Duisburg. In Schulen und bei Social Media: Das Handwerk muss junge Menschen von der Branche überzeugen. Dabei spielen auch Fördermittel eine Rolle.

Das Handwerk sucht händeringend nach Auszubildenden und Betriebe versuchen, junge Menschen für die Branche zu gewinnen. Dafür müsse man viel mehr Werbung auf Social Media machen, um die Leute auch zu erreichen, meint Lothar Hellmann, Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Duisburg. Man müsse die junge Generation davon überzeugen, dass man auch im Handwerk Karriere machen kann, sagte er am Dienstag beim NRZ-Wirtschaftsforum Handwerk, veranstaltet von Duisburg Business und Innovation, kurz DBI.

Auf dem Podium diskutierte NRZ-Chefredakteur Ralf Kubbernuß mit Hellmann und weiteren Gästen darüber, wie das Handwerk und seine Potenziale jungen Menschen nähergebracht werden kann. „Viele Jugendliche wissen erschreckend wenig übers Handwerk. Über Social Media gibt es gute Möglichkeiten, ihnen erste Einblicke zu gewähren“, so Anna Sänger, Metallbauerin, die auf Social Media Werbung für das Handwerk macht.

Duisburg - NRZ-Wirtschaftsforum Handwerk
Duisburgs OB Sören Link sprach die Grußworte beim Wirtschaftsforum Handwerk im Bildungszentrum Handwerk . © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Nur Zementsäcke schleppen? Viele Vorurteile trügen Bild des Handwerks

„Unser Problem ist unser Image“, so Lothar Hellmann, der auch Geschäftsführer der Elektro-Firma Venn ist. „Wir müssen die jungen Leute davon überzeugen – auch junge Frauen – dass sie im Handwerk nicht wie früher auf dem Bau nur stemmen und gipsen müssen.“ Heute haben man intelligente Technik im Einsatz. „Wir digitalisieren Häuser, wir installieren die Photovoltaik oder Wärmepumpen. Wir sind das Handwerk der Energiewende. Da liegt die Zukunft.“

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Eine dieser jungen Frauen im Handwerk ist Rebecca Thal, die eine Ausbildung zur Elektronikerin für Energie- und Gebäudetechnik absolviert. Sie begeistert am meisten, „dass man nach der Arbeit ein Endresultat sieht. Wenn man mit den Monteuren auf Baustellen unterwegs ist und sieht, was man geschafft hat, das reizt mich auch heute noch an meiner Arbeit“, sagte sie. Dabei kennt aber auch sie die Vorurteile, die viele in ihrer Generation gegenüber handwerklichen Berufen haben.

Auszubildende Rebecca Thal beim NRZ-Wirtschaftsforum Handwerk.
Auszubildende Rebecca Thal beim NRZ-Wirtschaftsforum Handwerk. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

„Viele in meinem Alter fragen mich, ob ich den Beruf überhaupt schaffe“, erzählte Thal. Die Vorstellung sei, dass man als Elektriker nur Kabel schleppe oder Durchbrüche mache. „Ich mache aber auch filigrane Arbeiten, wie Datenanschlüsse. Besonders im Elektro-Bereich haben Frauen viele Möglichkeiten, sich auszutoben, weil sie filigraner arbeiten können.“

Auch Lothar Hellmann hat bei der Auszubildenden- und Mitarbeitersuche bereits positive Erfahrungen mit Social Media gemacht: „Ich habe für mal eine Agentur eingeschaltet, die einen Film in meinem Betrieb gedreht hat, für den meine Leute interviewt wurden. Nach einem halben Jahr habe ich 15 Leute eingestellt. Die Kampagne hat natürlich einiges gekostet. Aber wenn ein solcher Mitarbeiter mir im Jahr 120.000 Euro Umsatz macht, muss ich die Kampagne für gut 18.000 Euro in Relation dazu setzen“, so Hellmann. Anders gehe es in der heutigen Zeit nicht mehr.

Auszubildende sind näher dran

Für Unternehmer, die die Kosten einer solchen Kampagne nicht tragen können, hat Handwerks-Influencerin Anna Sänger einen Tipp: „Lassen Sie doch mal die Auszubildenden machen!“ Junge Menschen seien näher an der Zielgruppe, die begeistert werden soll, könnten die Vorteile eines Berufs authentischer vermitteln, als etwa der 60-jährige Chef. Und: Den Betrieb und den Beruf auf Social Media zu präsentieren, kann zur Identifikation, Einbindung und Motivation der jungen Mitarbeiter selbst beitragen. In einem solchen Projekt kann dann der Auszubildende zum Chef werden, weil er sich auf Social Media gut auskennt und nah an der Zielgruppe ist. Da kann der Chef auch mal etwas lernen.

Werbung für das Handwerk auch in den Schulen

Wichtig sei es aber auch, bereits Jugendliche in der Schule auf das Handwerk aufmerksam zu machen, meint Elena Rentzsch. Die 22-Jährige ist Dachdeckerin. Aktuell ist sie in der Meisterschule und studiert nebenbei noch Handwerksmanagement, um bald den Familienbetrieb von ihrem Vater zu übernehmen. „Bei Veranstaltungen zur Berufsorientierung in der Schule waren die Polizei oder Feuerwehr vertreten oder es ging darum, welches Studium man machen könnte.“ Handwerks-Betriebe seien nicht vertreten gewesen.

Dachdeckerin Elena Rentzsch.
Dachdeckerin Elena Rentzsch. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Kreishandwerksmeister Hellmann wünscht sich ein Schulfach „Wirtschaft und Handwerk“ sowie ein 14-tägiges Praktikum für Gymnasiasten in handwerklichen Betrieben, um die jungen Menschen für die Branche zu gewinnen. „Wir haben eine Ausbildungsmesse, einen Tag der offenen Tür gemacht und sind in Schulklassen gegangen. Wir machen alles Mögliche. Aber wir müssen die Eltern und die Lehrer überzeugen“, betonte er.

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NRZ-Chefredakteur Ralf Kubbernuß (re.) moderierte die Diskussion. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Das meint auch Anna Sänger. Sie ist Quereinsteigerin im Handwerk. Von der Unternehmenskommunikation wechselte sie zum Metallbau und ist zudem als Handwerks-Influencerin bekannt. „Es ist wichtig, zum Beispiel auch über das Fernsehen die Eltern zu erreichen, damit sie aufhören, ihren Kindern eine Ausbildung im Handwerk auszureden“, sagte sie.

Technik macht das Handwerk konkurrenzfähig und interessant

Neben den Sozialen Medien und vor allem praktischen Erfahrungen könne auch die Technik junge Menschen fürs Handwerk begeistern, meint Selcuk Kilic. Denn der Umgang mit Technik und Computer-Programmen erleichtert nicht nur die Arbeit, sondern macht Tätigkeiten auch für junge Menschen interessanter. Der Geschäftsführer der Duisburger Sanierungs-Firma Derewa und weiterer Unternehmen weist allerdings auf die hohen Kosten hin, die bei der Ausstattung mit Hard- und Software oft auf Unternehmen zukommen. „Wenn kleine und mittelständische Betriebe konkurrenzfähig bleiben sollen, brauchen sie mehr Förderung“, fordert Kilic.

Duisburg - NRZ-Wirtschaftsforum Handwerk
Gut besucht war das NRZ-Wirtschaftsforum Handwerk im Bildungszentrum Handwerk in Duisburg. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich