Goch. Ein selbsternannter Prophet, Berichte über Gehirnwäsche, Gewalt und Frauen, die sich das Antlitz des Sektengründers tätowieren lassen.

Gut Graefenthal bei Goch, nahe der niederländischen Grenze, ein prächtiges ehemaliges Kloster aus dem 13. Jahrhundert, ist ein Ort für romantische Hochzeiten, für Kulturveranstaltungen und Tagungen. Es ist auch ein Wohnort für Menschen, die einer obskuren Sekte angehören, dem niederländischen „Orden der Transformanten“. Am Mittwoch durchsucht eine Hundertschaft Polizisten den Gebäudekomplex. Am Donnerstag wird Sektengründer Robert B. in Untersuchungshaft genommen. Die Staatsanwaltschaft glaubt: Er ist ein Kinderschänder, Vergewaltiger und Schläger. Was ist das für ein Kult in den Mauern des ehemaligen Zisterzienserklosters?

Hoeven, eine Kleinstadt mit 6500 Einwohnern im Süden der Niederlande. Hier, in der Provinz Nordbrabant, fällt der „Orden der Transformanten“ erstmals auf. Robert B., ein ehemaliger Personal-Trainer, hat ihn 2003 gegründet, der Orden versteht sich selbst als eine Art christliche Glaubensgemeinschaft. In Hoeven beziehen Mitglieder der Gemeinschaft mehrere Häuser. In den Folgejahren macht die Sekte immer wieder Schlagzeilen. Frühere Mitglieder der Gemeinschaft berichten von Gehirnwäsche, Orgien, sexuellen Übergriffen, heißt es in niederländischen Medien.

Messerattacke auf Aussteiger

2008 wird in Rotterdam ein Geschäftsmann angeschossen, er macht den Orden für die Tat verantwortlich. Zwei der Tat beschuldigte Sektenmitglieder werden allerdings mangels Beweisen freigesprochen. 2014 wird in Laren im Norden der Niederlande ein Mann mit einem Messer attackiert, der die Sekte sieben Jahre zuvor verlassen hat. Der Angreifer, ein Mitglied des Ordens, wird später zu sechs Jahren Haft verurteilt. Zu dieser Zeit hat der „Orden der Transformanten“ Hoeven bereits verlassen. 2012 zieht die Gemeinschaft nach Deutschland und lässt sich in Graefenthal nieder.

Auf der schlicht gehaltenen Homepage gibt sich die Sekte harmlos und weltoffen. Der Orden biete „Sicherheit, in der Sie Ihre Beziehung zu Gott in einer entspannten Atmosphäre vertiefen können“, heißt es dort. „Wir sind eine Glaubensgemeinschaft wie jede andere auch“, sagt Camiel Engelen. Er ist Mitglied der Sekte und Geschäftsführer der ADG Management Group GmbH, einer Agentur, die das Klostergut Graefenthal im Jahr 2017 gekauft hat und es seitdem als Eventlocation vermarktet.

Selbst zum Propheten erklärt

Eine Glaubensgemeinschaft wie jede andere auch? Beim Sekteninfo NRW ist man anderer Ansicht. Dort ist der „Orden der Transformanten“ seit 2014 bekannt, besorgte Bürger hatten sich an die Beratungsstelle gewandt. Sektengründer Robert B. habe sich selbst zum Propheten erklärt, damit den Grad der Abhängigkeit der Mitglieder des Kults vergrößert, berichtet Mitarbeiter Christoph Grotepass. „Er hat Elemente aus der Bibel und anderen religiösen Schriften vermengt und etwas Eigenes daraus gemacht.“

Trotz vieler Kontakte nach außen – die Sektenmitglieder arbeiten auch in der Eventagentur – schotte sich die Gruppe nach innen ab. Sie verstehe sich selbst als elitäre Gemeinschaft, die an ihrer Weiterentwicklung arbeitet, wer sie verlasse, begehe einen krassen Loyalitätsbruch. „In jüngster Zeit wurde die Angst vor der Hölle immens geschürt. Die Außenwelt wird als problematisch und feindlich dargestellt“, sagt Grotepass.

Sex als "energetische Behandlung"

Wie in vielen Sekten soll auch im „Orden der Transformanten“ die Reglementierung der Sexualität der Mitglieder eine große Rolle spielen. Der 58-jährige Robert B. soll sexuelle Übergriffe als „energetische Behandlung“ verkauft haben und Kinder mit mehreren weiblichen Sektenmitgliedern haben. Die niederländische Sektenexpertin Carine Damen berichtet, einige der Frauen im Orden hätten sich das Antlitz von B. auf den Körper tätowieren lassen.

Zu der Razzia am Mittwoch kam es schließlich, weil die Klever Staatsanwaltschaft von einem Zeugen darüber informiert wurde, dass eine Frau gegen ihren Willen in dem Klostergemäuer festgehalten würde. Zudem besteht der Verdacht, dass B. zwischen 2006 und 2008 in den Niederlanden in zehn Fällen Kindern unter 14 Jahren sexuelle Gewalt angetan hat, dass er für zwei Vergewaltigungen im vergangenen Jahr verantwortlich ist und dass er ein Sektenmitglied verletzt hat. Man arbeite mit den niederländischen Strafverfolgungsbehörden zusammen, so Oberstaatsanwalt Günter Neifer. Der selbsternannte Prophet sitzt jetzt in Untersuchungshaft.

Drei Menschen haben die Sekte verlassen

Auf dem Gelände traf die Polizei am Mittwochmorgen 54 Personen an, darunter zehn Kinder. Eine 25-Jährige wurde von den Beamten mitgenommen, möglicherweise die Frau, die dort unter Zwang festgehalten worden sein soll.

Nach NRZ-Informationen gibt es drei Menschen, die aus der Sekte ausgestiegen sind. Ihnen stehen jetzt die Experten des Sekteninfos zur Seite.  „Sie gehen durch ein Wechselbad der Gefühle und brauchen jetzt viel Ruhe. Sie müssen sich von der Dauermanipulation erholen können. Man muss ihnen zeigen, dass sie die erlernten Muster hinterfragen dürfen und dass ihre Zweifel ernst genommen werden“, sagt  Christoph Grotepass.

Er betont auch:  „Wir sind bereit, auch anderen Mitgliedern der Gemeinschaft zu helfen. Wer möchte, kann sich bei uns anonym melden.