Am Niederrhein. Das Projekt „Jobsurfing“ möchte Jugendlichen Ausbildungsplätze in der Region vorstellen. Rieke und Daniel haben dabei eine Menge erlebt
Den Sommer über haben die Jobsurfer Rieke und Daniel die vielfältige Berufswelt in der Region erkundet. Im Interview sprechen sie über ihre Erfahrungen in den unterschiedlichen Jobs – und darüber, wie junge Menschen dauerhaft vom Lei.La-Projekt profitieren können.
Ihr habt als Landwirtin Kälbchen gefüttert, als Maschinen- und Anlagenführer moderne Maschinen gesteuert, als Metallbauerin geschweißt oder als Erzieher Kinder durch den Alltag begleitet. Was war Euer spannendster Augenblick, wenn Ihr auf die vergangenen Monate zurückblickt?
Rieke: Wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, dass ich gar nicht den einen Moment habe. Ich habe so viel erlebt in den zehn Wochen, dass es mir schwerfällt, einen Moment rauszupicken – es gab einfach zu viele. Für mich war es eine einmalige Erfahrung, all‘ die spannenden Ausbildungsberufe kennenzulernen. Bei vielen Jobs, wie etwa der Fachkraft für Lebensmitteltechnik, wusste ich vorher noch nicht einmal, dass es sie überhaupt gibt.
Daniel: Das geht mir sehr ähnlich. Wir konnten hinter so viele Kulissen blicken, so viele tolle Menschen mit so unterschiedlichen Fähigkeiten und Talenten kennenlernen. Viele Dinge hinterfragt man im Alltag ja gar nicht, zum Beispiel, wenn man online etwas bestellt. Was dahintersteckt, dass ein online bestelltes Produkt pünktlich beim Kunden ist, habe ich in meiner Zeit als Kaufmann im E-Commerce erlebt. Sehr besonders war für mich auch meine Zeit im Medizinischen Versorgungszentrum Nettetal, in der ich bei ambulanten Eingriffen dabei sein konnte. Wahnsinn, was die Mitarbeitenden leisten, damit es den Menschen besser geht.
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Eure Mission war es, vor allem junge Menschen anzusprechen und ihnen die vielfältige Ausbildungslandschaft am Niederrhein vorzustellen. Wie habt Ihr das gemacht?
Daniel: Ganz einfach: Indem wir uns den Jobs in den Projektkommunen Geldern, Kevelaer, Straelen und Nettetal durch die Augen und mit den Fragen künftiger Auszubildender genähert haben. Dabei haben wir versucht, immer authentisch und offen zu sein. Es bringt ja nichts, wenn ich nur von den schönen Seiten eines Berufes erzähle und die weniger schönen ausspare. Wer zum Beispiel keinen Trubel mag, sollte vielleicht nicht unbedingt Erzieher werden. Wer sich nicht dreckig machen möchte, für den ist Land- und Baumaschinenmechatroniker wohl nicht der ideale Beruf.
Rieke: Wir haben uns bei jedem Beruf gefragt: Was sind Punkte, die uns als junge Menschen interessieren? Dabei geht es natürlich um Anforderungen, Tätigkeiten, Fortbildungs- und Verdienstmöglichkeiten. Aber es geht auch um weiche Kriterien wie den Spaß bei der Arbeit, die Bedeutung von Teamwork oder Arbeitszeiten. All das wollten wir vermitteln. Und die jungen Menschen dabei informieren, aber auch unterhalten.
Das Projekt
Das Projekt „Jobsurfing Niederrhein“ möchte jungen Menschen die Berufsvielfalt in der Region näherbringen – und damit die Chancen, die vor der eigenen Haustür liegen. Dazu haben die Jobsurfer Rieke und Daniel jeweils zehn Jobs in zehn Wochen kennengelernt. Auf der Website www.jobsurfing-niederrhein.de und in den sozialen Medien berichten die beiden von ihren ganz persönlichen Erfahrungen. So ist ein authentischer Anlaufpunkt für junge Menschen entstanden, die sich über Ausbildungsberufe in der Region informieren möchten. Projektträger ist die LEADER-Region „Leistende Landschaft“ (Lei.La), zu der sich die vier Kommunen Geldern, Kevelaer, Straelen und Nettetal zusammengeschlossen haben. Das Projekt wird mit dem Förderprogramm „LEADER“ vom Land NRW gefördert und kofinanziert von der Europäischen Union.
