Essen. Populisten können bei der Diskussion um Migration entspannt zuschauen: Die etablierten Parteien springen inzwischen über jedes Stöckchen.

Es gibt nur noch wenige Menschen in der Politik, die gerade nicht von Zurückweisungen oder einer härteren Gangart gegenüber Geflüchteten reden. Union und Liberale fordern solche Maßnahmen gerade besonders lautstark, aber auch Sozialdemokraten und der Bundespräsident plädieren nun für Obergrenzen und Grenzkontrollen.

Mal abgesehen davon, dass die „Ampel“ im Gegensatz zur vorherigen Bundesregierung schon jede Menge Verschärfungen bei der Migration vorgenommen hat: Die AfD kann bei jedem neuen Satz von Merz und Co. sagen: Das haben wir doch schon immer gefordert.

In der aufgeregten Debatte um Migration haben Bedenken offenbar keine Chance

Weil das Geschrei und Gezänk um die Migration derzeit so groß ist, vergessen zahlreiche Politiker der etablierten Parteien deutlich zu machen, was sie eigentlich von den Radikalen und Populisten unterscheidet. Ein Beispiel: AfD-Chefin Weidel fordert einen „generellen Aufnahme- und Einbürgerungsstopp für mindestens fünf Jahre“. Was das mit unserem Land machen würde, dürften sogar schlichteste Menschen verstehen. Keine der anderen Parteien will so etwas. Dennoch gehen diese Unterschiede gerade ziemlich unter. Kein Wunder, denn bei den aktuell aufgeregten Diskussionen haben Bedenken und Nuancen kaum eine Chance.

Auch interessant

Wenn Friedrich Merz nach den Attentaten von Solingen „Jetzt reicht’s“ ruft, dann wirkt das so, als schlage der gestrenge Familienvater mit der Faust auf den Tisch – und die Kinder kuschen sogleich. Nur: So funktioniert Politik nun einmal nicht. Stattdessen erzeugen die markigen Sprüche in der Bevölkerung eine Erwartungshaltung, die nicht erfüllt werden kann.

Die Populisten können entspannt zuschauen

Wären Merz oder Söder heute Bundeskanzler, dann würden sie ganz anders reden und sich vor drastischen Grenzmaßnahmen erst einmal mit den EU-Nachbarn abstimmen. Doch im nervösen Berliner Politikbetrieb will das kaum jemand hören, zumal bald in Brandenburg Wahlen anstehen. Entspannt zuschauen können da nur die Populisten und Radikalen. Eben weil die etablierten Parteien eilfertig über ihre Stöckchen springen. Verantwortungsvolle Demokraten sollten das nicht nötig haben.