Düsseldorf. Mikroben sind keine Einzelgänger. Sie reden miteinander. Warum es womöglich lebenswichtig ist, zu verstehen, worüber sie sich austauschen.

Es geht immer ums Netzwerken. Auch schon bei den Allerkleinsten. Den Mikroben und Bakterien, die sich beispielsweise in unserem Speichel oder in unserer Darmflora herumtreiben. Die Uni Düsseldorf will nun diesen Allerkleinsten beim Netzwerken zusehen. Eine Herausforderung im Mikrometerbereich.

„Wir brauchen die größten Geräte, um die kleinsten Dinge sichtbar zu machen“, sagt beispielsweise Jens Reiners und steht vor einem gewaltigen Gerät für Kleinwinkel-Röntgen-Streuungsmikroskopie. Der Aufbau steht in einem Kasten, rund sechs Meter lang, zwei Meter hoch und einen Meter breit. Und das alles nur, um zu messen, wie im Mikro- und Nanometerbereich Proteine aufgebaut sind und wie biegsam sie sind.

Wie Proteine zu Biosensoren werden

Denn in dem seit 2023 eingerichteten Sonderforschungsbereich „Mikrobielle Netzwerke – von Organellen bis hin zu Reich-übergreifenden Lebensgemeinschaften“ wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Heinrich-Heine-Universität diese Proteine umbauen und – zum Leuchten bringen. Dann nämlich lassen sich die Vorgänge zwischen den Proteinen unter dem Mikroskop anschauen; Biosensoren heißen solche leuchtenden Proteine. Doch die wollen erst einmal gebaut werden.

Dazu sitzt Violette Applegate im Gebäude mit dem romantischen Namen 26.24 und verwandelt Proteine in kristalline Formen. Eine Art riesiger Kühlschrank steht in ihrem Labor und darin sind die diversen Proteine, die sie in kristallene Strukturen zu verwandeln sucht.

Wie wunderschöne Diamanten sehen die dann aus. Bloß sind sie so winzig, dass sie sich niemals als Schmuck eignen würden. Auch hier, so berichtet es Professor Sandor Smits, kostet die Ausstattung mal eben ein Sümmchen, für das sich selbst in Düsseldorf ein Eigenheim kaufen ließe.

Professor Sandor Smits ist experte für Strukturbiochemie an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf. Er und sein Team versuchen, kleinste Stoffwechselprozesse bei Mikroben sichtbar zu machen.
Professor Sandor Smits ist experte für Strukturbiochemie an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf. Er und sein Team versuchen, kleinste Stoffwechselprozesse bei Mikroben sichtbar zu machen. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Die Kristalle werden dann in Computermodelle verwandelt, Atom für Atom wird sichtbar, wie ein Protein aufgebaut ist – und da die Forscher gewissermaßen bei den Proteinen anbauen wollen, in dem sie die leuchtenden Proteine andocken, entwickeln die Experten hier die Baupläne für dieses Projekt. Das Kleinwinkel-Röntgenmikroskop überprüft gewissermaßen die Statik und zwei Etagen tiefer versuchen die Baumeister im Zentrum für für biologische Strukturanalyse  dann tatsächlich die Proteine miteinander zu verbandeln.

Der Stoff, der Glühwürmer leuchten lässt

Was da leuchtet, ist so genannte Biolumineszenz. Kennt man von Glühwürmchen, Meeresalgen und Tiefseetieren. Meist wird sogar versucht, gleich zwei Leuchtproteine an das Protein anzudocken, das man beobachten will. Eines, das gewissermaßen immer leuchtet und eines, das zu blinken beginnt, wenn das Protein mit irgendeinem anderen Stoff interagiert.

Wie verbindet man ein Leuchtprotein mit dem Protein, das man sichtbar machen will? Am Bildschirm planen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gewissermaßen den Bau von Proteinverbünden. Ob es klappt, muss zwei Stockwerke tiefer die Praxis zeigen.
Wie verbindet man ein Leuchtprotein mit dem Protein, das man sichtbar machen will? Am Bildschirm planen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gewissermaßen den Bau von Proteinverbünden. Ob es klappt, muss zwei Stockwerke tiefer die Praxis zeigen. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Doch die Verknüpfung hinzubekommen, ist nicht so einfach. Auch, wenn die Kollegen oben schon mal ausgerechnet haben, wie genau die 10.000 Atomkerne hier und dort ineinander passen könnten. Die Proteine werden gewissermaßen erwärmt, damit sie sich mit den Leuchtproteinen verbinden können.

