An Rhein und Ruhr. Einige Kommunen der Region stellen größere Unterschiede zwischen den Daten ihrer Einwohnermeldeämter und den offiziellen Statistiken fest.

Der kürzlich veröffentlichte Zensus 2022 hat in einigen Verwaltungen der Region für Verwunderung gesorgt. Denn die in der offiziellen Statistik festgestellten Einwohnerzahlen weichen mitunter deutlich von jenen der Einwohnermeldeämter der Städte ab. Das Problem daran: Die finanziellen Zuwendungen des Landes an die Kommunen werden nach deren Bevölkerungszahl verteilt. Wer also weniger Einwohner hat, bekommt auch weniger Geld.

Zensus zieht Düsseldorf mehr als 40.000 Einwohner ab

Ende Juni hatte das statistische Landesamt (IT.NRW) die im Zensus zum Stichtag am 15. Mai 2022 ermittelten Einwohnerzahlen veröffentlicht. Bis dahin wurden die aktuellen Daten auf Basis des Zensus 2011 fortgeschrieben. Dafür seien immer wieder Geburten, Sterbefälle sowie Umzüge verrechnet worden, wie eine Sprecherin des Landesamtes erklärt. „Der neue Zensus ist eine Bestandsaufnahme.“ Damit sollen die Statistiken korrigiert werden. Schließlich melde sich nicht jeder nach einem Umzug in seiner alten Stadt ab.

Die Städte verfügen mit ihren Melderegistern über eigene Daten. Diese weichen zum Beispiel in der Landeshauptstadt Düsseldorf deutlich von jenen des Zensus 2022 ab, wie ein Stadtsprecher bestätigt. So wurden für die Rheinmetropole nun 611.258 Personen gezählt. Die aktuelle Bevölkerungszahl liege damit um rund 14.000 unter der von IT.NRW berechneten Zahl, die auf dem Zensus 2011 basiert. Sie weiche zudem um knapp 42.000 von den Daten aus dem Düsseldorfer Melderegister ab, heißt es in einer Mitteilung.

Dies sei unerwartet, jedoch müsse man für weitere Schritte fehlende Informationen aus dem Zensus 2022 abwarten, so der Sprecher. Auch erwarte man eine Anhörung bevor die Daten endgültig festgeschrieben werden. „Erst danach wird die Stadt Düsseldorf einschätzen, wie sie auf die neue aus dem Zensus 2022 resultierende Bevölkerungszahl reagiert.“

Auch die Stadt Essen hatte verwundert festgestellt, dass sie laut des neuen Zensus plötzlich rund 20.000 Einwohner weniger hat. „Keiner kann das nachvollziehen“, sagte dazu Christoph Ehlert, Leiter des Amtes für Statistik und Wahlen, gegenüber der NRZ. Bis zur Anhörung im September könne die Stadt nun nichts daran ändern. „Das ist sehr unbefriedigend“, meinte Ehlert und verteidigte die eigenen Zahlen aus dem Melderegister: „Ich traue unseren Meldedaten.“

Moers: „Zahlen scheinen nicht nachvollziehbar“

Überrascht reagierte man auch in Moers auf die neue Statistik: „Laut Zensus 2022 haben wir eine Einwohnerzahl von 100.465“, sagt ein Stadtsprecher. Dem Melderegister zufolge habe man aber 105.982 aktiv gemeldete Personen in Moers. Über 5000 mehr als in der neuen Berechnung. „Die Zahlen erscheinen uns aktuell nicht nachvollziehbar“, sagt der Sprecher weiter. „Diskrepanzen bei den Zahlen sind relativ normal, aber die Größe der Abweichung macht uns stutzig.“ Für eine Entscheidung über eine mögliche Klage sei es aber noch zu früh.

Doch was genau hat die Einwohnerzahl mit den Finanzen zu tun? Ein Sprecher des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung erklärt: „Die Zahlen des Zensus sind ein wesentlicher Bestandteil, um die Zuweisungen aus dem Kommunalen Finanzausgleich zu bestimmen.“ In NRW ist das über das Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) geregelt.

