Hünxe. Treffen mit Gaea Schoeters in Amsterdam vor ihrer Lesung im Otto Pankok Museum, Hünxe.

Die Flämin Gaea Schoeters (48) ist eine vielseitige Frau. Die gelernte Dolmetscherin und Journalistin lebt in Gent, ist aber in der ganzen Welt unterwegs, als Autorin von Reisebüchern, Erzählungen und Essays, von Opern-Librettos für die Staatsoper unter den Linden und die Deutsche Oper in Berlin, für Opernhäuser in Stockholm oder Budapest. Einem breiteren deutschen Publikum wurde sie nach Erscheinen ihres Romans „Trophäe“ im Februar bekannt.

Er wurde zum Hit der Leipziger Buchmesse im März, Gaea Schoeters war in allen einschlägigen TV-Kanälen zu Gast, und der Roman ist inzwischen in der zehnten Auflage. „Trophäe“ hat eine besondere Erwähnung beim Literaturpreis der Europäischen Union und in Belgien diverse Literaturpreise erhalten. Das Buch wurde in fünfzehn Sprachen übersetzt. Literatur-Guru Denis Scheck meinte, der Roman lese sich, als hätten Kafka und Hemingway gemeinsam ein Buch geschrieben. Nun kommt Gaea Schoeters zu einer Lesung ins Otto Pankok Museum in Hünxe. Wir haben sie zuvor in Amsterdam getroffen.

Sie reisen viel. Waren Sie schon mal am Niederrhein?

Nicht so oft, weil ich meistens mit meinem Motorrad reise und mir dann kurvenreiche Strecken in den Bergen aussuche. Also freut es mich doppelt, dass es jetzt einen guten Grund gibt, mal hinzufahren.

Ihr Roman „Trophäe“ spielt in Afrika. Waren Sie schon einmal dort?

Ich sag’s nicht gern, aber nein, bisher noch nicht. Aber vielleicht ist das nicht so schlecht, weil ich mir nicht ganz sicher bin, dass ich das gleiche Buch hätte schreiben können, wenn ich da gewesen wäre, weil ich dem indigenen Volk, über das ich schreibe, eigentlich schreckliche Sachen antue. Und das wäre schwieriger gewesen, wenn ich vorher dort recherchiert hätte. Ich brauchte, glaube ich, den Abstand. Aber ich würde sehr gern nach Afrika fahren.

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Gibt es das Volk, über das Sie schreiben?

Ja und nein. Ich wollte die Geschichte nicht mit einem spezifischen Land oder Volk verbinden. Aber es gibt natürlich Völker, die ähnlich leben. Und ich habe die als Inspiration benutzt.

Sie schreiben über die Jagd. Jagen Sie selbst?

Ich hatte wirklich nichts mit Jagd zu tun. Wenn ein Insekt in meiner Küche ist, trage ich das auf die Terrasse. Aber ich bin immer fasziniert von Menschen oder Romanfiguren, die total anders sind als ich. Ich glaube, Literatur ist ein Ort, an dem man versucht, sich in Menschen hineinzuversetzen, die total anders sind. Das Wichtige ist, dass man einen Anknüpfungspunkt hat, und mit der Jägerschaft teile ich die Liebe zur Natur. Darüber konnte ich die Jagd verstehen.

Zwei Lesungen

Gaea Schoeters’ Lesung ist eine Premiere: Sie ist die erste Autorin, die im Otto-Pankok-Museum ihr Werk vorstellt und mit unserer Autorin, Eva Karnofsky, darüber spricht.
Termin: 26. November, 19 Uhr. Ort: Otto-Pankok-Weg 4, 46569 Hünxe-Drevenack.
Eintritt: zwölf /ermäßigt sieben Euro.
Am 27. November, 19.30 Uhr, liest Gaea Schoeters in Essen, : LeseRaum Akazienallee 18, 45127 Essen. Zwölf Euro, ermäßigt acht Euro.

Ihr Buch kritisiert Machtmenschen, den Kolonialismus und den Kapitalismus. War das Ihr Ziel?

Ja, das stimmt. Ich bin mir allerdings nicht sicher, dass ich das bewusst geplant habe. Meine Hauptfigur ist ein milliardenschwerer amerikanischer Aktienhändler namens Hunter White, der in Afrika auf Großwildjagd geht. Und eigentlich habe ich die Figur spontan gefunden.

Was ist dieser Hunter White für ein Mensch?

Er ist ein Mann, der in einer Welt lebt, in der alles auf Macht und Geld basiert. Er glaubt, er kann sich alles kaufen und er sieht Afrika als Kontinent, er macht keinen Unterschied zwischen Ländern, Bevölkerungen oder Menschen. Er sieht eine Art von Wildpark, der nur zu seinem Vergnügen existiert. Er hat also den typischen neokolonialen Blick. Er denkt, mir kann hier nichts passieren, denn ich bin moralisch und finanziell allen anderen überlegen. Da hat er sich aber verrechnet.

Und ein Macho ist er auch.

Ja, er ist natürlich sehr männlich, könnte man sagen. Er handelt jedoch mit Aktien, und daran ist nichts Männliches. Er sucht in der Jagd etwas, womit er seiner männlichen Energie eine Richtung geben kann, wo er seine Kraft messen kann. Darum will er auch nur gefährliche Tiere jagen, er will dabei fühlen, dass er lebt, dass er ein Mann ist. Er geht schließlich auf Menschenjagd.

 Gaea Schoeters bei der Vorstellung der kroatischen Übersetzung von „Trophäe“ in Zagreb.
 Gaea Schoeters bei der Vorstellung der kroatischen Übersetzung von „Trophäe“ in Zagreb. © | Sonja Švec Španjol group

Ist er unmenschlich?

Ich bin mir sicher, wenn er morgens aufsteht und in den Spiegel guckt, denkt er, ich bin ein sehr ethischer Mensch. Denn er gibt sich Regeln, was er für gutes Jagen hält und was nicht. Er findet es sehr wichtig, dass alles korrekt zugeht, dass man den Tieren kein Leid zufügt, dass man korrekt bezahlt für das, was man macht. Das Problem ist dabei, dass er in seinem eigenen Denken gefangen ist, in seiner eigenen Welt lebt. Aber von außen sieht es dann ganz anders aus. Man kann kaum sagen, dass er sympathisch ist.

Geht es ihm auch darum, zu töten?

Ich weiß nicht, ob er wirklich am Töten interessiert ist. Es gibt da eine Spannung, etwas fast Erotisches, was zwischen Jäger und Beute passiert. Was für Hunter wichtig ist: Er will immer auch seiner Beute in die Augen schauen und bewusst erleben, dass er entscheiden kann, wann das Leben des Tiers aufhört. Das interessiert ihn. Etwas Sadistisches ist das nicht. Es geht um Macht und Präzision.

Und er kommt immer damit durch?

Nein, er kommt schließlich in eine Situation, in der er realisiert, dass seine Dominanz nicht absolut ist und dass auch er zur Beute werden kann.

Sie werden in Hünxe zwischen Werken von Otto Pankok (1893 – 1966) lesen. Unter den Nazis war er verboten, galt als entartet, vor allem, weil er gegen Rassismus gekämpft hat. Das passt, oder?

Das passt sehr – dagegen müssen wir uns immer wieder wehren. Vor allem in dieser Zeit. Aber Hunter würde sich selbst nie als Rassisten sehen. Er hat seinen „weißen Blick“ so stark verinnerlicht, dass er sich dessen nicht bewusst ist. Und ich fürchte, das gilt – zum Glück in geringerem Maße – für uns alle. Das wollte ich mit meinem Buch zeigen.