Düsseldorf. Wüst ist als Chef der NRW-CDU so stark, wie es kaum jemand für möglich gehalten hätte. Doch seine Perspektive ist kompliziert.

Die eine Erkenntnis des CDU-Parteitags von Hürth ist offensichtlich: Hendrik Wüst ist angekommen im Amt des NRW-Ministerpräsidenten und in der Rolle der unumstrittenen Nummer eins der Christdemokraten an Rhein und Ruhr. Als parteiintern unbeliebte Verlegenheitslösung ist er vor zwei Jahren in desaströser Umfragelage gestartet. Weithin unbekannt, automatenhaft sprechend, Orientierung suchend. Nach einem fulminanten Landtagswahlsieg, einer steilen Lernkurve und geschickt lancierten Kanzlerkandidaten-Spekulationen führt plötzlich kein Weg mehr an ihm vorbei. Wüst hat sich zum mittigen, schwarz-grünen Gegenpol des kantigen Parteichefs Friedrich Merz aufgebaut.

Entweder Merz wird Kanzler oder Wüst muss ran

Damit geht jedoch eine zweite Erkenntnis einher: Der rasant im Kurs gestiegene Hoffnungswert Wüst braucht einen langfristigen Businessplan. Merz macht keinerlei Anstalten, ihm die Kanzlerkandidatur 2025 zu überlassen. In einem Machtkampf wird Wüst sie ihm kaum entwinden, denn der Wähler mag keinen Streit. Diese Lektion ist seit der Schlacht Laschet-Söder gelernt. Wird Merz 2025 Kanzler, kann Wüst nicht mehr permanent nach Berlin verweisen. Im Leitantrag zur Migrationspolitik von Hürth steht sage und schreibe neunmal „Die Bundesregierung muss…“ und einmal „Die Bundesregierung sollte…“ Verliert Merz indes gegen Scholz, müsste Wüst nach all seinem bundespolitischen Blinken fast zwangsläufig CDU-Chef werden. Wie diese Doppelbelastung Düsseldorf-Berlin einen zerreiben kann, hat Laschet leidvoll erfahren. Oder hat Wüst „noch Zeit“ und kann gut gelaunt in der regionalen Führungsreserve verharren, wie mancher meint? Nun, die Hinterbänke der Parlamente sind voll mit Talenten, die „Zeit“ hatten.