Ministerium hält Rückgang der finanziellen Mittel für „unrealistisch“

„Neben den Schlüsselzuweisungen werden auch einige Zuweisungen, wie die allgemeine Investitionspauschale zum Teil nach den Bevölkerungszahlen verteilt.“ Maßgeblich für die bei den Kommunen anzusetzenden Bevölkerungszahlen seien zurzeit die fortgeschriebenen Zensusdaten 2011, so der Sprecher weiter. Erst ab dem Haushaltsjahr 2026 nutze man die neu erhobenen Zensuszahlen. Ein Rückgang der Einwohnerzahl könnte dann auch zu einem Rückgang der zugewiesenen finanziellen Mittel führen.

Dies sei jedoch unrealistisch, beschwichtigt der Ministeriumssprecher. Auf Basis des Zensus 2022 habe es bundesweit in 56 Prozent der Gemeinden (insgesamt 5989) mindestens 1 Prozent weniger Einwohner als bisher ausgewiesen gegeben. „Hier kommt es auch auf die Relationen der Bevölkerungsrückgänge an.“ Zudem spielen weitere Kriterien, unter anderem die Steuereinnahmen, eine Rolle. Und für die Verteilung der Gelder werde der Mittelwert aus den Einwohnerstatistiken der letzten drei Jahre zugrunde gelegt. „Damit finden Bevölkerungsrückgänge nur schleichend Eingang in das Zuweisungssystem.“

Weitere Auswirkungen der Einwohnerzahl

Nicht nur für die finanziellen Zuwendungen des Landes an die Kommunen sei die Einwohnerzahl wichtig, erklärt ein Sprecher des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung. „Die Zensusdaten spielen unter anderem eine Rolle bei der Größe der Gemeindevertretungen, der Wahlkreiseinteilung, der Bestimmung zur Großen oder Mittleren kreisangehörigen Stadt, der Infrastrukturplanung oder der Schulentwicklungsplanung.“

Zudem richte sich die Besoldung für das Amt der (Ober-)Bürgermeister oder Landräte nach der Einwohnerzahl der jeweiligen Gemeinde.

Gelassenheit in Oberhausen: Plötzlich über 2000 zusätzliche Einwohner

In anderen Städten wie Kleve, Wesel, Emmerich oder auch Mülheim an der Ruhr sieht man die Zensus-Zahlen gelassen. Zwar gebe es kleinere Abweichungen von den eigenen Daten, aber diese seien gering, heißt es aus den Verwaltungen. „Es ist immer so gewesen, dass die Zahlen der Einwohnermeldeämter von den offiziellen Statistiken abweichen. Deswegen herrscht hier keine Aufregung“, sagt der Weseler Stadtsprecher Sven Coralic.

Entspannt blicken auch Duisburg und Oberhausen auf die aktuelle Einwohnerstatistik. Denn sie haben auf einmal mehr Bürger als gedacht. „Zwischen den Einwohnerbeständen aus dem Melderegister, der Fortschreibung auf Basis des Zensus 2011 und dem Zensusergebnis von 2022 ergeben sich deutliche Abweichungen“, erklärt ein Oberhausener Stadtsprecher. Knapp über 2200 Einwohner hatte Oberhausen zum Stichtag am 15. Mai 2022 mehr als erwartet. Das sei auch plausibel, meint der Sprecher und erklärt sich den Zuwachs mit der Fluchtbewegung aus der Ukraine. Die genauen Gründe für die Abweichung seien aber nicht bekannt.

Einen Zuwachs hatte auch Duisburg zu verzeichnen. Im Vergleich mit den eigenen Daten habe der Zensus 2022 zum Stichtag rund 700 Einwohner mehr gezählt. Im Vergleich zu den fortgeschriebenen Zahlen des Zensus 2011 seien es sogar rund 2500 Einwohner.