Dortmund/Den Haag. Die Niederlande spielen in Dortmund um den Finaleinzug. Zehntausende Fans reisen an. Wie die Unterstützung Holland zum Pokal führen kann.
Die Niederländer schielen in die deutsche Hauptstadt. Berlin, Berlin, sie wollen nach Berlin - dorthin, wo am kommenden Sonntag das Finale der Fußball-Europameisterschaft ausgetragen wird. Das Land ist elektrisiert, überall an Maas und Waal herrscht EM-Euphorie. Die Unterstützung trägt das Team durch das Turnier: „Die Fans sind sehr wichtig für uns, nicht nur die im Stadion“, sagt Innenverteidiger Stefan de Vrij (32). „Wir sehen viele Bilder und Videos von den Fans in Holland.“
Der Weg aus dem Wolfsburger Fünf-Sterne-Teamquartier nach Berlin führt über Westfalen. Erst muss die Mannschaft am Mittwoch in Dortmund das Halbfinale gegen England gewinnen. Wird schon klappen, hoffen die Fans. Ihre Zuversicht stützt sich auf fünf Zahlen.
Holland bei der EM - was für den Titel spricht
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...Tore hat Flügelstürmer Cody Gakpo bislang erzielt - und damit beste Chancen, EM-Torschützenkönig zu werden. Ein Topknipser für den Titelgewinn. Zwar haben drei andere Spieler ebenfalls dreimal getroffen, nämlich Georges Mikautadze (Georgien), Ivan Schranz (Slowakei) und Jamal Musiala (Deutschland). Gakpos ärgste Konkurrenten sind jedoch bereits ausgeschieden.
Dass der 25-Jährige aus Eindhoven weiß, wo das Tor steht, hatte er bereits bei der Katar-WM 2022 unter Beweis gestellt. Damals traf er ebenfalls dreimal, ohne das Ausscheiden der Niederlande im Viertelfinale verhindern zu können. So wurde ein gewisser Jürgen Klopp (57) auf Gakpo aufmerksam und holte den 1,93 Meter großen Offensivmann Anfang 2023 von der PSV zum FC Liverpool. Trifft er auch gegen die Engländer, wäre Gakpo dort zwar unten durch, in seiner Heimat aber endgültig ein Held.
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...Mal erst haben die spielstarken Holländer einen großen Titel gewonnen. 1988 war das - bei der letzten deutschen Heim-EM. Offenbar trumpfen sie vor allem dann auf, wenn sie nicht weit anreisen müssen. Im Münchener Finale gegen die Sowjetunion (2:0) traf Weltklassestürmer Marco van Basten (59) mit einer traumhaften Bogenlampe. Damals als Spieler auf dem Platz: der heutige Nationaltrainer Ronald Koeman (61).
In seiner Heimat löste van Basten mit seinem magischen Treffer Begeisterungsstürme aus. In Amsterdam brachen nach dem Schlusspfiff alle Dämme. Als die Mannschaft Ende Juni bei der offiziellen Feier auf einem Boot durch die Grachten tuckerte, stand Holland Kopf, zahlreiche Schiffe wurden im Siegesrausch geschrottet. So soll es demnächst wieder abgehen. Nur die Bootsbesitzer sollten ihre Jollen vorher aus der Stadt schippern.
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...Oranje-Fans werden Schätzungen des Fußballverbandes KNVB zufolge zum Halbfinale ins Ruhrgebiet reisen. Mindestens. Sie wollen die Dortmunder Diaspora einen Tag lang zur Hollandmetropole machen. Nicht mal England wird so viele Unterstützer auftreiben. 75.000 Menschen, so viele Einwohner hat - zum Vergeleich - die gesamte Käsestadt Gouda.
Die wenigsten Besucher haben Stadionkarten, Zehntausende werden das Spiel lautstark auf Plätzen und in Kneipen verfolgen. Damit die Fanvolkwanderung nicht im Chaos endet, sei bereits am Samstag eine KNVB-Delegation nach Dortmund vorgefahren, um sich mit den deutschen Behörden und der Polizei zu beraten, meldet das „Algemeen Dagblad“ („AD“).
Bislang spielte die Elftal in Hamburg, Leipzig, Berlin und München, und schon dort jubelten Zigtausende Niederländer dem Team zu. Jetzt ist sie erstmals in Dortmund zu Gast, was viele Holländer in nur zwei Autostunden erreichen können. „75.000 Menschen ist eine konservative Schätzung“, schreibt ein „AD“-Leser in der Kommentarspalte. Er glaube, dass tatsächlich noch mehr kommen werden. Er selbst habe keine Eintrittskarte, fahre aber trotzdem mit vier anderen über die Grenze nach Duitsland - „wegen der Atmosphäre“.
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...Kilometer sind die orangefarbenen Fahnen und Planen lang, die seit Wochen den Marktweg in Den Haag schmücken. Die Straße ist eine der bekanntesten der Niederlande. Der Marktweg ist Seriensieger eines seit der EM 1988 ausgetragenen Wettbewerbs, bei dem die „mooiste Oranjestraat“ gekürt wird – die schönste orangefarbene Straße eines Landes, das sich hinter seiner Mannschaft versammelt.
Die Bewohner haben extra Urlaub genommen, um ihre Hausfassaden mit Girlanden und Flaggen zu behängen. Es werde jedes Jahr verrückter, berichtet Organisator Danny van Dijk. Sogar König Willem-Alexander (57) habe den Marktweg schon besucht. Die Anwohner hoffen, dass sie sich mit dem Abschmücken Zeit lassen können. Mindestens bis zum Sonntag.
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...Jahre ist der Oranje-Fanbus alt, der seit dem ersten Holland-Spiel bei dieser EM kreuz und quer durch Deutschland fährt. Immer dahin, wo die Mannschaft ist. Mit 80 Kilometern pro Stunde rollt er gemächlich über die Autobahnen, ist Blickfänger an jeder Tankstelle und hat es in sozialen Netzwerken zu Prominenz gebracht. Vor allem wegen der beeindruckenden Partybilder aus den EM-Städten: Der Bus fährt im Schrittempo vorneweg, dahinter marschieren Heerscharen von Fans und tanzen zum Stimmungshit „Links rechts“. Egal wie die EM-Reise für die Niederlande ausgeht, der Bus wird auch zum nächsten Kontinentalturnier in vier Jahren aus der Garage geholt.
Die erste Fahrt in Fanbusdekor führte 2004 zur Europameisterschaft nach Portugal. Mittlerweile ist er zum bevorzugten Transportmittel der Oranje-Hardcoreanhänger geworden. 34 Mitglieder zählt die Fangemeinschaft, die das Blechgefährt betreibt. Sie wollen, na klar, nach Berlin. Die Rückreise ins Nordseeland würde mit dem Oldtimer relativ lange dauern. Man darf davon ausgehen, dass sie die Fahrtzeit irgendwie überbrücken könnten.