Düsseldorf. Nach drei Jahren in einer Großkanzlei wechselte Sophia von Loewenich an das Landgericht Düsseldorf. Was ihr am Richteramt am meisten gefällt.
Sophia von Loewenich hat ihre schwarze Richterrobe angelegt und sitzt am Richtertisch in einem kleinen Sitzungssaal des Landgerichts Düsseldorf. „In meiner ersten Sitzung war ich etwas aufgeregt“, erzählt sie. „Aber es hat mir direkt Spaß gemacht.“ Die 30-Jährige ist seit September Richterin und wechselte aus einer großen Anwaltskanzlei in das Amt. Ein Schritt, den nicht viele andere junge Juristen gehen, denn Anwälte in Großkanzleien können schon früh deutlich mehr verdienen als Richter oder Staatsanwälte. Für Sophia von Loewenich war das Geld aber nicht entscheidend. Warum hat sie den Wechsel gewagt?
Richter verdienen weniger als junge Anwälte
Drei Jahre hat Sophia von Loewenich nach ihrem Jurastudium, dem Referendariat und den beiden Staatsexamen in einer Düsseldorfer Großkanzlei gearbeitet. Als Anwältin war sie in einer Abteilung, die sich primär mit gesellschaftsrechtlichen und versicherungsrechtlichen Streitigkeiten beschäftigt. Doch es war der Richterberuf, der sie fasziniert hat, wie sie sagt. „Ich habe mich auch für den Anwaltsberuf interessiert, deswegen bin ich auch erstmal Anwältin geworden. Aber in dieser Zeit habe ich gemerkt, dass ich nicht nur die Interessen eines Mandanten vertreten möchte, sondern unabhängiger sein wollte.“
Denn als Richterin entscheidet sie frei nach dem Gesetz. „Das macht unter anderem den Richterberuf aus und war für mich der Hauptgrund zu wechseln.“ Dabei verdiene man als Anwalt in einer Großkanzlei „deutlich mehr“ als ein Richter, räumt sie ein. Die Besoldung von Richtern als Beschäftigte im öffentlichen Dienst ist beim Finanzministerium öffentlich einsehbar. In in NRW starten neue Richter in der Besoldungsgruppe R1 mit monatlich 4888,58 Euro (etwa 56.600 im Jahr). In der höchsten Erfahrungsstufe kommen sie auf 7431,45 Euro (etwa 89.000 im Jahr).
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Im Vergleich dazu: In Großkanzleien verdienen bereits junge Anwälte nach Informationen des Jura-Magazins Legal Tribune Online (LTO) 75.000 bis 125.000 Euro im Jahr. Erfahrene Anwälte, die Anteile an einer Kanzlei halten können später mit mindestens 260.000 Euro Jahresverdienst rechnen. Dass sich viele junge Juristen daher eher für den Weg in diese Kanzleien entscheiden als für Posten als Richter oder Staatsanwälte bereitet dem Rechtsstaat ein Nachwuchsproblem.
Rund fünf Verfahren pro Woche für junge Richterin
„Darauf zu verzichten, das muss jeder persönlich für sich abwägen“, sagt von Loewenich. „Für mich ist das in Ordnung. Man verdient ja als Richter auch nicht wenig. Das mögen andere vielleicht anders sehen, aber für mich war das nicht der ausschlaggebende Faktor, mich für oder gegen einen Wechsel zu entscheiden.“ Altruistische Gründe sieht sie bei sich nicht. „Am Ende sind sowohl der Anwalts- als auch der Richterberuf extrem wichtig für den Rechtsstaat“, betont die junge Juristin. „Daher sind es beides gesellschaftlich wichtige Aufgaben. Ich habe für mich entschieden, dass mir die Richterseite doch mehr liegt.“
Am Düsseldorfer Landgericht ist sie nun in einer Kammer, in der es vor allem um Baurecht geht. „Dazu kommen aber auch allgemeine Sachen, wie Verkehrsunfälle. Somit ist es recht bunt gemischt“, beschreibt von Loewenich. Teile des Baurechtes kannte sie schon aus dem Studium „und in den Rest habe ich mich eingearbeitet“. In 20 bis 30 Verhandlungen habe sie seit ihrem Start gesessen. Pro Woche seien es mittlerweile vier oder fünf.
