Hamminkeln. Der geplante Bau einer Lidl-Filiale am Hamminkelner Rathaus stößt bei Anwohnern auf Unverständnis. Warum sie die Pläne kategorisch ablehnen.

Erst der Bau der neuen Grundschule, dann die angespannte Haushaltslage und nun der geplante Bau des Lidl-Discounters mitten im Ortskern: In Hamminkeln schlägt das nächste Thema meterhohe Wellen. Nach dem Vorstoß der Grünen, für die eine Ansiedlung des Discounters direkt neben dem Rathaus einer städtebaulichen Katastrophe gleich käme, hatten sich mehrere Leser bei der NRZ gemeldet, die ähnlich fassungslos über die Pläne waren. Am Mittwoch nun kamen zahlreiche Anwohner vornehmlich vom Hellefisch in die Sitzung des Umwelt-, Planungs- und Stadtentwicklungsausschusses, um eingangs in der Fragestunde ihrem Ärger Luft zu machen.

„Ein Armutszeugnis für die Stadt“ sei die Planung, erzürnte sich gleich der erste Anwohner. Ein Lidl-Markt mitten im Ortskern passe doch nicht zum dörflichen Charakter. „Soll Hamminkeln wirklich eine Einkaufsstadt werden?“, fragte er. Man habe doch keine Nahversorgungsproblematik. Zudem sei fraglich, woher die Kaufkraft kommen soll. „Man kann den zweiten doch nicht vor dem ersten Schritt machen.“ Er wolle zudem wissen, ob der Bürgermeister noch zu seinem Wort stehe, dass entlang des Hellefischs keine „Berliner Mauer“ entstehen würde. Zudem gäbe es doch sicherlich Alternativstandorte. Letztendlich vermute er, dass die Stadt „ihren klammen Haushalt durch Gewerbesteuer“ verbessern möchte.

Bürgermeister Bernd Romanski entgegnete, dass die Stadt hier nicht von Steuereinnahmen profitiere. Außerdem gäbe es bereits Gutachten zur Kaufkraft und Nahversorgung, die eben durchaus einen Bedarf festgestellt hätten. In der Tat gäbe es Alternativstandorte, die aber derzeit nicht realisierbar seien. Eine Mutter stellte im Anschluss die Frage, ob durch das erhöhte Verkehrsaufkommen der Schulweg ihres Kindes überhaupt gesichert werden könne. „Wie kommen die Kinder zur Schule – bei 97 Stellplätzen und zwei Zufahrten?“ Welche verkehrsregulierenden Maßnahmen seien geplant, um den Verkehrskollaps zu verhindern, fragte sie weiter. Auch die Frage nach der Entwässerung bei einer derart versiegelten Fläche stelle sich. Mit der Lidl-Ansiedlung werte man den Ortskern ab, anstatt die Attraktivität der Stadt zu steigern.

Anwohner vom Hellefisch ist erschrocken über die Planung

Natürlich, so der Bürgermeister, müsse man beim Verkehrskonzept darauf achten, „die Blumenkamper Straße nicht noch weiter zu überlasten.“ Und für den Klimaschutz müsse man ohnehin künftig jedes Gebäude hinterfragen. Die Attraktivität der Stadt würde, wie Romanski findet, durch die Raiffeisenstraße sehr wohl aufgewertet. „Erschrocken“ von den Plänen zeigte sich ein weiterer Anwohner vom Hellefisch, besonders auch von der „katastrophalen Verkehrsführung“ in dem Bereich. „Der Verkehr wird dann aus verschiedenen Richtungen kommen.“ Er wünsche sich deshalb eine Anliegerversammlung, um in den Dialog mit der Verwaltung zu gehen. „Wie wichtig ist Ihnen der Charakter Hamminkelns“, fragte der Familienvater den Bürgermeister. Wenn er aus seinem Fenster gucke, sähe er Kühe, Wiesen und Obstbäume – im Falle des Discounter-Baus dann nur noch eine meterlange Mauer.

Bürgermeister Romanski sagte eine Anliegerversammlung zu, sofern die Planung beschlossen werde. Die Verwaltung habe auch andere Standorte geprüft. Doch in Corona-Zeiten habe sich gezeigt, dass es durchaus positiv sei, die Nahversorgung im Ortskern zu haben. Beim Discounter auf der grünen Wiese werde der Verkehr nur nach außen verlagert. Diese Alternative stufte auch Stadtplaner Henning Schmidt aus Essen, der das Projekt mit dem Hamminkelner Bauingenieur Christian Eiting vorstellte, als ungeeignet ein. Bevor man auf die grüne Wiese gehe, müsse man erst die Innenentwicklung vorantreiben. Wenn man über Klimaschutz, mehr Radfahren und ÖPNV statt Autoverkehr in der Stadt spreche, müsse man auch zentral bleiben, „eine Stadt der kurzen Wege“ ermöglichen.

Das Gebäude sei mit einer Höhe von 6,50 Meter geplant, zum Hellefisch hin betrage die Höhe 5,10 Meter. „Es wird keine Berliner Mauer entstehen“, so Schmidt weiter, die Außenfläche werde begrünt, zudem gebe es weiter Eingrünungsmaßnahmen. „Und momentan ist es eine Projektidee, das Planverfahren noch ganz am Anfang.“ Zahlreiche Gutachten, Abwägungen und auch archäologische Untersuchungen aufgrund eines vermuteten Bodendenkmals ständen noch im Raum. Bernhard Boland (CDU) brachte noch einmal das Thema Verkehr zur Sprache, den man im Zusammenhang mit dem Neubau der Grundschule betrachten müsse. Bürgermeister Romanski sicherte zu, die beiden jeweiligen Verkehrsgutachten zur Grundschule und zur Lidl-Ansiedlung zumindest zeitgleich anzugehen.

Ausschussvorsitzender Johannes Flaswinkel machte den Vorschlag, das Verkehrsaufkommen erst einmal separat zu betrachten und dann erst über das Vorhaben zu entscheiden. Bernhard Boland fragte nach dem Verkehrsgutachten, das die Verwaltung vor drei Jahren in Auftrag gegeben hatte. Das sei noch nicht in Angriff genommen worden, antwortete Manfred Boshuven, Leiter des Planungsamtes. „Warum nicht?“, hakte Boland nach. Bürgermeister Romanski räumte ein, es sei während Corona „ins Hintertreffen geraten“, werde aber jetzt im Zuge des Schulneubaus angeschoben. Letztendlich stimmte der Ausschuss bei einer Gegenstimme dafür, erst das Verkehrsgutachten in Auftrag zu geben und darauf basierend zu entscheiden – pro oder contra Discounter.