Hünxe. Von der US-Westküste nach Hünxe: Wie ein Amerikaner den Wahlkampf wahrnimmt und wie das Leben im Ausland seine politischen Ansichten verändert.
In wenigen Tagen wählen die Amerikaner zum 60. Mal einen neuen Präsidenten – oder eine Präsidentin. Der Wahlkampf der Demokraten und Republikaner, mit ihren Kandidaten Kamala Harris und Donald Trump, sowie die Folgen des Wahlausganges beschäftigen die ganze Welt. Bis zum 5. November können amerikanische Bürger noch ihre Stimme abgeben, auch die, die im Ausland leben – davon 155 im Kreis Wesel.
Einer von ihnen ist Thai Nguyen. Der 37-Jährige wohnt mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen 5-jährigen Sohn in Hünxe. Bevor er 2018 der Liebe wegen nach Deutschland auswanderte, lebte er in Tacoma, Washington, 50 Kilometer südlich von Seattle an der US-Westküste. „Wir haben erst in Mainz gewohnt. Jetzt lebe ich seit vier Jahren in Hünxe und es ist meine Heimat geworden“, sagt Thai Nguyen. Auch wenn die Sprachbarriere es ihm manchmal erschwert, weil sein Deutsch noch ausbaufähig ist.
„ In Amerika ist der Wahlkampf für die meisten Menschen etwas Negatives“
Die diesjährige Wahl ist bereits die dritte, die er als im Ausland lebender Amerikaner miterlebt. „2016 als Trump und Hillary angetreten waren, wusste ich nicht, wie ich aus dem Ausland wählen kann. 2018 habe ich nach Wegen gesucht, um zu wählen, habe aber nur wenige Informationen dazu gefunden“, berichtet Thai Nguyen. Vor der aktuellen Wahl war er mit seiner Familie im Frankfurter Konsulat, um den amerikanischen Pass für ihren Sohn zu verlängern. Dabei fielen ihm die vielen Schilder auf, die Militärs und im Ausland lebende Amerikaner zum Wählen aufriefen. „Das hat mich sofort begeistert und ich habe mir die Informationen gleich aufgeschrieben“, erinnert er sich.
Wie US-Bürger im Ausland wählen können
Ihre Stimme können US-amerikanische Wähler per Post oder E-Mail abgeben. „Ich habe per E-Mail gestimmt, um sicherzugehen, dass der Wahlschein noch rechtzeitig eingeht“, erklärt er. „Dazu muss man eine Erklärung unterzeichnen und kann ein Foto des Wahlscheins verschicken.“ Schon am nächsten Tag erhielt er eine Bestätigung über den Eingang seines Wahlzettels und konnte den Status seiner Stimme verfolgen.
Das amerikanische Wahlsystem betrachtet der Wahl-Hünxer kritisch. „In den meisten Fällen zählt die Stimme für den Präsidenten wegen des Wahlsystems nicht. Bei der Wahl kommt es darauf an, für die Wahlleute zu stimmen. Denn sie wählen am Ende den Präsidenten.“ Nach dem Prinzip „Winner takes it all“ bekommt derjenige sämtliche Wahlleute zugesprochen, der die Mehrheit der Wählerstimmen in einem Bundesstaat erringt. Und so kann auch Präsident werden, wer nicht die absolute Mehrheit an Stimmen hat. So war es beispielsweise 2016 bei der Niederlage von Hillary Clinton gegen Donald Trump.
Hünxer über US-Wahl: „Es ist absurd, was veranstaltet wird“
Den Wahlkampf verfolgt Thai Nguyen durch die deutschen Nachrichten, Social Media, Online-Artikel und Talkshows wie die von Jimmy Kimmel oder Stephen Colbert. Nach seiner Wahrnehmung ist der Diskurs zu den US-Wahlen in Deutschland deutlich objektiver und weniger emotional. „Hier geht es mehr um Fakten und vor allem um die Folgen für Deutschland. In Amerika ist der Wahlkampf für die meisten Menschen etwas Negatives. Die Wahlen zerreißen Amerika.“ Die Menschen seien das Drama leid. Und dennoch lautet sein Appell an andere im Ausland lebende Amerikaner: „Es gibt einen Weg für Euch zu wählen. Es kommt auf alle Stimme an!“
„Ich bin eher Demokrat als Republikaner. Meine Ideale sind eher denen der Demokraten vereinbar. Auch wenn es einige Aspekte auf Seiten der Republikaner gibt, wie die Tatsache, dass sie sich stärker für die amerikanische Ökonomie einsetzen, die ich befürworte. Aber das darf nicht zulasten der Gesundheitsversorgung, der Umwelt oder Punkten wie dem Abtreibungsrecht fallen“, erklärt er seine eigene Einstellung zu den beiden großen politischen Richtungen.
Zu Hause wurde stundenlang über Politik debattiert
Und wie er gewählt hat? „Ich rede nicht viel über Politik, aber sie verbindet Menschen“, sagt er. Erst letzte Woche war er zu Besuch bei seiner Familie in den Staaten, wo eigentlich nie über politische Themen geredet wird. „Dieses Mal war das anders. Wir haben Stunden damit verbracht über Politik und über einen gewissen ehemaligen Präsidenten zu reden, der die Demokratie gefährdet. Daraus kann man glaube ich schließen, für wen ich gestimmt habe.“
Das deutsche Politik-System findet er gut, weil es nicht so polarisierend ist. Den amerikanischen Wahlkampf mit dem deutschen zu vergleichen, fällt allerdings schwer. „Die Wahlkampagnen gehen zurück auf das ‚Electoral College‘. Der Wahlkampf in den ‚Swing States‘ ist hart, weil sie die Stimmen brauchen. Das erklärt den Grund, aber es ist absurd, was veranstaltet wird.“ Im Ausland und speziell in Deutschland zu leben, habe seine politische Einstellung, wie er sagt, sehr verändert. „Ich meine nicht, dass ich die Partei gewechselt habe, aber ich informiere mich selbst viel besser über die Politik in meinem Land, seit ich hier lebe. Nach Hünxe zu ziehen, war ein Plus.“