Münster. Die Stadtwerke Münster und der Kreis Lippe einigten sich vor dem Oberverwaltungsgericht NRW. Die Bundeswehr hatte Einwände gegen eine Windanlage.
Auf Kollisionskurs befanden sich tieffliegende Hubschrauber der Bundeswehr und ein geplantes Windrad im Kreis Lippe. Die Stadtwerke Münster wollten hier nahe der Stadt Lemgo ein Windrad bauen. Die Bundeswehr äußerte Bedenken, da die Anlage eine Gefahr für tieffliegende Hubschrauber sei. Vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW in Münster beschlossen die Parteien nun einen Vergleich.
Windrad als Gefahr für Hubschrauberbesatzung
Die Fläche im Westen des Gebietes von Lemgo wurde von der Stadt bereits vor einigen Jahren als Windvorrangzone ausgewiesen. Hier wollen die Stadtwerke Münster eine rund 200 Meter hohe Windkraftanlage bauen und beantragten 2021 eine Genehmigung beim zuständigen Kreis Lippe.
Wie es bei Bauwerken von mehr als 100 Metern Höhe üblich ist, wurde die Deutsche Flugsicherung (DFS) hinzugezogen, um Gefahren für die Luftfahrt auszuschließen. Im zivilen Bereich sah die DFS keine Hindernisse, doch für den militärischen Bereich erhob die Bundeswehr Einwände. Der Grund: Im Westen Lemgos verläuft eine Tiefflugstrecke für Hubschrauber der Bundeswehr. Durch das geplante Windrad entstehe eine Gefahr für Besatzung und Maschinen.
Streitkräfte: Tiefflugkorridor wird regelmäßig genutzt
Die als Luftfahrtbehörde in NRW zuständige Bezirksregierung Münster verweigerte daraufhin die Zustimmung und der Kreis lehnte Anfang 2022 schließlich die Genehmigung ab. Dagegen erhoben die Stadtwerke Klage vor dem OVG, die am gestrigen Donnerstag in Münster verhandelt wurde.
Die seit den frühen Neunzigern bestehende Tiefflugstrecke verbindet den Flugplatz Bückeburg in Niedersachsen mit dem Truppenübungsplatz Senne bei Paderborn, wie die beigeladenen Vertreter des Bundes und der Bundeswehr ausführten. Der Korridor werde regelmäßig für Übungen genutzt, bei denen Transporthubschrauber in nur rund 30 Metern Höhe „schnell und in der Deckung“ fliegen, hieß es. Gerade angesichts der Sicherheitslage in Osteuropa seien diese Übungen im öffentlichen Interesse. Das Windrad stelle als Hindernis aber eine Gefahr dar. Verschieben könne man die Flugstrecke aus militärischen Gründen nicht.
Bürokratischer Fehler der Bundeswehr führt zu Einigung
Der Vorsitzende Richter sah jedoch ein Problem in der Argumentation der Streitkräfte: Wenn der Standort im Flugkorridor eine Gefahr darstelle, warum hatte die Bundeswehr dann nicht bereits Jahre zuvor bei der Ausweisung der Fläche als Windvorrangzone Bedenken geäußert?
Eine Frage, welche die Bundesvertreter nicht beantworten konnten. Es habe damals behördeninterne Wechsel in der Zuständigkeit gegeben. Warum man damals keine Einwände erhoben habe, könne nicht erklärt werden.
Schließlich kamen die Vertreter beider Parteien in einer Verhandlungspause ins Gespräch und zogen sich zu gemeinsamen Beratungen zurück. Nach rund dreistündiger Verhandlung schließlich einigte man sich auf auf einen gerichtlichen Vergleich.
Genehmigungsverfahren läuft wieder – Genehmigung von Naturschutz abhängig
Demnach zieht die Bundeswehr ihre Einwände gegen das Windrad zurück und die Bezirksregierung Münster erteilt ihre luftverkehrsrechtliche Zustimmung. Der Kreis Lippe zieht seine Ablehnung zurück und eröffnet das Genehmigungsverfahren wieder. Hier seien noch Fragen zum Naturschutz offen, so Kreisvertreter.
Ob und wann es eine Genehmigung gibt, ist unklar. Möglicherweise aber werden künftig die Hubschrauberpiloten wegen eines mehrere Jahre zurückliegenden eigenen bürokratischen Fehlers der Bundeswehr einen Bogen um ein neues Windrad fliegen müssen.
Ein spezieller Senat für Windkraft-Prozesse
Am OVG in Münster wurde Mitte Juli vergangenen Jahres ein Senat für die Bearbeitung von Streitigkeiten um Windkraftanlagen eingerichtet. Die personelle Verstärkung sei erforderlich geworden, weil das OVG seit Ende 2020 landesweit für alle neuen Streitfälle um die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Windenergieanlagen mit einer Höhe von mehr als 50 Metern erstinstanzlich zuständig ist – und damit faktisch für alle neuen Anlagen. Es klagen nicht nur Investoren auf eine Genehmigung, sondern auch Nachbarn, Gemeinden oder – in wenigen, dafür aber artenschutzrechtlich aufwendigen Verfahren – Naturschutzverbände gegen erteilte Genehmigungen für Anlagen. Oder eben Energieversorger gegen Einwände der Bundeswehr.