Essen. Eine Sehnsucht nach den „guten alten Zeiten“ entdeckt unser Autor angesichts der Weltenlage. Warum er lieber positiv in die Zukunft blickt.
In letzter Zeit hört oder liest man häufig den Satz: „Früher war alles besser.“ Da werden dann Bilder mit den Benzinpreisen aus den 70er-Jahren per WhatsApp verschickt. Von Kindern in Lederhosen, die sich während der Fahrt auf der Rückbank eines VW Käfers unangeschnallt tummeln, von Hausfrauen im Kleid an der Wursttheke oder von Kneipentheken, rauchgeschwängert.
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All diese Bilder sollen uns ganz offensichtlich sagen, dass es mal andere, viel bessere Zeiten in Deutschland gab. Gleichzeitig vergeht kein Tag, an dem nicht nur populistische Politiker oder Vertreter von Wirtschaftsverbänden düsterste Zustände unseres Landes zeichnen: Alles gehe den Bach runter, Industrie, Mittelstand, die Infrastruktur im Zerfall, die Bildung im Keller, dazu hohe Preise, das Ausland lache über uns. Und dann noch die vielen Migranten …
Wer profitiert von den Erzählungen?
Die Sehnsucht nach der „guten alten Zeit“ erscheint aktuell so groß, weil sie im krassen Gegensatz zur angeblich miserablen Zeit heute steht. Doch stimmen beide Erzählungen überhaupt? War früher wirklich alles so toll? Ist es heute tatsächlich so mies? Und: Wer profitiert von solchen Erzählungen?
Nehmen wir die Benzinpreise. 1965 kostete der Liter Normalbenzin umgerechnet 29,3 Cent. Sagenhaft billig, könnte man meinen. Doch damals verdiente der Industriearbeiter im Schnitt 418 Euro brutto im Monat. In Relation gesetzt war Sprit für ihn also viel teurer als heute. Und das ganz ohne die Grünen … Die meisten Verkehrstoten gab es 1970 zu beklagen: 21.332 starben auf den Straßen, im Vergleich zu 2839 im vergangenen Jahr. Dank der staatlichen „Zwangsmaßnahme“ namens Sicherheitsgurt.
Frauen mussten ihren Mann um Erlaubnis bitten, wenn sie arbeiten wollten
Wenn eine Frau arbeiten wollte, musste sie noch bis 1977 ihren Mann gnädig um Erlaubnis fragen. Erst nach 1969 wurde eine verheiratete Frau als geschäftsfähig angesehen. In den Schulen durften Lehrer bis 1973 hemmungslos prügeln (was Eltern nur selten schlimm fanden), in Bayern sogar bis 1983. Und wenn sich zwei Männer liebten, wurde das bis 1994 als Straftat geahndet. Lesbischen Frauen wurde bis in die 1980er-Jahre das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen. Ob das alles wirklich die „gute alte Zeit“ war, darf also sehr bezweifelt werden.
Das gilt auch für die weltweiten Krisen. Der Koreakrieg in den 50ern drohte zum Atomkrieg auszuarten, die Kubakrise in den 60ern ebenso, und das ging weiter bis zu den Abrüstungsgesprächen 1979 (Salt-2-Vertrag) zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion. Gleichwohl gingen die Kriege global weiter – bis heute.
Die guten Nachrichten hört und liest man viel zu selten
Gibt es also zu Weihnachten 2024 gar keine „frohen Botschaften“? Doch, man muss nur dem medialen Horrormeldungsbeschuss widerstehen, auch wenn das nach Magdeburg nicht leichtfällt. Dennoch bleibt festzuhalten, dass Medien so gut wie nie darüber berichten, wenn sich die Menschen vertragen, wenn Behörden gut arbeiten, wenn Züge pünktlich fahren, wenn Unterricht Spaß macht, Klimaschutz gelingt oder wenn in Kliniken und Heimen die Menschlichkeit herrscht. Das alles ist durchweg positiv, man hört und liest es nur viel zu selten. Und es geht hier nicht ums Schönreden.
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Doch leider schafft es Negatives viel eher in die Schlagzeilen, befeuert durch die „sozialen Medien“, die sich längst als asozial entpuppt haben. Begriffe wie „Katastrophe“ oder „Chaos“ werden inflationär benutzt, Hauptsache Krawall, Gefahr und Aufregung. Und die Populisten freut es, wenn Bürger in Angst leben. Denn verängstigte Menschen sind besonders empfänglich für schlichte Lösungen. Zulassen dürfen wir das alles nicht. Jeder kann etwas dafür tun, damit die Debatten in unserer Gesellschaft abkühlen.
Lassen Sie uns optimistisch in die Zukunft schauen!
Wahre Engel sind da die unzähligen Menschen, die nicht meckern und jammern, sondern anpacken oder ehrenamtlich anderen helfen: als Nothelfer, im Sozialen, in der Bildung, Kultur, im Sport oder der Kommunalpolitik. Sie alle halten unser Land, unsere Gesellschaft zusammen. Lassen Sie uns also optimistisch in die Zukunft schauen, so wie es die Weihnachtsgeschichte lehrt: Fürchtet euch nicht! Auch die Politik muss begreifen, dass ständiges Miesmachen und Schlechtreden keine Lösung ist. Wir brauchen Ziele und Hoffnungen, denn wer zuversichtlich ist, wählt kaum radikal.
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Seit dieser Woche werden die Tage wieder heller, es gibt Lichtblicke. Zwar gibt es keinen Schnee zum Fest, doch das war auch in der „guten alten Zeit“ nur selten der Fall. Ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben entspannte Feiertage mit hoffentlich vielen frohen Botschaften.