Essen. Viele zögern, bei Instagram und Tiktok auf Hetze zu reagieren. Ein Experte gibt Tipps, wie aktives Einmischen den Betroffenen hilft.
Der Politikwissenschaftler Said Rezek (38) aus Essen will das Internet nicht denjenigen überlassen, die die Kommentarspalten auf Instagram, Facebook und Tiktok mit Hass und Aggression fluten. Der Anti-Rassismus-Trainer und Blogger fordert dazu auf, sich aktiv einzumischen und so einen Beitrag zur demokratischen Kultur zu leisten. Er gibt dazu bundesweit Workshops an Schulen und hält Vorträge. Im Interview erklärt er, warum es besser ist, im Netz mutig statt stumm zu sein.
Was spricht dafür, Hasskommentare zu ignorieren und nicht zu beantworten?
Said Rezek: Es kann die mentale Gesundheit belasten, außerdem kann es zeitintensiv sein. Es könnten weitere Hasskommentare folgen. Menschen machen sich dadurch selbst angreifbar. Haterinnen und Hater können kaum überzeugt werden. Wenn man nicht auf sie reagiert, erhalten sie nicht die gewünschte Aufmerksamkeit.
Sie sind aber anderer Meinung. Warum, finden Sie, sollte man auf Hasskommentare im Netz reagieren und sie kommentieren?
Wenn Hassrede unkommentiert bleibt, entsteht auf Seiten der Mitlesenden und vor allem der Betroffenen der Eindruck von Gleichgültigkeit oder gar von Zustimmung. Umso wichtiger ist es, sich mit den Betroffenen von Hate Speech zu solidarisieren. Studien ergeben, dass organisierte Gegenrede zur Abnahme von Hasskommentaren führt, weil die Haterinnen und Hater dadurch Widerstand erfahren, den sie häufig nicht erwarten.
Kann man denn hasserfüllte Menschen zur Einsicht bringen?
Menschen mit unbewussten Vorurteilen können im besten Fall ihre Meinung ändern. Überzeugte Haterinnen und Hater können jedoch kaum überzeugt werden. Die Gruppe der stillen Mitlesenden kann jedoch erreicht werden. Dies sind Menschen, die die Kommentarspalten beobachten, um sich eine eigene Meinung zu bilden. Die Mitlesenden werden im Idealfall motiviert, die Gegenrede zu liken oder sich sogar selbst mit den Betroffenen zu solidarisieren.
An wen kann man sich wenden, wenn man einer riesigen Welle von Hasskommentaren ausgesetzt ist?
HateAid berät Betroffene von Hasskommentaren rechtlich, psychologisch und unterstützt durch Prozesskostenfinanzierung. Es gibt auch Gruppierungen wie #ichbinhier, die organisiert in die Kommentarspalten gehen, um der Hetze sachliche, konstruktive und menschenfreundliche Kommentare entgegenzusetzen.
Wie gehen Sie persönlich mit Hate Speech um?
Je nach Situation unterschiedlich: Löschen von Hassrede, die Deaktivierung der Kommentarfunktion, Kommentare filtern, Userinnen und User blockieren oder melden, Gegenrede und Bloggen.
Said Rezek hat das Buch „Bloggen gegen Rassismus: Holen wir uns das Netz zurück!“ geschrieben. Es ist bei Tredition erschienen und kostet 18 Euro.
Infos: www.said-rezek.de
Instagram: https://www.instagram.com/rezeksaid