Wesel. Seit Jahren leidet Luna Mai (23) am Post-Vac-Syndrom. Weihnachten 2024 sieht sie endlich Fortschritte. Welche Therapie die Wende gebracht hat.

Luna Mai lächelt. Das hat sie vor einigen Wochen, in den letzten Monaten eher selten getan. Als diese schlimme Krankheit sie noch pausenlos packte. Nachts mit Herzrasen weckte, der Tag von Schwäche und Schlappheit gekennzeichnet war. Kaum zu denken war da an einen halbwegs normalen Alltag, an ein paar Stunden Lebensqualität am Stück. Die Erschöpfung war der ständige Begleiter. Doch jetzt, an Weihnachten, strahlt die 23-Jährige übers ganz Gesicht. „Es geht mir von Tag zu Tag besser“, sagt Luna Mai. „In kleinen Schritten, aber doch spürbar.“ Die junge Frau aus Wesel leidet seit knapp dreieinhalb Jahren an einem seltenen Mix aus Long Covid und Post-Vac. Mit Herzrasen, chronischer Müdigkeit, ständiger Erschöpfung, Schmerzen am ganzen Körper. Als wir sie Anfang des Jahres zu Hause besuchten, war Luna Mai noch von der Krankheit gezeichnet. Schwach, kraftlos, vielleicht auch ein wenig mutlos.

Ganz anders in diesen Tagen. Der Rollstuhl ist so gut wie Geschichte, der Rollator muss nur ab und an einspringen. „Mir geht es viel, viel besser.“ Seit etwa Mitte des Jahres geht es bergauf, seit Luna Mai eine Ärztin in Lübeck gefunden hat. Die mit einem etwas anderen Ansatz die Therapie angeht, neben der Schulmedizin auch auf homöopathische Behandlung setzt. Und den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Über einen jungen Mann, der ähnliche Symptome wie Luna Mai hatte und nun vollständig gesund ist, kam der Kontakt zustande. Die Ärztin versucht auch über eine Ernährungsanpassung die Symptome zu bekämpfen. „Sie hört einem zu, schenkt einem Glauben“, erzählt Luna Mai. Und ist rund um die Uhr ansprechbar. „Ein Glücksfall für mich.“

Fast 16.000 Euro an Spendengeldern

Weiterhin bezahlt die Krankenkasse so gut wie nichts, obwohl ein 141-seitiges Gutachten die Erkrankung bestätigt und auch Pflegegrad 2 vorliegt. Holger und Annette Mai haben für ihre Tochter inzwischen einen höheren fünfstelligen Betrag ausgegeben, die Medikamente kosten teilweise bis zu 500 Euro. Auch dank der Berichterstattung in der NRZ kamen über das Spenden-Portal „Gofundme“ bis heute fast 16.000 Euro zusammen - doch Geld für die Behandlung benötigt die Familie auch weiterhin. Denn Ende Januar steht beispielsweise der nächste Besuch bei der Ärztin in Lübeck auf dem Programm, mit mehreren Behandlungsterminen in zwei Wochen. Ganz nebenbei haben die Ärzte bei der Blutwäsche auch noch Symptome einer Borreliose festgestellt, die eine zusätzliche bakterielle Belastung darstellt.

Doch Luna Mais Lebensmut hat längst wieder Rückenwind bekommen. Im Oktober gab es die erste von fünf Infusionstherapien, im kommenden Jahr folgen weitere vier. Unter anderem steht eine Stammzellentherapie auf dem Programm, bei der Zellen aus einem Hirschgeweih entnommen werden. Die sollen für eine Zellregeneration besonders geeignet sein. Das Jahr 2024 hatte für Luna Mai zwei Teile, bis Juni war ihr Zustand nur wenig verändert, ab dem Sommer ging es aber stetig aufwärts. „Ich hatte mehr Energie, konnte deutlich mehr Schritte machen, habe auch mal eine Nacht durchgeschlafen“, erinnert sich Luna Mai. „Mein Körper hat versucht, wieder auf die Beine zu kommen - das habe ich gespürt.“