Weitere Informationen u.a. hier: Jobsurfing Niederrhein - und www.youtube.com/@JobsurfingNiederrhein-yt9iY
Wie ist es Eurer Meinung nach denn grundsätzlich bestellt um die Ausbildungslandschaft am Niederrhein?
Rieke: Mein Eindruck ist, dass die Ausbildungslandschaft in unserer Region super vielfältig ist. Eigentlich gibt es für jedes Interesse den passenden Beruf. Wir haben die klassischen grünen Berufe, die man mit dem Niederrhein verbindet, wie Gärtner oder Landwirt. Es gibt viele unterschiedliche Handwerksberufe, Jobs mit IT-Bezug, Stellen in der Medienbranche, im Gastronomie- und Eventbereich oder verschiedene soziale Berufe. Das steht dem Jobangebot in einer Großstadt doch in nichts nach. Es lohnt sich auf jeden Fall, die Jobvielfalt vor der eigenen Haustür bei der Berufswahl genau mit in den Blick zu nehmen! Unsere Jobsurfing-Videos bieten da einen guten Einstieg, die bleiben ja auch nach dem Projekt verfügbar.
Trotzdem zieht es viele nach der Schule in größere Städte. Warum?
Daniel: Wahrscheinlich hat das auch damit zu tun, dass junge Menschen von hier die Reize des Niederrheins gar nicht mehr wahrnehmen und etwas Neues erleben wollen. Ich bin ja extra hergezogen für das Projekt und habe den Niederrhein als eine äußerst lebenswerte Region wahrgenommen: In den beschaulichen Städten hier ist eigentlich alles vorhanden, was man braucht, es gibt sogar den Flughafen, man kann viel Sport treiben und die Natur ist schön. Ich bin sehr häufig nach der Arbeit Rennrad gefahren, das war herrlich. Und wer will, ist zudem schnell in vielen größeren Städten.
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Rieke: Viele junge Menschen zieht es in die Städte, weil sie ein Studium aufnehmen. Es gibt fast schon einen Automatismus, der besagt: Wenn ich mein Abitur habe, muss ich auch studieren gehen. Dabei ist eine Ausbildung häufig ein genauso guter – oder sogar der bessere – Weg. Nur ist dieser Weg nicht so präsent. Das liegt daran, dass viele Ausbildungsberufe sehr unbekannt sind. Und wenn ich einen Beruf gar nicht kenne, kann ich mich als Interessentin auch nicht darüber informieren. Deswegen war es eines unserer Ziele, mit Jobsurfing Niederrhein auch Berufe bekannter machen, die nicht jede und jeder auf dem Schirm hat.
Wie seid Ihr als Jobsurfer wahrgenommen worden? Habt Ihr viel Feedback bekommen?
Daniel: Ich hatte oft das Gefühl, dass Leute mich kennen, die ich zuvor noch nie gesehen habe.
Rieke: Ich bin echt von vielen angesprochen und bei Instagram angeschrieben worden. So viele Berufe in kurzer Zeit entdecken und das stellvertretend für meine Generation, das hat die Leute total fasziniert und neugierig gemacht. Das Feedback war echt positiv.
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Welche Erfahrungen nehmt Ihr aus Eurer Zeit als Jobsurfer mit?
Daniel: Ich bin vor allem dankbar für die vielen Menschen, die ich kennengelernt habe. In den Videos sieht man ja nur einen Bruchteil von ihnen. Mit einigen stehe ich immer noch in Kontakt, es sind auch zwei, drei Freundschaften entstanden.
Rieke: Auch für mich waren die Kontakte zu den zahlreichen ganz unterschiedlichen Menschen eine große Bereicherung. Durch das Projekt und meine vielen Stationen habe ich für mich völlig neue Berufsfelder kennengelernt und Erfahrungen gewonnen. Dadurch hat sich meine Sicht auf viele Dinge sehr verändert. Ich weiß jetzt, was die Menschen in den unterschiedlichen Berufen leisten. Dieser Respekt ist für mich die wichtigste Erfahrung, die ich machen durfte.