Erkelenz. Als „Mönch von Lützerath“ wurde ein französischer Klimaaktivist zum Internet-Phänomen. Vor Gericht räumt der 29-Jährige die Vorwürfe ein - und erklärt sein Kostüm.
- Als „Mönch von Lützerath“ wurde ein französischer Klimaaktivist zum Meme
- Vor Gericht in Erkelenz wird ihm vorgeworfen, Polizisten geschubst und getreten zu haben
- Er gesteht am ersten Prozesstag und erklärt sein kurioses Kostüm
Vor dem Amtsgericht in Erkelenz stehen an diesem bitterkalten Mittwochmorgen bereits Dutzende Menschen. Drei Polizeiwagen sichern das Gelände. Ein Pavillon wird aufgebaut. Musik dröhnt aus einem Lautsprecher. „Solidarisch gegen Repression“ steht auf einem Plakat. Der Grund für den Auflauf: Es ist der Prozessauftakt gegen einen jungen Mann, der als „Mönch von Lützerath“ für Schlagzeilen gesorgt hat und zu einem Symbol für den Anti-Kohle-Aktionismus geworden ist. Er soll bei den Protesten gegen die Räumung des Weilers im Rheinischen Braunkohlerevier im Januar 2023 Polizisten attackiert haben.
Vor einem Jahr steuerte die wohl letzte große Auseinandersetzung im Rheinischen Braunkohlerevier auf ihren Höhepunkt zu. Lützerath war zu diesem Zeitpunkt eine kleine Siedlung bei Erkelenz südlich von Mönchengladbach. Sieben Gebäude, direkt an der Abbruchkante, hinter der die gewaltige Grube des Tagebaus Garzweiler aufklafft. Es war das letzte Dorf, das der Braunkohle zum Opfer fallen sollte. Die Gebäude in dem Weiler waren damals von Anti-Kohle-Aktivisten besetzt.
Der Mönch von Lützerath wurde zum Internet-Phänomen
Als die Polizei mit großem Aufgebot anrückt, um die besetzten Häuser ab dem 12. Januar zu räumen, kommen Tausende Menschen, um das zu verhindern. Die Auseinandersetzungen dauern mehrere Tage und eskalieren am 14. Januar, als bei einer Großdemonstration einige Hundert Aktivsten versuchen, die Polizeisperren zu durchbrechen und nach Lützerath durchzukommen. Unter ihnen: Der Franzose Loïc S. - er trägt ein Mönchskostüm.
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Die Szenen, die sich an diesem kalten, nassen Tag in Lützerath abspielen und die den jungen Franzosen zu einem Internet-Phänomen werden lassen, sind nahezu grotesk. Behelmte Polizisten in schwerer Schutzkleidung versinken knöcheltief im Matsch, einige fallen um, andere versuchen, ihre Kollegen aus dem Schlamm zu ziehen. Die Demonstranten, darunter auch Schneider in seiner Mönchskutte, bewegen sich problemlos.
Der junge Franzose versucht neben einem der umgestürzten Polizisten ein Schild in den Boden zu rammen, so ist es auf einem Video zu sehen. Ein Beamter wirft das Schild mehrmals unwirsch weg. Darauf schubst S. den Mann zweimal um.
Prozess gegen den Mönch von Lützerath: Riesiges Interesse
Gut zwei Jahre später sitzt der 29-Jährige, im Saal 1.02 im Amtsgericht von Erkelenz. Ein schlaksiger junger Mann mit lockigen Haaren, einem schwarzen Kapuzenpulli. Der kleine Sitzungssaal ist eng bestuhlt. Das Medieninteresse ist groß. Kameraleute und Fotografen machen Aufnahmen, S. lächelt verlegen, er wirkt schüchtern. Er hat aber eine Botschaft mitgebracht, und hat deswegen nichts dagegen, unverpixelt gezeigt zu werden.
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Der Prozess startet wegen des großen Andrangs mit einer halbstündigen Verspätung. Die Anklageverlesung ist kurz und knapp. S., so die Staatsanwältin, habe am Tag der Großdemonstration gegen 13.15 Uhr einen Polizisten gegen das linke Bein getreten, weswegen dieser unter Schmerzen und einem Hämatom gelitten habe. Kurze Zeit später habe er einen anderen Polizisten geschubst. Es ist die Szene, die auf dem Video zu sehen ist.
Der Vorwurf: Tätlicher Angriff in zwei selbstständigen Handlungen auf Amtsträger, die S. „körperlich misshandelt“ habe. Mindeststrafmaß: drei Monate. Ein Unbekannter ist der Altenpfleger für die deutschen Behörden nicht: Er soll auch bei den Protesten gegen den G20-Gipfel Polizisten attackiert haben. Trotzdem hofft seine Berliner Anwältin Carolin Kaufmann auf ein mildes Urteil. „Vielleicht wird es minderschwerer Fall eingeschätzt“, sagt sie. Maximal drohen ihrem Mandanten fünf Jahre Haft.
Angeklagter spricht von „beispielloser Polizeigewalt“
So kurz die Anklageverlesung ist, so lang ist die Einlassung des Angeklagten: Über 25 Minuten referiert der 29-Jährige. Er erzählt, dass er 2014 bei Demonstration in Frankreich war, bei er Demonstrant durch eine Polizeigranate getötet wurde, dass er schon seit 2020 regelmäßig in Lützerath gewesen sei. Sein Mönchsgewand habe er getragen, weil er hoffe, damit die „Spiritualität in den Widerstand“ zu tragen.
Er klagt über das harte Vorgehen der Polizei an dem Tag der Demonstration. Er habe ohnmächtige und blutige Menschen gesehen, sei selbst zweimal von einem Schlagstock getroffen worden, einmal am Kopf, einmal am Ellenbogen, habe wegen der „beispiellosen Polizeigewalt“ geweint. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft räumt er ein.
Dass er dem ersten Polizisten ein Bein stellte, sei eine „spontane Reaktion gewesen, die stärker als ich war“, das Umschubsen des zweiten Beamten bezeichnet er als „Umkehr der Machtverhältnisse“. Das einzige Opfer dieser Aktionen sei „der Stolz der Polizei und eines Staates, der nicht weiß, wie er reagieren soll“.
Polizisten sollen vor Gericht noch zu Wort kommen
Ansonsten ergeht sich S. wenig konsistent in Kapitalismuskritik, Gedanken über die Angemessenheit von Gewalt, Streifzügen durch die Geschichte, von den Bauernaufständen, über Gandhi und dem südafrikanischen Kampf gegen die Apartheid bis hin zu Krieg in der Ukraine. Die „zerstörerische kapitalistische Maschine“ müsse gestoppt werden. Die Auseinandersetzungen bei Lützerath am 14. Januar sind für ihn Ausdruck „kollektiven Wagemuts, um das Dorf zu retten“.
Er beendet seinen Vortrag mit den Worten: „Ich habe gesagt, was ich auf dem Herzen habe. Der Mönch von Lützerath.“ Der Vorsitzende Richter Michael Floeth sagt trocken: „Ich werte das als Geständnis.“ S. antwortet: „Ja“. Floeth will das Verfahren eigentlich schon an diesem Tag abschließen. Die Verteidigerin bittet aber darum, die betroffenen Polizisten zu ihren erlittenen Verletzungen aussagen zu lassen. Als S. nach draußen kommt, applaudieren seine Sympathisanten. Der Prozess wird am 5. Februar fortgesetzt.