An Rhein und Ruhr. Die Nachfrage nach Erdbeeren und Spargel aus der heimischen Region ist gesunken. Welche Folgen das für die Landwirte am Niederrhein hat.

Soweit wie sein Landwirtskollege Andreas Rahmann aus Coesfeld, der ganze Reihen seines Erdbeerfeldes zerstört hat, um darauf Mais anbauen zu können, weil sich der Verkauf in den Handel hinein nicht rechne, will Dirk Buchmann nicht gehen. Der Hünxer Landwirt baut ebenfalls Erdbeeren – und Spargel – an. Und auch er spricht von einem „harten Jahr“. Jammern will er aber nicht. Nur sei klar: Nach der Saison werde auch er neu kalkulieren. Und ob auf dem Schulte Drevenacks Hof auch noch in fünf Jahren Erdbeeren angebaut werden, „das kann ich nicht garantieren“, sagt Dirk Buchmann im Gespräch mit der NRZ.

Die Branche zeigt sich „enttäuscht“ vom bisherigen Verlauf der Saison. „Wir sind ernüchtert“, sagt Simon Schumacher, Vorstand im Netzwerk der Spargel- und Beerenverbände e.V. Es kämen viele Faktoren zusammen: Trotz guter Ernte und Qualität laufe die Saison nicht gut. Dies habe drei Gründe.

Erstens: „Der Handel bietet bis mitten in die Saison hinein neben dem heimischen Spargel Importware zu Spottpreisen an“, so Schumacher – und drücke so den Preis für die heimische Ernte. Ein Kilo heimischen Spargels kostet derzeit durchschnittlich zwölf Euro, was nicht teurer sei als im vergangenen Jahr, 500 Gramm Erdbeeren um die fünf Euro. Von den zwölf Euro brauche er acht Euro, um wirtschaftlich zu arbeiten, rechnet Dirk Buchmann vor. Supermärkte importierten den Spargel und auch Erdbeeren mitunter aber für deutlich weniger als die Hälfte.

Erdbeerbauer Andreas Rahmann hat für sich die Reißleine gezogen. Für 500 Gramm Erdbeeren bekäme er knapp einen Euro und einen Cent vom Einzelhandel. Vermarkte er die Früchte direkt, bekäme er 4,50 Euro. Deshalb will er die Supermärkte nicht mehr beliefern und auf Direktvermarktung setzen.

Corona: Gute Direktvermarktung

Die erlebte in der Corona-Zeit einen richtigen Aufschwung, der nun – und dies ist der zweite Grund für die eher schleppende Saison – wieder nachlasse. „Zu Beginn der Coronazeit haben die Betriebe ordentlich Profit gemacht. Die Leute konnten nicht essen gehen oder in den Urlaub fahren, haben das Kochen entdeckt. Die Direktvermarktung lief gut. Viele wollten nicht in die Supermärkte gehen“, blickt Dirk Buchmann auch als Vorsitzender der Landesfachgruppe Spargelanbau des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes zurück.

Aber schon im vergangenen Jahr hätten die Landwirte schon die Hälfte des 2020 erzielten Zuwachses wieder verloren. Und in diesem Jahr sei die Nachfrage noch einmal im Vergleich zum Vorjahr um etwa 25 Prozent gesunken. „Die Leute können wieder reisen, holen nach, was sie nicht konnten, fahren weg, obwohl der Spritpreis bei nun fast ,5 DM’ liegt. Die Straßen sind voll. Und da alles teurer wird, überlegt man, worauf man verzichtet“, findet Dirk Buchmann eine Erklärung.

Erschwerend würden für die Landwirte – und dies ist der dritte Grund – die steigenden Produktionskosten hinzukommen. Die Kosten für Löhne, Energie und den Bezug von Betriebsmitteln seien explodiert.

Preisanhebungen erforderlich, aber am Markt nicht durchsetzbar

In diesem Jahr kommt der importierte Spargel meistens aus Griechenland, Spanien oder Marokko. „Dort ist die Produktion schlicht billiger. Ein Faktor: der Mindestlohn. Anders als Deutschland haben diese Länder keinen oder einen deutlich geringeren Mindestlohn. Mit aktuell 9,82 Euro pro Stunde liegt Deutschland hier schon mehr als das 1,5- bis 2,5-Fache höher als in anderen Anbau-Ländern, erklärt das Netzwerk der Spargel- und Beerenverbände. Die Prognose: Kleinere Betriebe und die Betriebe, die Spargel als Nebenkultur laufen haben, werden aufhören oder ihre Anbauflächen deutlich verkleinern.

Der Provinzialverband Rheinischer Obst- und Gemüsebauern hatte in der vergangenen Woche bei einem Delegiertentag eine Resolution verabschiedet, die sich an NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst richtet, und in der sie ihre Sorge über die Entwicklung in den rheinischen Obst- und Gemüsebaubetrieben äußern. Dringend erforderliche Preisanhebungen für Obst und Gemüse seien am Markt nicht durchsetzbar. Um eine Belastung der Betriebe durch die Energiepreise und CO2-Abgaben zu mindern, fordern die Delegierten eine finanzielle Unterstützung der Landwirtschaft bei Treibstoffen und Strom zum Betrieb von Kühlanlagen sowie für die Heizung von Gewächshäusern. Und: Die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Oktober 2022 müsse für die Saisonkräfte in der Ernte ausgesetzt werden. Denn diese Mehrkosten könnten die Landwirte nicht in dem Maße auf die Preise umlegen, wie sie es tun müssten, um wirtschaftlich zu bleiben.

Die ersten Landwirte überlegen bereits, die Erdbeeren aufzugeben. Alexander Bossmann aus Emmerich ist einer von ihnen. Er „hadere“ mit den Früchten, die seit 63 Jahren auf dem Ingenhof angebaut werden. Für „lau“, so sagt er, werde er das künftig sicher nicht machen.