An Rhein und Ruhr. Die Zahl der Barbershops in NRW steigt. Friseure hingegen haben mit steigenden Kosten zu kämpfen – und ärgern sich über rechtliche Schlupflöcher.

Wenn Guido Bösherz mit seinem Hund über die Rüttenscheider Straße spaziert, würde er häufig am liebsten gar nicht in die Läden hineinschauen, die sich – oftmals mit rot-blau gestreifter Stange neben der Eingangstür – aneinander reihen. Der 55-Jährige ist ausgebildeter Friseur, ein Meister auf seinem Gebiet – und Barbier. Vor zehn Jahren hat er sich mit seinem Männersalon in Essen selbstständig gemacht. Von den vielen Barbershops, die wie „Wildwuchs aus jeder Ecke sprießen“, distanziere sich der Friseurmeister jedoch.

„Viele hängen sich die blau-rote Stange vor den Laden und tun so, als seien sie Barbiere.“ Doch oftmals fehlten Ausbildung und Meisterbrief, sagt Bösherz. Ein Phänomen, das auch Ingo Lanowski, Vorsitzender des Friseur- und Kosmetikverbandes NRW beobachtet: „Ein Riesenproblem ist, dass viele Shops handwerkspolitisch an Grenzen der Legalität arbeiten“. Denn: Grundsätzlich dürfen Barbershops ausschließlich an den Bart. Um in einem Barbershop Haare schneiden zu dürfen, muss ein Friseurmeister beschäftigt sein, oder ein Geselle, der mindestens sechs Jahre tätig ist, vier Jahre davon in leitender Funktion.

Barbershops in NRW: Friseurbetriebe in der Region verärgert

Laut Düsseldorfer Handwerkskammer könne der Inhaber oder die Inhaberin des Geschäfts jedoch beim Fehlen dieser Voraussetzung einen angestellten Betriebsleiter oder eine Betriebsleiterin mit Meisterqualifikation bei der Eintragung in die Handwerksrolle benennen, erklärt ein Sprecher auf Rückfrage. „Leider erleben wir dann häufiger, dass dieser Inhaber des Meisterzertifikats dann nicht immer auch nach einiger Zeit noch an Bord ist. In anderen Fällen bekommen wir mit, dass Barbershops einfach aufgemacht werden und erst später darüber nachgedacht wird, dass es einer Qualifikation bedarf.“

Weil bei der Eintragung in die Handwerksrolle nicht zwischen Barbershop und Friseurbetrieb unterschieden wird, sei es laut Handwerkskammer schwer, zur vorhandenen Anzahl von Barbershops Angaben zu machen. Dies gelte ausdrücklich auch für die Betriebe, die nach „ihrer Außendarstellung lediglich Rasuren“ machen. „In der Regel macht ein Barbershop nach unserer Beobachtung allerdings auch das Kopfhaar“, so die Antwort der Handwerkskammer.

Guido Bösherz führt seit zehn Jahren seinen Männersalon in Essen-Rüttenscheid. (Archivfoto)
Guido Bösherz führt seit zehn Jahren seinen Männersalon in Essen-Rüttenscheid. (Archivfoto) © Essen | Lars Heidrich

Ein Problem, das laut Lanowski auch die Friseurbetriebe in der Region ärgert. Nicht zuletzt, weil durch die fehlende Ausbildung und Kenntnisse oftmals auch Gesundheitsvorgaben nicht eingehalten würden. Bösherz sagt: „Da denke ich nur an den Barbershop-Pilz, der in diesem Jahr herumging. Aber es ist ja auch kein Wunder, den Aufbau der Haut, die Beschaffenheit, ihre Pflege und Hygienevorschriften lernt man in der Berufsschule“.

Barbershops in NRW: Ein Haarschnitt für 10 Euro?

„Man muss natürlich differenzieren, ich kenne auch viele ausgebildete Friseure, richtige Barbiere, die keinen dieser Billig-Barbershops betreiben und richtig gut sind, in dem, was sie tun“, sagt 55-jährige Barbier Bösherz. „Man darf nicht alle über einen Kamm scheren“, sagt auch Ingo Lanowski vom Friseur- und Kosmetikverband NRW. Und trotzdem gebe es viele schwarze Schafe.

Als „Billig-Barbershops“ definiert Bösherz eben die Läden, die Männer-Haarschnitte für beispielsweise 10 Euro anböten. Zum Vergleich: Ein Komplettpaket bei dem Essener Barbier mit Haar- und Bartschnitt kostet 50 Euro, und sei damit noch einer der günstigsten, wie er sagt. Auch laut Lanowski seien die Preise in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Gründe dafür seien „höhere Lohnkosten, Materialkosten und explodierende Energiepreise“. Wie sich die Preise bei einigen Barbershops zusammensetzen, können sich die beiden nur schwer erklären.

So wünscht sich beispielsweise Bösherz, dass es strengere Regeln gibt. „Ich will, dass jeder, der dazu berechtigt ist, das tut, was ihm Freude bereitet. Diejenigen, die es nicht dürfen, sollten es aber auch nicht tun. Es muss weiter aufgedröselt werden, was erlaubt ist und was nicht.“ Ingo Lanowski vom Friseur- und Kosmetikverband NRW sieht hingegen Zoll und Ordnungsämter in der Pflicht.

Handwerkskammer Düsseldorf: Rund 5000 Friseurbetriebe angemeldet

Bei rund 5000 Friseurbetrieben im Kammerbezirk sei die Handwerkskammer auf Hinweise der Mitgliedsunternehmen oder „von dritter Seite“ angewiesen. „Wir versuchen, auf solche konkreten Hinweise hin die Betriebe dann zunächst dazu zu bringen, die Legalanforderungen an einen selbstständigen Friseurbetrieb zu erfüllen. Wenn dies nicht funktioniert, versuchen wir, das Ordnungsamt mit einzubinden. Die Verfolgung stellt sich dabei immer wieder als schwierig dar, weil dann der Betrieb häufiger schon an einen Nachfolger übergeben oder verkauft wurde“, antwortet dazu ein Sprecher der Handwerkskammer Düsseldorf.

Demnach sei es schwierig, die Problematik zu lösen. Wenn Gewerbemeldestellen bei der Entgegennahme von Gewerbemeldungen auf die rechtlichen Voraussetzungen aufmerksam machten und eine Gewerbemeldung in dem meisterpflichtigen Friseurberuf erst gar nicht annähmen, könne das Problem laut Handwerkskammer zwar in gewisser Weise eingedämmt werden. Verhindern, dass Betriebsleiter kurz nach Geschäftsgründung „abhandenkommen“, könne dies jedoch nicht.

Ganz zum Leidwesen alteingesessener Friseurbetriebe. „Es geht dabei vor allem um den Kunden und um die Gesundheit“, sagt Ingo Lanowski, der auch Obermeister der Friseurinnung in Hamm ist. Dass „endlich etwas passieren muss“, sagt auch Guido Bösherz. Angst, dass ihm die günstigeren Barbershops seine Arbeit wegnehmen, hat der 55-jährige Barbier trotzdem nicht. „Ich habe meine Stammkunden und die Termine sind schon bis 2025 vergeben. Von mir aus könnten da drei gegenüber von meinem Laden aufmachen, Qualität setzt sich am Ende immer durch“.