Den Haag. Ein Gericht zwingt die niederländische Regierung zu mehr Umweltschutz – auf Kosten der Landwirte. Die fühlen sich seit Jahren gegängelt.

In den Niederlanden warnen Experten davor, dass immer mehr Bauern nach Deutschland abwandern könnten. Hintergrund ist das Urteil eines Gerichts in Den Haag, das wesentlich strengere Maßnahmen zum Naturschutz vorschreibt. Damit drohen vor allem Landwirten schärfere Umweltauflagen. Was wiederum der an der Regierung beteiligten BBB, der populistischen Protestpartei der Bauern, gar nicht schmeckt. Sie lehnt regulatorische Eingriffe vehement ab. Die rechte Koalition von Ministerpräsident Dick Schoof (67) steht vor einer Zerreißprobe.

Seit Jahren verschlechtert sich der Zustand niederländischer Naturgebiete, Schuld sind den Behörden zufolge schädliche Stickstoffverbindungen, etwa durch Gülle und Ausgasungen von Tieren. Das nationale Zivilgericht gab in seinem Urteil am Mittwoch einer Klage der Umweltschutzorganisation Greenpeace recht. Der Staat unternehme viel zu wenig gegen die Schädigung der Natur insbesondere durch die Landwirtschaft, urteilten die Richter. Die Regierung muss nun dafür sorgen, dass die schädlichen Emissionen von Stickstoffverbindungen in mindestens 50 Prozent der Naturschutzgebiete bis Ende 2030 so drastisch reduziert werden, dass sie den zugelassenen Grenzwert nicht länger übersteigen.

Tausende Bauernhöfe in den Niederlanden vor dem Aus?

In den vergangenen Jahren waren Umweltbelastungen in den Niederlanden geduldet und Grenzwertüberschreitungen mit Ausnahmeregeln legalisiert worden. Der Staat hatte zu seiner Verteidigung angeführt, dass strengere Maßnahmen große wirtschaftliche Folgen hätten. Bislang waren Eingriffe stets am heftigen Widerstand der Bauern gescheitert. Mehrfach hatten Landwirte massiv und gewaltsam gegen Umweltauflagen protestiert. Unter anderem hatten sie Autobahnen blockiert, Brände gelegt und Mist auf Straßen gekippt.

Die im Raum stehenden Maßnahmen könnten früheren Regierungsschätzungen zufolge das Ende für etwa 30 Prozent der Höfe bedeuten. Die Eigentümer von rund 3000 Höfen, die in der Nähe bedrohter Naturgebiete die Böden am meisten belasten, könnten zum Verkauf bewegt werden, zumindest aber zur drastischen Reduzierung des Viehbestandes. Nun hat die Regierung keine andere Wahl, als stärker auf den Umweltschutz zu achten – auch wenn dies bedeuten sollte, dass die landwirtschaftliche Produktion eingeschränkt wird. In den Niederlanden gibt es mehr als 50.000 landwirtschaftliche Betriebe. Das Land ist weltweit einer der größten Exporteure landwirtschaftlicher Produkte.

Schon jetzt verlassen pro Jahr 100 bis 150 Bauern die Niederlande, um sich anderswo eine neue Existenz aufzubauen, berichtet die auf Höfe spezialisierte Maklerfirma Interfarms. Vor allem für Milchbauern werde Deutschland immer interessanter. Auch Dänemark, Schweden und Kanada seien beliebt.