An Rhein und Ruhr. Bis 2028 werde eine Welle an Pensionierungen für offene Stellen sorgen. Junge Juristen verdienen in Kanzleien besser. Das sagt das Ministerium.

Der NRW-Landesverband des Deutschen Richterbunds (DRB) warnt vor einem Nachwuchsproblem an den Gerichten. Denn in zwei bis drei Jahren gebe es eine Welle an Pensionierungen. Die offenen Stellen werden dann zum Problem, so der DRB NRW. Das Justizministerium NRW widerspricht: Zwar sehe man mehr Pensionierungen kommen, Probleme werde es aber eher in den östlichen Bundesländern geben.

Mehr Verfahren, mehr Stress, aber weniger Nachwuchs

Seit Jahren steigt die Zahl der Strafverfahren, besonders in den Bereichen Geldwäsche, Verbreitung pornografischer Schriften, Diebstahl sowie politische Strafsachen. Für die Beschäftigten im Justizsystem heißt das vor allem mehr Belastung. Fast 243.000 Fälle in NRW blieben im Jahr 2023 unbearbeitet. Bei den Staatsanwälten gibt es längst eine Debatte über fehlenden Nachwuchs. Während es laut NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) bei den Generalstaatsanwaltschaften in Düsseldorf, Hamm und Köln rund 65 offene Stellen gibt, spricht der Bund der Richter und Staatsanwälte von bis zu 500 fehlenden Staatsanwälten.

Nun warnt Gerd Hamme, Vorsitzender des DRB-NRW und Richter am Amtsgericht Essen, auch bei den Richtern vor einem Nachwuchsproblem. Zwar sei die Stellenlage derzeit auskömmlich, wie er sagt. „Aber in zwei bis drei Jahren beginnt die Pensionierungswelle. Spätestens dann fürchte ich, werden wir auch da Probleme bekommen.“

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Ein Grund, warum sich junge Juristen nicht den Karriereweg Staatsanwalt oder Richter einschlagen, ist die deutlich höhere Bezahlung in privaten Anwaltskanzleien. Besonders sogenannte Großkanzleien bieten schon Berufseinsteigern teils höhere Löhne als erfahrene Richter bekommen. Während neue Richter in NRW nach offiziellen Angaben in der Besoldungsgruppe R1 des öffentlichen Dienstes mit monatlich 4888,58 Euro (etwa 56.600 im Jahr) starten und in der höchsten Erfahrungsstufe auf 7431,45 Euro (etwa 89.000 im Jahr) kommen, gibt das Jura-Magazin Legal Tribune Online (LTO) 75.000 bis 125.000 Euro im Jahr für junge Anwälte in Großkanzleien an.

Justizministerium sieht keine Probleme kommen

Das Justizministerium NRW widerspricht der Warnung des DRB NRW. Die Bewerberlage für Richter-Stellen sei nach wie vor gut, erklärt ein Sprecher auf Anfrage. „Es besteht kein Anlass zu Nachwuchssorgen im richterlichen Dienst. Das gilt uneingeschränkt auch vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung.“ Zwar werde auch in der nordrhein-westfälischen Justiz ab 2028 ein Anstieg der Pensionierungszahlen erfolgen.

„Dieser wird allerdings weit geringere Ausmaße haben als insbesondere in den sogenannten neuen Ländern, wo nach der Wiedervereinigung innerhalb weniger Jahre – also gewissermaßen auf einen Schlag – ein Großteil der Richterschaft aus dem Westen neu eingestellt wurde, während es in den alten Bundesländern eine kontinuierliche Personalentwicklung gegeben hat.“

Was verdienen Richter in NRW?

In in NRW starten neue Richter am Amts-, Land-, Arbeits-, Verwaltungs- und Sozialgericht in der Besoldungsgruppe R1 des öffentlichten Dienstes mit monatlich 4888,58 Euro. In der höchsten Erfahrungsstufe kommen sie auf 7431,45 Euro. Die Gruppe R2 für Direktoren am Amts-, Arbeits- und Sozialgericht, Richter am Finanzgericht und Vorsitzende Richter am Land- und Verwaltungsgericht startet 5641,98 Euro und in mehreren Erfahrungsstufen auf 8079,81 Euro kommen.

In den sonstigen Besoldungsgruppen gibt es ein festes Gehalt ohne Erfahrungsstufen. Gruppe R3 sind nach Infos des Juramagazins Legal Tribune Online (LTO) Vorsitzende Richter am Landesarbeits-, Landessozial-, Finanz-, Oberlandes-,oder Oberverwaltungsgericht, die in NRW 8857,80 Euro verdienen. R4 sind Präsidenten des Amts-, Arbeits-, Landes-, Sozial- oder Verwaltungsgerichts an einem Gericht mit 41 und mehr Richterplanstellen, die 9358,52 Euro bekommen.

Ein Präsident des Amts-, Land- oder Verwaltungsgerichts an einem Gericht mit 81 bis 150 Richterplanstellen verdient in der Gruppe R5 9932,99 Euro. Ein Präsident des Landesarbeits-, Landessozial- oder Oberlandesgerichts an einem Gericht mit 26 bis 100 Richterplanstellen indes 10.475,49 Euro. Die Gruppe R7 ist derzeit nicht belegt. R8 ist die letzte Stufe, die in NRW vergeben ist. Hier bekommt ein Präsident des Landesarbeits-, Landessozial-, Oberlandesgerichts oder Verwaltungsgerichtshofs an einem Gericht mit 101 und mehr Richterplanstellen 11.553,20 Euro.

Auf Bundesebene gibt es noch die Gruppe R9 für den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (12.061,37 Euro) sowie Gruppe R10 für den Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts, Bundessozialgerichts, Bundesfinanzhofs oder Bundesgerichtshofs (14.808,25 Euro).

„Hervorragende Besetzungsquote“ in NRW-Justiz

Zum Stichtag 30. Juni 2024 waren nach Zahlen des Ministeriums 5668 Richterinnen und Richter in der Justiz des Landes beschäftigt. „Die Anzahl der haushaltsrechtlichen Planstellen ist mit 5295 etwas niedriger. Dies liegt insbesondere an Teilzeitbeschäftigten“, so der Sprecher. Von den genannten 5295 Planstellen seien zum 1. Oktober 124 unbesetzt gewesen. „Das entspricht einer hervorragenden Besetzungsquote von rund 98 Prozent.“

Eine noch höhere Besetzungsquote ist praktisch nicht möglich, weil zum einen immer ein gewisser Teil aufgrund gerade laufender Nachbesetzungen – also nur sehr kurzfristig – frei sein wird und zum anderen ein gewisser Teil gezielt freigehalten werden muss für Rückkehrer aus Elternzeit oder Teilzeitaufstockungen. Vor diesem Hintergrund kann man sagen, dass in der Richterschaft des Landes NRW praktisch keine unbesetzten Stellen vorhanden sind.“