An Rhein und Ruhr. Die Software Sormas soll die Kontaktnachverfolgung erleichtern. Das Interesse hält sich in NRW jedoch in Grenzen. Bringt ein Update die Lösung?

Die Probleme bei der Kontaktnachverfolgung reißen nicht ab: Spätestens mit Beginn der zweiten Corona-Welle kamen viele Gesundheitsämter in NRW an ihre Grenzen. Das lag einerseits an den vielen Infektionsfällen, andererseits an der veralteten Technik. Bis heute greifen Mitarbeiter bei der Übermittlung von Kontaktpersonen auf E-Mails, Fax-Geräte und Drucker zurück. Der Bund unterstützt die vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsschutz (HZI) entwickelte Software Sormas. Doch die stößt in NRW auf wenig Gegenliebe. Nun soll ein Update die Lösung bringen.

Welche Probleme gibt es bei der Übermittlung von Infizierten?

Die Labore sind seit Anfang 2021 verpflichtet, Positivbefunde digital an die Gesundheitsämter zuschicken. Die Mitarbeiter in den Gesundheitsämtern übertragen die Daten in ihr System und leiten die Fälle anschließend ans Landeszentrum für Gesundheit (LZG) weiter. Der Haken: Sowohl die Labore (Demis) als auch das LZG (SurvNet) verwenden eine eigene Software. Noch gibt es aber keine Schnittstellen zu Sormas. Das bedeutet: Gesundheitsämter, die mit Sormas arbeiten, können die Daten nicht importieren. Stattdessen müssen die Fälle manuell übertragen werden. Diese Doppeleingaben kosten Zeit und können zu Übertragungsfehlern führen.

Wie läuft der Austausch zwischen den Gesundheitsämtern?

„Bisher läuft es so: Ein Gesundheitsamt ermittelt nach einem positiven Befund die Kontaktpersonen des Infizierten“, erklärt Prof. Dr. Gérard Krause, Leiter der Abteilung Epidemiologie am HZI. „Da diese Personen nicht selten in einem anderen Landkreis wohnen, müssen die Mitarbeiter die Kontaktdaten ausdrucken und per Fax an das zuständige Gesundheitsamt schicken.“ Dort werden die Daten manuell ins eigene System übertragen. Soll heißen: Mehr als ein Jahr nach Beginn der Corona-Pandemie sind die Gesundheitsämter immer noch nicht digital vernetzt. Auch Sormas bietet diese Funktion aktuell nicht.

Wieso ist das Interesse an Sormas bislang so gering?

Bund und Länder wollen Sormas bis Ende Februar bundesweit in allen Gesundheitsämtern einführen. Laut Bundes-Gesundheitsministerium war die Software bis zum 31. Januar 2021 aber lediglich in 16 von 53 Gesundheitsämtern in NRW „betriebsbereit bzw. in Betrieb“. Der Grund: Viele Kommunen haben im Laufe der Corona-Pandemie eigene Programme und Datenbanken entwickelt – darunter Duisburg, Essen und der Kreis Kleve. Diese Programme verfügen teilweise über Schnittstellen, die in der aktuellen Version von Sormas noch nicht freigeschaltet sind.

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„Einzelne Städte hatten die Fähigkeit, sich Systeme zu bauen, die auf ihre örtlichen Bedürfnisse maßgeschneidert waren, sodass ich das aus dieser Perspektive verstehen kann“, sagt Krause. Auch der Kreis Kleve schreibt: „Das Gesundheitsamt verwendet eine eigene Software, die eine effizientere Fallbearbeitung als Sormas nach den bisherigen Spezifikationen bietet.“ Die neue Version Sormas eXchange, die in den kommenden Wochen erscheinen soll, verfüge jedoch laut Krause über Zusatzfunktionen, die es bislang bei keinem anderen Programm gebe.

Welche Vorteile bietet das neue Update Sormas eXchange?

Zum einen sollen die Schnittstellen zu Demis und SurvNet freigeschaltet werden. Dadurch fallen bei der Übermittlung von Infizierten die Doppeleingaben weg. Darüber hinaus ermögliche Sormas eXchange eine digitale und datenschutzkonforme Vernetzung zwischen den Gesundheitsämtern. Die Mitarbeiter könnten Informationen zu Positivbefunden und Kontaktpersonen in Zukunft digital abrufen und müssten sich die Informationen nicht mehr per Fax, Telefon und E-Mail schicken.

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Ein weiterer Vorteil: Dadurch, dass die Daten digital miteinander verknüpft sind, könnten Infektionsketten laut Krause künftig auch über Landkreisgrenzen hinweg dokumentiert und visualisiert werden. „Aktuell können Gesundheitsämter Infektionsketten nur für ihr eigenes Zuständigkeitsgebiet dokumentieren“, so der Epidemiologe. Die Mitarbeiter bekämen so einen besseren Überblick über die Infektionslage und seien effizienter bei der Kontaktnachverfolgung.

Wieso kommt das Update erst jetzt?

Das HZI habe den Auftrag zur Weiterentwicklung der Software erst im Juli 2020 erhalten. Unter diesen Bedingungen müsse der Fortschritt eher als „ungewöhnlich schnell“ bezeichnet werden, so Krause. „Man darf eben nicht den Unterschied zwischen Einzellösungen und einem vernetzten System vergessen“, erklärt der Epidemiologe.

Welche Schwierigkeiten sehen die Gesundheitsämter?

Die Stadt Duisburg begrüßt den Einsatz einer einheitlichen Software. „Aufgrund des erheblichen organisatorischen Aufwands, bei ohnehin derzeit schon extremer Belastung der Mitarbeiter vor Ort, sehen wir eine Umstellung während der Hochphase der Pandemie aber als äußerst kritisch“, so Sprecher Jörn Esser. Ähnliche Kritik kommt aus Essen: „Auch wird es schwer werden, sollten sich Prozessänderungen und neue Anforderungen an die Datenbank ergeben“, erklärt Jasmin Trilling. Die Stadt Essen habe ihr Programm stets weiterentwickelt. Bei Sormas müsse das Gesundheitsamt jedoch auf entsprechende Updates warten.