Und das alles, ohne die kleinsten Strukturen zu zerstören. Die Kunst der Mikroskopie hier ist es, die Dinge zu beobachten, ohne sie gleich umzubringen. Schließlich will man die Party der Proteine nicht stören, sondern gewissermaßen dem Smalltalk auf Mikroebene lauschen.

Von Flechten lernen, heißt netzwerken lernen

Denn genau das tun die kleinen Netzwerker in uns und in der Natur: miteinander reden, Verbindungen eingehen, Stoffe austauschen, gewissermaßen Win-Win-Situationen entwickeln, so wie wir das auch in großen Netzwerken tun. Eines der einfachsten und bekanntesten Beispiele für derlei Lebensgemeinschaften sind Flechten. Sie bestehen durch die Kooperation von Pilzen und Algen. Die Algen gewinnen per Photosynthese Energie aus dem Sonnenlicht, der Pilz revanchiert sich mit Nährstoffen.

Was die Düsseldorfer da tun, ist zunächst einmal Grundlagenforschung. Rausfinden, was passiert. Und manchmal erst: Rausfinden, wie man rausfinden kann, was da in den winzigsten Bausteinen des Lebens passiert. Um irgendwann einmal nicht mehr nur dem Smalltalk der Mikroben, den Kraftwerken der Zellen, den Mitochondrien, und der Proteine lauschen zu können, sondern womöglich sogar mitreden zu können.

Licht ins Dunkel bringen – in die Welt der Mikroben. Daran arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Düsseldorf gemeinsam mit etlichen anderen Unis im Land in einem Sonderforschungsbereich.
Licht ins Dunkel bringen – in die Welt der Mikroben. Daran arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Düsseldorf gemeinsam mit etlichen anderen Unis im Land in einem Sonderforschungsbereich. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Es ist noch sehr leise Zukunftsmusik, die da erklingt, aber womöglich lässt sich irgendwann die Darmflora beeinflussen, gezielt durch gezielte Gabe von Proteinen oder Mikroben. Vielleicht kann man irgendwann mal gestörte Stoffwechselprozesse, wie sie bei Parkinson eine Rolle spielen, regulieren. Oder multiresistenten Keimen die Nahrung vergiften.

Prof. Julia Frunzke, sowohl am Forschungszentrum Jülich wie auch in Düsseldorf tätig, beschreibt die Hoffnung so: Der Sonderforschungsbereich „wird grundlegende Erkenntnisse liefern, um zukünftig mikrobielle Netzwerke und Gemeinschaften gezielt zu manipulieren und neu zu designen. Dies eröffnet neue Horizonte für innovative Anwendungen im Bereich der Medizin, Landwirtschaft und Biotechnologie.“

Nacht der Wissenschaft 2024

Zum fünften Mal lädt die Universität Düsseldorf am 13. September, von 17 bis 24 Uhr zur Nacht der Wissenschaft. Am Schadowplatz und dem Haus der Universität in der Düsseldorfer Innenstadt können Besucher sich an zahlreichen Aktionsständen, in Vorträgen und Talkrunden zu den verschiedensten Forschungsfeldern informieren. Mehr als 55 Beiträge laden in dieser Nacht zum Mitmachen, Mitdenken und Mitdiskutieren ein. Der Eintritt ist frei. Bereits die letzten beiden Ausgaben der Nacht der Wissenschaft 2019 und 2022 sei ein Erfolg gewesen, teilt die Uni mit.

Dafür arbeiten an der Heinrich-Heine-Uni die Zentren für biologische Strukturanalyse und fortgeschrittene Bildgebung, also der Mikroskopie, zusammen. Und sie wiederum mit dem Forschungszentrum Jülich, den Universitäten in Aachen, Bielefeld und Köln sowie dem Max-Planck.-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung, ebenfalls in Köln.  Die erste Lektion also ist: Wer die kleinsten Netzwerker der Welt verstehen will, muss auch im Großen Netzwerke bilden.

Wer einen Einblick in die kleinsten Strukturen und das große Projekt bekommen möchte: der Sonderforschungsbereich präsentiert sich bei der „Nacht der Wissenschaften“ am Freitag, 13.09.2024 von 17 Uhr bis Mitternacht im Haus der Universität am Schadowplatz in der Düsseldorfer Innenstadt.