An Rhein und Ruhr. Vor 20 Jahren wurden in NRW die ersten Babyklappen eingerichtet. Träger blicken zurück und erklären, weshalb Babyklappen wichtig sind.
Wohlige 37 Grad warm, ausgestattet mit einem Gitterbett in dem eine Decke und ein Kuscheltier liegen, daneben Informationsbriefe in neun verschiedenen Sprachen sowie ein Stift und Zettel, falls Frauen eine persönliche Nachricht schreiben möchten – so sieht die Ausstattung einer Babyklappe in den insgesamt 25 Babyklappen in NRW aus. In diesem Jahr feiert diese Einrichtung ihr 20-jähriges Bestehen. Eine dieser „Rettungsringe für Babys“, wie Dr. Peter Seiffert sie nennt, existiert an der St. Johannes Klinik in Duisburg. Dr. Seiffert ist hier Chefarzt der Kinderklinik und hat mit seinem Team in den vergangenen 20 Jahren bereits 23 Neugeborene aus der Babyklappe geholt. „Alle waren wohl auf, alle haben es gut überstanden und sind bei Adoptionsfamilien untergekommen“, sagt er.
Geburt für viele Frauen ein Schock
Vier der Kinder habe das Krankenhaus sogar gemeinsam mit dem Jugendamt mit ihren leiblichen Müttern für ein Treffen zusammenbringen können. „Die Frauen, die ihre Kinder in der Babyklappe ablegen, wissen bis zur Geburt oft gar nicht, dass sie schwanger sind. Das kommt öfter vor als man denken mag. Die Geburt ist dann ein echter Schock. Für diese Frauen ist die Babyklappe in erster Linie eingerichtet worden“, erklärt der Chefarzt.
Ziel sei es natürlich bereits vor der Geburt Hilfe anzubieten, wenn die Schwangerschaft bekannt ist, damit Frauen erst gar nicht in eine solche Situation kommen. Um die Zahl der anonymen Kindsabgaben zu reduzieren ist im Mai 2014 das Gesetz zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt in Kraft getreten. „Mit dem Gesetz erhalten Schwangere die Möglichkeit, ihr Kind vertraulich und medizinisch begleitet in einer Klinik oder bei einer Hebamme auf die Welt zu bringen“, erklärt ein Sprecher des Familienministeriums NRW. Ziel des Gesetzes sei es insbesondere, heimliche Geburten ohne medizinische Begleitung zu vermeiden und zu verhindern, dass Neugeborene anonym, beispielsweise in einer Babyklappe, abgegeben werden.
Babyklappe am evangelischen Krankenhaus Oberhausen
Komme das Baby jedoch zur Welt, ohne, dass die Mutter überhaupt merkt, dass sie schwanger ist, sei die Babyklappe eine Chance das Neugeborene anonym und sicher abzugeben, sagt eine Sprecherin des Evangelischen Krankenhauses Oberhausen (EKO). Bis 2011 wurde die Babyklappe hier vom Verein Binsenkörbchen betreut. Als sich dieser Verein auflöste, übernahm das EKO die Betreuung komplett. In den 20 Jahren, die die Babyklappe dort besteht, seien insgesamt 15 Babys abgelegt worden. Dass eine Frau sich wieder umentscheidet und ihr Baby weiderhaben möchte, käme nur in Einzelfällen vor, berichtet die Sprecherin.
Allergrößte Verzweiflung
„Wir haben noch nicht erlebt, dass eine Mutter ihr Kind wieder zurückhaben wollte“, sagt auch Regina Ozwirk vom St. Josef Krankenhaus in Moers. In den vergangenen Jahren wurden hier sechs Neugeborene aus der Babyklappe gerettet. „Es ist allergrößte Verzweiflung, die werdende Mütter dazu bewegt, diesen Schritt zu gehen“, so Ozwirk.
Dies bestätigt auch Heidi Viell von der Schwangerschaftsberatung des Sozialdienstes katholischer Frauen im Kreis Kleve. Was sich jedoch genau in den Köpfen der Mütter abspiele, lasse sich pauschal nicht sagen, „sicher ist jedoch, dass diese Mütter die Babyklappe als letzten Ausweg sehen“.
Babyklappe als lebensrettende Maßnahme
Die Babyklappe gilt als „lebensrettende Maßnahme“, sagt auch Enno Hermans, Geschäftsführer des Sozialdienstes katholischer Frauen in Essen. Der SkF ist der Träger der Babyklappe am Elisabeth-Krankenhaus. „Man kann nie genau sagen, ob das Kind nicht auch ohne diese Einrichtung überlebt hätte. Jedoch hat es in Essen nur einen Fall der Kindesaussetzung, seit Einrichtung unseres Babyfensters 2001, gegeben, der bekanntgeworden ist“, sagt Hermans. 24 Kinder wurden in der Babyklappe des Trägers am Elisabeth-Krankenhaus abgegeben. Nur zwei der Kinder wurden ihren leiblichen Eltern zurückgeführt. Für 22 Kinder bleibt ihre Herkunft wohl immer ein Rätsel. „Wir appellieren an die Eltern wenigstens einen Brief zu hinterlassen, in dem die Abstammung des Kindes ersichtlich ist“, so Hermans. Bei einem der in der Essener Babyklappe abgegebenen Kindes „gab es einen sehr emotionalen Abschiedsbrief“, wie Melanie Marquardt vom Elisabet-Krankenhaus zu berichten weiß. Dies sei jedoch nicht der Regelfall. „Die meisten Kinder sind komplett entwurzelt ohne jegliche Hinweise auf ihre Abstammung oder Eltern“, sagt Marquardt.
>>>Infobox: So funktioniert eine Babyklappe
Zwei Minuten nach Schließen der Klappe wird ein Alarm auf der Kinderintensivstation ausgelöst und das Pflegepersonal der Kinderintensivstation kümmert sich sofort um das Baby. Das Krankenhauspersonal nimmt auch Kontakt zum Jugendamt auf, welches die weitere Vermittlung übernimmt.