Essen. Chaotisch ist die Lage nicht. Neuwahlen sieht unser Grundgesetz nun mal vor. Nicht nur für Merz schwierig: Populisten werden hinzugewinnen.

Manche Politiker und Medien scheinen sich derart ans künstliche Aufregen und Skandalisieren gewöhnt zu haben, dass sie jetzt auch bei den Neuwahlen Begriffe wie „Chaos“ oder „Geschacher“ benutzen. Diese Vokabeln sind völlig daneben und unterhöhlen den Respekt vor der Demokratie: Denn Neuwahlen kommen, womöglich Ende Februar, und das Prozedere folgt den Regeln des Grundgesetzes. Also einmal tief durchatmen.

Dass sich SPD und Union beharken, zählt zum Wahlkampf. Auch das geht in Ordnung, wenn auf diese Weise die Menschen erfahren, was die Parteien denn künftig so vorhaben. Bei der Union etwa ist das noch unklar, denn sie will ihre Pläne erst im Januar vorstellen. Ziemlich spät.

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Und auch bei den anderen Parteien ist vieles noch vage. Es braucht also noch Zeit, wenn man sich eine Meinung bilden will. Einfach nur unzufrieden sein reicht nicht aus, wenn es um die Zukunft des Landes und darüber hinaus geht.

Auch ein konstruktives Misstrauensvotum wäre möglich - theoretisch

Unser Grundgesetz lässt übrigens auch das „konstruktive Misstrauensvotum“ zu, bei dem keine Neuwahlen nötig wären. Die Union könnte dieses Votum stellen, Merz zum Kanzlerkandidaten erklären. Und wenn er sich vorab mit der SPD einig ist, hätten beide Fraktionen eine satte schwarz-rote Mehrheit, um Merz zum Kanzler zu wählen. Dann könnte schon bald „durchregiert“ werden. Doch Merz lehnt dieses Verfahren ab, weil ihn dann auch die AfD mitwählen könnte. Man kann das verstehen, auch wenn das „konstruktive Misstrauensvotum“ recht praktisch wirkt.

Das Fatale an Neuwahlen ist, dass die populistischen oder radikalen Parteien mehr Platz im Bundestag gewinnen. Das macht künftige Koalitionen komplizierter. Sollte die Union die meisten Stimmen erhalten, wird Merz schnell merken, dass er mit anderen Kompromisse aushandeln muss. Also das machen, was Lindner nicht wollte.