Düsseldorf/Essen. Eine Konsequenz aus dem Messermord müsste ein größeres Engagement in Nordost-Syrien sein. Von dort stammt der Täter
Im vergangenen Juni hat Berivan Aymaz Besuch aus dem Nordosten Syriens gehabt, eine Delegation der dortigen kurdisch geführten Selbstverwaltung. Ein zentrales Thema des Gesprächs mit der Grünenpolitikerin und Vizepräsidentin des Landtags war die Sorge über das Wiedererstarken des sogenannten „Islamischen Staats“ (IS) in der Region.
Aus dem Nordosten Syriens stammt auch Issa al-H., der mutmaßliche Mörder von Solingen. Er ist verdächtig, ein Kämpfer des IS zu sein. Aymaz fordert als Konsequenz aus dem Anschlag auch die Unterstützung derjenigen, die dort gegen den Terror kämpfen, wo der IS seinen Ursprung hat.
„Der islamistische Anschlag in Solingen erschüttert uns alle zutiefst. Jetzt gilt es, soviel wie möglich über die Hintergründe dieser schrecklichen Tat zu erfahren“, so Aymaz im Gespräch mit der NRZ. Ob der Täter allein handelte, in ein Netzwerk eingebunden gewesen ist, wie lange er sich dem IS zugehörig fühlte – all das seien Informationen, die „in die Entwicklung weiterer effektiver Maßnahmen für unsere Sicherheit einfließen“ müssten.
Aymaz: Islamismus ist eine der größten Bedrohungen
Der Islamismus, so die Grünenpolitikern, sei eine „der größten Bedrohungen für unsere offene, vielfältige und freiheitliche Gesellschaft“. Der Kampf gegen die Bedrohung des Islamismus sei aber keine alleinige Aufgabe nationaler Sicherheitspolitik, sondern eine globale Herausforderung, betont sie. „Islamistische Netzwerke handeln über Grenzen hinweg, das haben zahlreiche Anschläge im europäischen Raum in der Vergangenheit bewiesen.“ Deswegen brauche es eine Intensivierung der internationalen Anstrengungen.
Konkret hat Berivan Aymaz die Region Nordost-Syrien im Blick. Die Selbstverwaltung in der Region trägt die Verantwortung für 50.000 Angehörige von IS-Kämpfern, die im Camp al-Hol untergebracht sind. Manche Menschen dort seien extrem radikalisiert. Ilham Ahmad, die Außenbeauftragte der Selbstverwaltung, berichtet, schon Kinder im Alter von fünf Jahren würden dort lernen, wie man kämpft und wie man mit Messern tötet.
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Außerdem sind in den Gefängnissen in der Region über 10.000 IS-Kämpfer inhaftiert. Viele dieser Gefangenen und ihre Familien stammen aus dem Ausland, einige von ihnen aus Deutschland. „Es kann nicht sein, dass die Selbstverwaltung mit dieser so brisanten Aufgabe allein gelassen wird“, kritisiert Aymaz; zumal die Region darüber hinaus ständigen völkerrechtswidrigen Angriffen der Türkei sowie mit dem Iran verbündeter arabischer Milizen ausgesetzt sei.
„Das alles führt zu einer hochgefährlichen Destabilisierung der Region“, warnt die Grünenpolitikerin. In einer ähnlichen Situation sei der IS vor Jahren aufgestiegen, bis er 2014 ganze Territorien im Nordwestirak und in Ostsyrien einnehmen und das Terrorkalifat ausrufen habe können. „Es braucht daher eine größere Unterstützung der Selbstverwaltung und eine engere Kooperation im Kampf gegen den IS“, fordert Aymaz.
Außerdem sei die Region „dringend auf humanitäre Unterstützung angewiesen, damit sie stabilisiert wird. Eine stabile Situation dort ist unerlässlich im Kampf gegen radikalislamische Strömungen“. Die Selbstverwaltung Nordostsyrien errichte Deradikalisierungszentren und sei auf Know-how und Personal aus dem Ausland angewiesen. „Diese Anstrengungen könnten auch aus NRW heraus unterstützt werden. Es braucht den dringenden Fachaustausch von Experten aus Wissenschaft und Praxis.“