Eindhoven. Eindhoven ist keine Schönheit, auch deshalb gibt es hier so viele Kreative – wie die Designer Kiki & Joost. Wir haben sie besucht.

„Du bist keine Schönheit, vor Arbeit ganz grau!“ Das sang Herbert Grönemeyer 1984 über seine Heimat Bochum – es war eine Liebeserklärung. Ein vergleichbare Ode an Eindhoven gibt es zwar nicht, aber die größte Stadt der Provinz Brabant musste sich ähnlich neu erfinden wie die einst vom Stahl geprägte Kollegin im Ruhrgebiet. Philips war lange der Motor von Eindhoven, dann zog das einst auf Lichttechnik spezialisierte Unternehmen 1997 nach Amsterdam. Nur kurz verfiel Eindhoven in eine Depression – und besann sich dann auf seine Stärken.

Schon Philips lockte kreative Menschen aus aller Welt nach Eindhoven, um seine Produktpalette immer weiter auszubauen. Bereits im Jahr 1947 wurde die Design Academy Eindhoven eröffnet, die international dekorierte Absolventen wie unter anderem Piet Hein Eek hervorbrachte.

Kiki & Joost gehören zu den angesagtesten Designern in Eindhoven.
Kiki & Joost gehören zu den angesagtesten Designern in Eindhoven. © Roos Pierson | Roos Pierson

Punk trifft auf Natur

Zwei Absolventen der DAE werden gerade ziemlich abgefeiert: Kiki van Eijk und Joost van Bleiswijk. Sie kommt aus Venlo, er aus Delft. An der Design-Hochschule in Eindhoven lernten sie sich kennen – und lieben. „Wir haben uns quasi in der Mitte getroffen“, meint Joost. 2001 fingen sie an, erste Objekte zu gestalten. „Wir waren mit die ersten im Strijp S, damals war dort alles noch leer“, erinnert sich Joost van Bleiswijk. Nach diversen Umzügen haben sie inzwischen etwa zwei Kilometer östlich vom Hauptbahnhof ihr Studio eingerichtet. Auf zwei Etagen, unten ist der Arbeitsraum, oben befinden sich ein kleines Atelier mit Büro, und im Hinterhof geht es in einen kleinen Ausstellungsraum, kann sich das kreative Powerpaar austoben. „Früher war es üblich, gleich nach dem Abschluss nach Rotterdam oder Amsterdam zu gehen. Wir hingegen wollten hierbleiben, weil wir hier gute Möglichkeiten sahen“, sagt Joost van Bleiswijk.

Er ist der harte Typ in der Zweierbeziehung, zumindest was seine Arbeit angeht. „Proto-Punk“ heißt ein Objekt, schwarze Möbel und Lampen, sehr cool und etwas verrückt. In dem Stil hat er auch eine Toilettengarnitur für die „Kazerne“, ein trendiges Hotel mit Restaurant und Galerie in Eindhoven, gestaltet. Kiki van Eijk hingegen lässt sich gerne von der Natur anregen. Auf der Dutch Design Week 2024 stellte sie ihr Werk „Sprout“ vor. „Wir wohnen ganz in der Nähe des Ortes, an dem Van Gogh gelebt und gearbeitet hat. Er wurde sehr von der Natur inspiriert“, bemerkt Kiki. „Sprout ist angelehnt an den Moment, kurz bevor im Frühjahr alles in Blüte steht. Für mich ist das ein magischer Prozess, aber auch ein Moment der Hoffnung.“

In ihrem Gemüsegarten baut sie unter anderem Sprossen an. „Dinge entstehen scheinbar wie von selbst, aber so ist es nicht. Man muss behutsam mit der Natur umgehen, dann belohnt sie dich auch“, sagt Kiki van Eijk, die auch Teppiche, Keramik, sowie Möbel entwirft und auf Kooperationen unter anderem mit Hermès und MOOOI zurückblickt.

Einmal im Jahr findet in Eindhoven die Dutch Design Week, das Klassentreffen der Kreativen, statt. 
Einmal im Jahr findet in Eindhoven die Dutch Design Week, das Klassentreffen der Kreativen, statt. 

