Wesel. Die Stadt erwartet, dass die Einwohnerzahl von Wesel deutlich steigen wird. Welche Gründe das hat und warum es auch gegenläufige Prognosen gibt.

Wesel könnte in den nächsten 15 Jahren deutlich wachsen. Davon geht zumindest die Stadtverwaltung in ihrer aktuellen Bevölkerungsprognose aus, die kürzlich im ersten Sozialbericht veröffentlicht wurde. Laut den Berechnungen, die das Institut für Sozialplanung, Jugend- und Altenhilfe, Gesundheitsforschung und Statistik (SAGS) im Auftrag der Stadt angestellt hat, könnte die Anzahl der Einwohnerinnen und Einwohner im Jahr 2040 bei rund 71.000 liegen – derzeit wohnen in der Hansestadt nach den Zählungen der Verwaltung rund 63.500 Menschen.

Die Prognose steht im Widerspruch zu den Kalkulationen, die das Statistische Landesamt IT NRW aufgestellt hat. Demnach sinkt die Bevölkerungszahl von Wesel bis 2040 auf knapp unter 57.000. Die Landesstatistiker gehen bei ihrer Berechnung allerdings schon von einem niedrigeren Ausgangswert aus und beziffern die aktuelle Einwohnerzahl mit rund 60.300. Die Unterschiede bei der Ausgangszahl kommen durch die unterschiedlichen Verfahren zustande: Denn das Landesamt schreibt die Bevölkerungsentwicklungen anhand des Zensus fort, die Stadt nutzt die tatsächlichen Meldedaten und rechnet zudem die Menschen mit ein, die Wesel als ihren Zweitwohnsitz eingetragen haben.

Wesel ist attraktiv für junge Familien

Dass die Stadt in Zukunft von einer wachsenden Bevölkerung ausgeht, hat jedoch andere Gründe. „Wesel ist attraktiv für Familien“, sagt Sozialdezernent Rainer Benien im Gespräch mit der Redaktion. Das hat sich auch schon in den vergangenen Jahren gezeigt, denn unter anderem durch Zuzüge ist die Einwohnerzahl seit 2012 um mehr als 1200 Menschen gestiegen. Den größten Anteil daran hatten Familien mit Kindern.

Die Verwaltung erwartet derzeit, dass sich diese Entwicklung so fortsetzen wird und kalkuliert mit einem jährlichen Zuzug von 800 Personen nach Wesel. Kommt das so, würde mehr als ausgeglichen, dass weiterhin langfristig mehr Menschen sterben, als geboren werden. Was bei der Bevölkerungsentwicklungen außerdem eine wichtige Rolle spielt, sind globale Ereignisse wie der Bürgerkrieg in Syrien oder der russische Angriff auf die Ukraine. So stammten 2022 und 2023 die meisten Zugezogenen aus der Ukraine – 731 Menschen kamen aus dem Kriegsland nach Wesel.

Der erste Sozialbericht

Um zu analysieren, wie die Bevölkerung sich in den einzelnen Stadtteilen zusammensetzt, hat die Stadt Wesel erstmals den Sozialbericht erstellt. Der Bericht beleuchtet die Themenfelder Demografie, soziale Lage, Wohnen und Pflege. „Mit dem Sozialbericht liegt eine kleinräumige Datenbasis vor, die kommunale Fachplanungen und kommunalpolitische Entscheidungsprozesse unterstützt“, erläutert Sozialdezernent Rainer Benien.

Die Ergebnisse zeigen unter anderem, wie die Stadtgesellschaft sich entwickelt und wie die Sozialräume sich hinsichtlich ihrer Sozialstruktur unterscheiden. In den nächsten Wochen wird die Redaktion weitere Aspekte aus dem Sozialbericht in einzelnen Artikeln aufgreifen.

Laut Benien spricht für Wesel unter anderem der hohe Freizeitwert und die gute Anbindung. Auch der Trend zum Home-Office unterstütze seit den Corona-Jahren die Wanderung aus den Großstädten in eher ländlich geprägte Regionen wie den Niederrhein. Denn die Neu-Weselerinnen und Neu-Weseler kamen nicht nur aus der unmittelbaren Umgebung wie Hamminkeln, Dinslaken oder Rheinberg – sondern unter anderem auch als Duisburg, Essen, Oberhausen und Düsseldorf. Lediglich im Vergleich mit Bocholt und Xanten wies Wesel ein minimal negatives Wanderungssaldo auf, es zogen also mehr Menschen aus der Hansestadt in diese Städte als andersherum.

Stellt sich die Frage, wo diese Neubürgerinnen und Neubürger alle wohnen sollen – größere Wohngebiete sind ja zumindest derzeit in Wesel nicht in Bau. „Es wird in vielen Stadtteilen einen Generationenwechsel geben“, sagt Rainer Benien. Heißt: Ältere Menschen ziehen aus ihren großen Häusern aus oder versterben, junge Familien mit Kindern nutzen stattdessen den Wohnraum. Schon begonnen hat dieser Prozess in Flüren, erwartet wird er demnächst insbesondere in Blumenkamp und Wittenberg – dort ist der Altersdurchschnitt am höchsten.