Groningen. „Wintergoud“ in Groningen: Bis Anfang Januar lockt die Großstadt kälteresistente Besucher in Hollands Norden. Lohnt der Besuch?
Keine 100 Meter entfernt vom Wahrzeichen Groningens, der Martinikirche, erhebt sich ein modernes Hochhaus in den trüben nordniederländischen Dezemberhimmel: das Forum. Das Erdgeschoss sieht auf den ersten Blick aus wie eine profane Touristen-Information samt Souvenirshop – tatsächlich ist das spektakuläre Gebäude so etwas wie der heimliche Star der Stadt. Auf insgesamt zehn Etagen finden sich eine Bibliothek, eine Kinderbücherei, öffentliche Lernplätze, ein Museum mit wechselnden Ausstellungen, ein Kino und ein Restaurant.
Groningen im Winter ist ein heißer Tipp für Holland-Fans, die sonst alles kennen. Sogar Einheimische sind überrascht, was die Stadt zu bieten hat. Piet, unser Stadtführer, leitet uns in einen versteckten Raum, ganz hinten auf der Bibliotheksetage. Ein Themenraum mit Billardtisch und Deko wie in einem altehrwürdigen Salon: „Das ist die Männerhöhle“, sagt Piet lachend. Annika Hijlkema, Mitarbeiterin des Stadtmarketingbüros „Visit Groningen“, ist baff: „Ich arbeite schon so lange in dieser Stadt, aber in diesem Raum war ich noch nie.“
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Groningen ist ein Geheimtipp für Holland-Experten
Groningen ist eine Studentenstadt: „Der Altersdurchschnitt der mehr als 200.000 Einwohner liegt bei gerade einmal 36 Jahren“, erklärt Stadtführer Piet. Die mittelalterlichen Fassaden und Grachten verleihen Groningen den Charme Amsterdams im Kleinformat. Für einen Wochenendausflug zieht es viele Deutsche nach Utrecht, Rotterdam oder gleich in die kosmopolitische Hauptstadt. Das nahe der Grenze zu Niedersachsen gelegene Groningen hingegen ist – jedenfalls in NRW – weniger bekannt. Wir haben uns angeschaut, was es dort im Winter zu entdecken gibt und ob sich eine Reise lohnt.
Zurück ins Forum, Groningens 2019 eröffneten Prestigebau. Jugendliche treffen sich hier mit ihren Freunden zum Abhängen, direkt daneben sitzen Studierende der örtlichen Hochschule, die für die nächste Klausur lernen. Ganz oben befindet sich eine Dachterrasse mit imposantem Ausblick auf die ganze Stadt. Ein futuristisch wirkender Begegnungsort, der die Kommune jede Menge Überzeugungsarbeit kostete, weiß Piet: „Als das Gebäude vorgestellt wurde, waren 80 Prozent der befragten Bürgerinnen und Bürger dagegen. Jetzt sind es gerade noch 18 Prozent, die den Bau nicht befürworten.“ Nicht alle Groninger lieben also das Forum. Aber das architektonische Experiment ist geglückt.
Abends sind die Kneipen in Groningen voll
Eigentlich besticht Groningen mit historischem Ambiente. Tagsüber verzaubert die Stadt mit einem Weihnachtsmarkt, der sich durch schmale Gassen entlang typisch niederländischer Hausfassaden zieht und dann an den Grachten weitergeführt wird. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Wintergoud“ ist Groningen noch bis zum 5. Januar eine Bühne für Kunst, Kultur und Gemütlichkeit. „Wintergoud“, was übersetzt „Wintergold“ bedeutet, steht für ein vielseitiges Programm mit Lichtinstallationen, Musik und lokalem Brauchtum. Das „Market Hotel“ ist wohl die zentralste Unterkunft. Vor der Tür findet sich der große Marktplatz mit dem Rathaus, ein Riesenrad, ein beheizter Glühweinstand, eine Eislaufbahn und weitere Stände locken die Touristen. Wer nach dem Abendessen noch auf einen Absacker ins Getümmel möchte, ist hier genau richtig aufgehoben. Günstiger als im „Market Hotel“ ist es eine Straße weiter: Das „PJs“ ist ein Hostel mit Restaurant. Es ist erst vor vier Monaten eröffnet worden.
Und abends? Gleich neben dem Hostel findet sich eine Barmeile, die nicht nur von Studenten innig geliebt wird. Groningen-Expertin Annika Hijlkema kennt die die Feierstraße aus ihrer eigenen Univergangenheit. „Hier habe ich früher viel Zeit verbracht“, erzählt die 38-Jährige lachend. Auch jetzt im Winter sind die Außenterrassen geöffnet und gut besucht, was bei Temperaturen unter fünf Grad erst einmal ein merkwürdiges Bild abgibt. Es zeigt jedoch, wie belebt die Stadt selbst in der kalten Jahreszeit ist.
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Wenn Groningen zum Winterwunderland wird
Zum Besucherandrang trug in der vergangenen Woche die „Winterwelvaart“ bei – ein maritimes Fest, das Besucher auf eine Reise in vergangene Zeiten mitnahm. Entlang der zentralen Grachten der Altstadt ankerten historische Segelschiffe. Sie waren das Herzstück des Festes und erzählten Geschichten von Abenteuern auf hoher See. Das Fest war Teil des „Wintergoud“-Programms. Die schmalen Gassen rund um die Grachten verwandeln sich jedes Jahr in einen winterlichen Basar. Lokale Künstler und Kunsthandwerker präsentieren ihre Werke, während Händler regionale Spezialitäten anbieten. Für kulturelle Unterhaltung sorgen Chöre, Musiker und Geschichtenerzähler. Lichterketten erleuchten Schiffe und Grachten und verwandeln die Stadt in ein glitzerndes Winterwunderland.
Groningen zeigt mit den „Wintergoud“-Veranstaltungen, dass ein Städtetrip in die Niederlande auch im Winter lohnt. Hier wird die dunkle Jahreszeit zu einer Gelegenheit, innezuhalten, sich inspirieren zu lassen und den Wert von Kunst und Kultur neu schätzen zu lernen. Wir finden: Groningen ist einen Ausflug wert – nicht nur für Freunde der Seefahrt, sondern für jeden, der schon zu oft in Amsterdam war.
(Transparenzhinweis: Die Reise nach Groningen wurde von „Visit Groningen“ unterstützt.)