Anders als im Gespräch mit der NRZ steht dabei aber kein Gesetzbuch mehr auf ihrem Tisch. Die Pararaphen sind längst digital verfügbar. Dafür laufen täglich Unterlagen über ihren Schreibtisch im Büro – meist Schriftsätze, die an einem Verfahren beteiligte Parteien einreichen.
Proberichter sammeln Erfahrungen in verschiedenen Stellen
Für den Einstieg in das Richteramt sei ihr zugute gekommen, dass ihre Vorgängerin noch ein paar Wochen da war. „Ich konnte sie in Verhandlungen beobachten, wie sie alles macht und ihr viele Fragen stellen. Ich bin auch zu anderen Kollegen in Sitzungen gegangen und habe beobachtet, wie sie die Verhandlungen führen“, erzählt von Loewenich. „Das war ein wesentlicher Punkt in der Vorbereitung auf meine ersten eigenen Sitzungen, damit ich auf möglichst viele Eventualitäten vorbereitet bin.“
Das Landgericht Düsseldorf
Das Landgericht Düsseldorf hat insgesamt rund 135 Richter, wobei manche auch in Teilzeit arbeiten, wie die Vorsitzende Richterin Vera Drees erklärt. Beim Landgericht Düsseldorf gehen pro Jahr etwa 9500 bis 10.000 Verfahren ein. Somit liegt das Pensum für einen Richter im Jahr bei etwa 150 Verfahren. „Da kommt es aber auch darauf an, um was für ein Verfahren es sich handelt, Bauverfahren zählen zum Beispiel etwas mehr als einfach gelagerte Fälle, da sie meist komplexer und umfangreicher sind“, so Drees.“
Das Landgericht Düsseldorf teilt sich seinen Sitz mit dem Amtsgericht Düsseldorf, welches aber unabhängig ist. Zum Landgericht gehören dafür die Amtsgerichte Langenfeld, Ratingen und Neuss. Ihm übergeordnet ist das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf.
Ihre Vorgängerin ist auf eine andere Stelle in das Düsseldorfer Amtsgericht gewechselt. Nach dem Einstieg wechseln die Richter regelmäßig die Stellen, um möglichst viele Erfahrungen zu sammeln. Die in diesen ersten Jahren „Proberichter“ genannten Juristen können beim Landgericht oder Amtsgericht anfangen, wechseln dann nach 12 bis 14 Monaten aber je nachdem an das Amtsgericht oder Landgericht, um auch dort ihre Erfahrungen zu sammeln, erklärt Vera Drees, Vorsitzende Richterin am Landgericht Düsseldorf. „Danach wird geschaut, wo die Richter eher ihre Zukunft sehen. Nach drei bis fünf Jahren als Proberichter bekommt man regelmäßig seine Lebensstellung.“ Wo man die erhält hänge auch von der Stellensituation ab.
Wechsel sind auch in andere Städte möglich
„Die Proberichter gehen vom Landgericht Düsseldorf entweder an die Amtsgerichte, die zum Bezirk des Landgerichts Düsseldorf gehören. Das sind Langenfeld, Ratingen und Neuss“, so Drees weiter. Das Amtsgericht Düsseldorf dagegen sei so groß, dass es eine eigene Präsidentin hat. „Wenn jemand vom Landgericht an das Amtsgericht wechseln möchte oder umgekehrt, sprechen sich die Präsidentinnen ab, ob und wie ein Tausch in Betracht kommt.“
Auch Sophia von Loewenich wird in ihrer weiteren Laufbahn in verschiedene Stellen kommen, um so unterschiedliche Bereiche kennenzulernen. Spaß hat ihr der neue Beruf von Anfang an gemacht. „Ich hatte Respekt davor, aber es ist sehr interessant. Man weiß am Anfang teilweise nicht genau, wie sich ein Verfahren entwickeln wird“, sagt sie. „Und man arbeitet viel mit den Parteien zusammen, um sich wenn möglich auf eine Lösung zu einigen. Das moderieren zu können ist spannend.“