Kiki & Joost haben das nächste Level erreicht, sie zählen in der immer wieder neue Kreative hervorbringenden Stadt inzwischen zu den etablierten Köpfen. Und natürlich wurden sie von Philips inspiriert. Auch heute noch sind viele Unternehmen in Eindhoven offen für gute Ideen. „Eindhoven ist ja eher hässlich. Wir hatten daher immer das Bedürfnis, daraus etwas zu machen – vielleicht ist es besser so, als wenn die Stadt schon zu schön ist, wie Utrecht oder Amsterdam“, sagt Kiki, die zum Beispiel gerne mit dem Textilmuseum in Tilburg zusammenarbeitet. „Und wenn es dann noch ein bisschen anarchistisch bleibt, kann die Kreativität frei fließen.“

Vorbild für den Designnachwuchs

Sein Wissen gibt das Designerpaar auch an Studierende der DAE weiter. „Thinking Hands“, „denkende Hände“, heißt das Labor, in dem sich der Nachwuchs verwirklichen darf. „Es geht um die Balance zwischen Machen und Denken, denn wir sehen, dass viele Schüler dazu neigen, zu viel nachzudenken und zu analysieren, sodass sie ihre Intuition vernachlässigen“, meint Kiki van Eijk. „Deshalb ermutigen wir sie, zu experimentieren.“

+++ Sie wollen keine Nachrichten mehr aus dem Nachbarland verpassen? Dann abonnieren Sie jetzt unseren kostenlosen Niederlande-Newsletter!+++

Im Januar 2025 findet bei Kiki & Joost in der Gabriël Metsulaan in Eindhoven wieder eine Werkschau für den Designer-Nachwuchs statt. Jeden Freitag ist das Haus zudem für die Öffentlichkeit geöffnet, dann können Interessierte einfach auf einen Kaffee vorbeikommen und sich die Arbeiten anschauen. Bei „Design open to“ präsentierten Anfang Dezember verschiedene Studios ihre Arbeiten der Öffentlichkeit. So bleibt die Szene in Eindhoven lebendig und inspiriert sich stets gegenseitig selbst. „Wir haben eine WhatsApp-Gruppe, in der sich etwa 40, 50 Studios austauschen. Manchmal veranstalten wir dann ein Event wie eben das ‘Design open to’ und laden unsere Kunden dazu ein.“

Der Blob (links) ist ein Markenzeichen in Eindhovens City. 
Der Blob (links) ist ein Markenzeichen in Eindhovens City.  © Rechtenvrij voor IN- en EXTERN gebruik | Willeke Machiels

Wo sich freie Geister entfalten können und ein dankbares Umfeld finden, entstehen immer neue Ideen. Kein Wunder, dass Eindhoven und Umgebung inzwischen zu den größten Wirtschaftszentren der Niederlande zählen. Neben den Ballungsräumen der Flughafen-Schiphol-Amsterdam-Region und des Großraumgebiets um den Hafen in Rotterdam gilt der Brainport Eindhoven als Innovationsregion, der bereits 2011 der Titel „intelligenteste Region der Welt” verliehen wurde. Aufgrund der schnell wachsenden Nachfrage insbesondere im Hightech-Sektor wächst die Wirtschaft in Eindhoven schneller als in anderen Großstädten der Niederlande. Brainport wird daher auch das niederländische „Silicon Valley” genannt.

Das ehemalige Philipsviertel im Strijp S in Eindhoven.
Das ehemalige Philipsviertel im Strijp S in Eindhoven. © Rechtenvrij voor alle in- en externe uitingen | Willeke Machiels

Brainport Eindhoven und Design District

Amsterdam hat den Airport (Schiphol), Rotterdam den Seaport an der Maas. Wie die beiden größten Städte der Niederlande hat auch Eindhoven einen Claim entwickelt, der den Hafen im Namen trägt: Brainport. Damit nimmt die Stadt in Brabant Bezug auf seine Ideenschmiede, die Design Academy Eindhoven (DAE), und die enorme Kreativität, die von der international gerühmten Hochschule ausgeht.

Auf dem Gelände der früheren Philipswerke am ikonischen Klokgebouw, Strijp S genannt, hat die Stadt jetzt eine neue Route eröffnet, die sich den Denkern und Erfindern widmet: den Eindhoven Design District. Ein etwa halbstündiger Spaziergang führt an sogenannten Markern vorbei, die mit jeweils einer Infotafel und einem QR-Code zum Scannen mit dem Smartphone ausgestattet sind.