38 Medikamente pro Tag

Luna Mai kann jetzt schon wieder mit Hilfe des Rollators gehen.
Luna Mai kann jetzt schon wieder mit Hilfe des Rollators gehen. © FUNKE Foto Services | Erwin Pottgiesser

Gerade klingelt der Wecker im Handy. Zur Erinnerung an die nächste Medikamenteneinnahme. Etwa alle zwei Stunden ist es so weit, insgesamt 38 Medikamente muss Luna Mai über den Tag verteilt einnehmen. Für die Entgiftung. Mal in Tablettenform, mal als Mixgetränk. Nahrungsergänzungsmittel, Antibiotika, Betablocker, Histaminblocker. „Die halten mich auf dem Level, auf dem ich jetzt bin.“ Ihre Ernährung hat die 23-Jährige komplett auf Bioprodukte umgestellt. Doch der Anruf der Ärztin im Oktober, beim Essen mal wieder etwas ausprobieren zu dürfen, kam wie Weihnachten im Herbst daher. „Ich habe sogar einmal Pommes gegessen“, schmunzelt Luna Mai. Und für die geliebten Nudeln haben die Mais eine Variante entwickelt, packen ein Haferflocken-Gemisch in die Nudelmaschine. Irgendwie anders, aber Made by Mai.

An die Grenzen herantasten

Mit dem Auto ist Luna Mai auch schon wieder gefahren. Aber nur eine ganz kurze Strecke, weil sie die Anstrengung dann schnell belastet. Muskelschmerzen, Erschöpfung, Herzrasen - all das ist auch weiterhin Tagesgeschäft. „Ich kann nicht wie ein normaler Mensch durchs Leben gehen - manchmal fühlt es sich an, als hätte ich Watte und Wolken in meinem Kopf.“ Doch der Lebensmut ist in diesem Jahr kein Stück gewichen, ganz im Gegenteil. „Ich versuche mich jeden Tag ins Leben zurückzukämpfen. Aber ja, ich hatte auch mal echt Schiss um mein Leben. Das war jeden Tag ein Kampf ums Überleben.“ Deshalb ist die Devise nach wie vor: Langsam an die Grenze herantasten, aber keinesfalls darüber weg gehen. „Sie leidet doch sehr unter der Situation, lässt es sich aber nicht anmerken“, sagen Holger und Annette Mai.

Viele in der Post-Vac-Community, mit denen Luna Mai in Kontakt stand, ziehen sich inzwischen zurück, einige geben auch ein Stück weit die Hoffnung auf, dass die Politik in der nächsten Zeit hilft. Auch Luna Mai verlässt sich da lieber auf ihre Familie, auf ihre Eltern, Freund Tim, ihre Freundin Carina und auch die Großeltern. „Es war immer jemand an meiner Seite.“ Vor allem ihr Freund ist eine ganz große Stütze. „Das ist nicht selbstverständlich. Tim hat mich auch noch nicht oft ganz gesund erlebt.“ Das private Umfeld gibt Hoffnung, inzwischen hat Luna Mai auch ein Fernstudium in sozialer Arbeit aufgenommen. „Das tut mir gerade sehr gut, um mal was anderes zu sehen.“ Ihre Wünsche für 2025? „Ein Konzert von Ariana Grande, ein Restaurantbesuch und wieder Sport machen.“ Aber erst mal jede Menge Gesundheit. „Ich bin den vielen Spendern unfassbar dankbar“, sagt Luna Mai. „Sie haben mir viel Gesundheit geschenkt.“ Und auch dabei geholfen, „die vielen kleinen Dinge im Leben wertzuschätzen.“ Deshalb will sie jetzt auch ihr Wissen, ihre Erfahrung weitergeben, Hoffnung machen: Über www.gofundme.com kann man mit Luna Mai in Kontakt treten.

Vor einem Jahr an Heiligabend haben Luna Mai und ihre Eltern vor Glück geweint, als die erste Spende mit 500 Euro aufs Konto ging. Eine unbekannte Frau aus dem hohen Norden war die Absenderin. Heute nun werden die Mais vielleicht wieder ein paar Glückstränen verdrücken. Weil es Luna besser geht. Und sie schon längst wieder lachen kann.