz, um zum Beispiel Einbrecher zu vertreiben“, sagt Waffenhändler Lohmann und warnt vor weiteren Risiken: Wenn man mit einem Gummigeschoss auf einen Einbrecher schießt, könnte sich später die Frage der Notwehr stellen und man könnte wegen Körperverletzung angeklagt werden.“
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Das LKA NRW indes rät davon ab, sich für den Schutz des eigenen Zuhauses zu bewaffnen. „Der Gebrauch von Waffen kann für den Benutzer oder Unbeteiligte gefährlich sein und eine Situation eskalieren lassen“, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage. So könne ein ungeübter Anwender entwaffnet werden. Reizstoffe aus Pfeffersprays oder Gaspistolen können in geschlossenen Räumen und bei ungünstigen Windverhältnissen auch den Anwender wehrlos machen.
Vor dem Erwerb einer freien Waffe solle man sich daher fragen, ob man sie wirklich benötigt. „Wer das eigene Heim schützen will, greift besser zu technischen Einbruchsicherungen“, sagt die LKA-Sprecherin. „Hierzu gibt es in allen Kreispolizeibehörden in NRW Experten, die Wohnungsinhaber kostenlos beraten.“