Nijmegen. Neurowissenschaftler Boris Nikolai Konrad hat es wegen seines phänomenalen Gedächtnisses zu TV-Prominenz gebracht. Über einen Mann, der fast nichts vergisst.

Der Mann, der sich endlose Zahlenkolonnen merken kann, heißt Boris Nikolai Konrad. Der 40-Jährige empfängt die NRZ mit verschmitztem Lächeln auf dem Campus der Universität Nijmegen, einer renommierten Adresse für Neurowissenschaftler wie ihn. Seit zehn Jahren forscht der Wahl-Niederrheiner mit westfälischem Migrationshintergrund am Donders-Institut zu der Frage, wie Menschen ihre Denkleistungen verbessern können – sein Lebensthema seit Teenietagen. Nach einem Kaffee in der zur Mittagszeit trubelig-wuseligen Mensa führt der Hausherr durch verwinkelte Flure in einen kleinen Konferenzraum.

Vor ihm auf dem Tisch: ein Set Spielkarten, sein wichtigstes Utensil. Konrad hat mehrfach globale Erinnerungswettbewerbe gewonnen, er ist Autor von Bestsellern wie „Superhirn – Gedächtnistraining mit einem Weltmeister“ und Deutschlands oberster Auswendiglerner. Er kann das so gut und so schnell, dass sich Quiz- und Wissensshows von Holland bis China um ihn reißen. Konrad wer? Falls Ihnen der Name trotz seiner stolzen TV-Präsenz nichts sagt, dann ist er Ihnen vielleicht wieder entfallen. Was können wir Normalvergesslichen uns von diesem Turbolerner abschauen?

Mehr über das menschliche Gehirn:

Woher kann man Boris Konrad kennen?

Weil er sich seit Jahrzehnten in der ersten Liga der TV-Prominenz bewegt. Sender rufen ihn an, wenn sie ein – um es mit seinem Buchtitel zu formulieren – Superhirn für ein neues Format brauchen. Allein dreimal war er bei „Wetten dass..?“. „Thomas Gottschalk war total beeindruckend“, schwärmt Konrad. „Wie er mit den Kandidaten umgegangen ist – fantastisch.“

Was hat es mit den Spielkarten auf sich?

Der Kartentrick ist quasi Konrads Markenzeichen, er führt ihn immer dann vor, wenn er beweisen will, was er drauf hat. Vor Jahren ist er bei Stefan Raabs „TV Total“ zu Gast, so wie damals läuft es meistens. Raab (58) greift sich die Karten, mischt und reicht den Stapel an Konrad weiter. Der soll sich die Reihenfolge merken, nur ein paar Augenblicke hat er dafür Zeit. „52 Spielkarten – ein ganz normales Pokerblatt“, stellt Konrad gelassen fest. „Das ist immer die letzte Disziplin bei jeder Gedächtnismeisterschaft.“ Raab: „Darf ich dabei reden oder können Sie sich dann nicht konzentrieren?“ Konrad: „Nicht so gut.“ Raab: „Okay, dann gucke ich nur.“ Nachdem Konrad sich die Abfolge eingeprägt hat, zählt er jede einzelne Karte auf: „Karo zehn, Pik neun, Karo Ass.“ Und so weiter und so weiter.

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Wie ist Konrad zum Gedächtnissport gekommen?

Durchs Fernsehen natürlich – Konrad, der in Hattingen direkt an der Ruhr aufgewachsen ist und mit Frau und vier Kindern in Kranenburg lebt, ist ein Kind der 90er und wurde vom Privatfernsehen sozialisiert. „2002, kurz vorm Abi, habe ich auf RTL eine Sendung mit Günther Jauch gesehen, die hieß ,Die Gripsshow’. Verona Pooth, die damals noch Feldbusch hieß, sollte sich als Studiogast so viele Begriffe merken wie möglich“, erinnert sich Konrad im Nijmegener Konferenzraum. Die zerstreute Frau aus der Spinatwerbung bekam das unter fachkundiger Anleitung besser hin, als er es ihr zugetraut hatte. „Da dachte ich mir, dass es mir bei den Prüfungen helfen könnte, wenn ich mich mit Gedächtnistechniken auseinandersetze.“ Die „Gripsshow“ war seine Initialzündung. Das Abitur hat er dann tatsächlich locker geschafft.

Und vom Gedächtnissport kann man leben?

Nein. Boris Konrad jedenfalls nicht. Er schreibt Bücher und hält pro Jahr um die 50 Vorträge zu Themen wie „Wie wir uns alles merken können“. Aber ohne seine Stelle an der Uni geht nichts.

Was kann ich für ein besseres Gedächtnis tun?

Konrad hat drei Tipps parat, die jeder beherzigen könne: Es helfe erstens, in Bildern zu denken, zweitens, sich selbst abzufragen und drittens, zum Lernen den Ort zu wechseln. Im Handumdrehen ist jedoch noch niemand Schnelldenker geworden, sagt Konrad: „Das Gedächtnis zu verbessern, das ist Arbeit. Man muss viel üben.“ Wie das konkret funktioniert, lesen Sie hier.

Was kann Konrad, was sonst (fast) keiner kann?

Im Lauf der Jahre im Scheinwerferlicht hat er sich ein paar Kabinettstücke angeeignet. Der Kartentrick gehört dazu, auch eine Nummer, die er mal bei „Deutschlands Superhirn“ mit Jörg Pilawa (59) im ZDF vorgeführt hat – er merkte sich nach kurzem Betrachten 99 Würfelaugenzahlen. Auf Partys bietet er gerne an, sich 30 Zahlen in zehn Sekunden zu merken. „Das“, weiß Konrad aus Erfahrung, „klappt auch noch nach zwei Bier.“ Und macht Zufallsbekanntschaften zuverlässig sprachlos.