Düsseldorf. Der Bundestag hat ein neues Gesetz zum Mutterschutz nach Fehlgeburten verabschiedet. Frauen haben nun früher Anspruch. Expertin erklärt, wie das helfen soll.

  • Der Bundestag hat am Donnerstag (30. Januar) auf ein neues Gesetz zum Mutterschutz nach Fehlgeburten verabschiedet
  • Ab dem 1. Juni dieses Jahres haben auch Frauen, die ab der 13. Woche eine Fehlgeburt erleiden, Anspruch auf Mutterschutz
  • Düsseldorfer Expertin erklärt, was die Gesetzesänderung bringt

„Der Verlust eines ungeborenen Kindes ist für viele Paare ein Moment, in dem die Welt still steht“, sagt Martina Berendt-Laermanns. Die 66-Jährige weiß aus langjähriger Erfahrung, wie tiefgreifend eine Fehlgeburt das Leben Betroffener beeinflussen kann. Der Verlust eines still geborenen Kindes wirft oft zahlreiche Fragen auf – Antworten darauf brauchen Zeit.

Der Bundestag hat jetzt ein neues Gesetz verabschiedet, mit dem Frauen bereits bei einer Fehlgeburt ab der 13. Schwangerschaftswoche Anspruch auf Mutterschutz haben. Das Gesetz soll am 1. Juni dieses Jahres in Kraft treten. Für Berendt-Laermanns ist das ein bedeutender Fortschritt.

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Als Diplom-Sozialpädagogin bei einer Donum-Vitae-Beratungsstelle für Pränataldiagnostik in Düsseldorf und ausgebildete Trauerbegleiterin begegnet sie seit Jahren Frauen und Paaren, die eine Fehlgeburt erfahren haben. Warum eine solche Gesetzesänderung wichtig ist und weshalb Fehlgeburten trotz allem noch immer ein Tabuthema sind, erklärte sie Anfang Januar in einem Gespräch mit der NRZ.

Warum ist es Ihrer Meinung nach wichtig, den gestaffelten Mutterschutz schon bei früherer Fehlgeburt zu ermöglichen?

Fehlgeburten passieren häufig, vor allem in der früheren Schwangerschaft. Das Risiko bei Frauen ohne vorherige Fehlgeburt liegt bei etwa 11 bis 13 Prozent und steigt mit zunehmendem Alter an. Frauen benötigen Raum und Zeit, den Verlust zu verarbeiten, ohne sich großartig beim Arzt erklären zu müssen. Ein gestaffelter Mutterschutz wäre eine Anerkennung dieses Verlusts, es würde den Frauen ermöglichen, zu trauern. Und dabei ist es häufig egal, in welcher Schwangerschaftswoche die Fehlgeburt stattgefunden hat.  

Martina Berendt-Laermanns, Trauerbegleiterin aus Düsseldorf.
Martina Berendt-Laermanns, Trauerbegleiterin aus Düsseldorf. © Privat | Privat

Wäre eine Ausweitung des Mutterschutzes nach einer Fehlgeburt also auch vor der 13. Woche notwendig?

Auch ein Verlust in der neunten Schwangerschaftswoche kann für betroffene Frauen zutiefst schmerzhaft sein und sie arbeitsunfähig machen, besonders, wenn das Kind sehnlichst gewünscht war. Aber da muss man einen Unterschied machen. Fehlgeburten ab der 13. Woche gehen mit einer „stillen Geburt“ einher, bei der die Frau das Kind sehen kann. Die Frauen haben ein Geburtserlebnis, das mit intensiv körperlichen und emotionalen Belastungen verbunden ist. Für einige ist es auch das erste Geburtserlebnis. Der Schmerz, das Kind willkommen zu heißen und gleichzeitig verabschieden zu müssen, macht den Mutterschutz in diesen Fällen absolut notwendig.

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Viele brauchen danach die Zeit, weil sie nicht nur mit der körperlichen Rückbildung und der Trauer, sondern auch mit Schuldgefühlen beschäftigt sind und sich fragen, ob sie etwas falsch gemacht haben. Bei früheren Fehlgeburten sollte jedoch der Arzt flexibel und mit anderer Großzügigkeit entscheiden können, da die Bedürfnisse immer individuell unterschiedlich sind.

Kann Arbeit in diesem Moment nicht auch eine Stütze sein?

Auf jeden Fall. Für manche Frauen ist die Rückkehr zur Arbeit ein hilfreicher Weg, um mit der Situation umzugehen. Ein unterstützendes Arbeitsklima, in dem Verständnis herrscht und auch Raum für emotionale Pausen gegeben ist, kann dabei sehr wertvoll sein. Deshalb ist es auch wichtig, dass die Frau selbst entscheiden kann, ob sie den Mutterschutz in Anspruch nehmen möchte oder nicht.

Sie sagen selbst, Fehlgeburten passieren häufig, warum ist das Thema noch immer so ein Tabu?

Das ist schwierig zu beantworten und hat womöglich tief verwurzelte Gründe. Viele Menschen fühlen sich unsicher im Umgang mit Trauer und wissen nicht, wie sie Betroffenen begegnen sollen. Bei frühen Fehlgeburten erschwert es die Situation zusätzlich, dass die Schwangerschaft häufig noch nicht öffentlich gemacht wurde.

Plötzlich über ein so persönliches und schmerzhaftes Thema zu sprechen, fällt Betroffenen dann oft noch schwerer. Es gibt jedoch viele Schwangerschaftsberatungsstellen, die auch eine Trauerbegleitung anbieten. Auch das wissen viele Frauen und Paare nicht. Mehr Aufklärung könnte helfen, das Tabu zu brechen und den Betroffenen bessere Unterstützung zu bieten. Auch der frühere Anspruch auf Mutterschutz könnte dabei helfen, das Thema weiter zu enttabuisieren.