Wesel. Es gibt neue Pläne fürs Lutherhaus. Die evangelische Gemeinde will es nun doch nicht verkaufen, sondern plant neue Nutzung.

Nach langem Hin und Her um die Zukunft des Lutherhauses scheint diese nun geklärt: Die einstige Kirche aus dem 18. Jahrhundert, die in den 1970er-Jahren um einen zweckmäßigen, jedoch wenig charmanten Anbau erweitert wurde, bleibt im Besitz der evangelischen Kirchengemeinde. Sie plant gemeinsam mit der Stadt Wesel im historischen Teil des Lutherhauses Teile ihres benachbarten Familienzentrums an der Beguinenstraße unterzubringen, das in diesem Atemzug eine Erweiterung erfährt. Der 70er-Jahre-Anbau, zu dem auch eine Tiefgarage gehört, soll dafür weichen. Statt seiner ist ein großzügiges Außengelände für die Kita-Kinder angedacht.

Schon länger hatte die Gemeinde überlegt, sich von dem sanierungsbedürftigen Verwaltungsanbau zu trennen, 2020 hieß es schließlich, man wolle den gesamten Komplex veräußern. 2021 gingen schließlich Vorschläge potenzieller Investoren ein, doch danach wurde es still um die Nachnutzung, die – so hatte es die Gemeinde seinerzeit formuliert – „mit den Grundsätzen der Evangelischen Kirche vereinbar“ sein sollte.

Win-Win-Situation für Gemeinde, Stadt und Bürgerschaft

„Alle diese Pläne haben sich als nicht ganz tragfähig herausgestellt“, erklärte Pfarrer Thomas Bergfeld bei der Vorstellung der neuen Idee. Danach habe sich die Gemeinde mit der Stadt zusammengetan und nun sei die Lösung gefunden worden, „über deren Realisierung alle Beteiligten sehr froh wären.“ Dem stimmten Bürgermeisterin Ulrike Westkamp und der Beigeordnete Rainer Benien ausdrücklich zu, letzterer regelrecht euphorisch: „Bei dem Projekt gibt‘s nur Gewinner!“

Bei den Umbauplänen würden alle Beteiligten gewinnen, findet Rainer Benien (l.), mit ihm freuen sich (v.l.n.r.): Bürgermeisterin Ulrike Westkamp, Architekt Fred-Jürgen Störmer, Marion Barche (Leiterin Familienzentrum am Lutherhaus), Pfarrer Thomas Bergfeld und Kirchmeister Reiner Weyer. Im Hintergrund ist die Optik nach dem Umbau zu erahnen.
Bei den Umbauplänen würden alle Beteiligten gewinnen, findet Rainer Benien (l.), mit ihm freuen sich (v.l.n.r.): Bürgermeisterin Ulrike Westkamp, Architekt Fred-Jürgen Störmer, Marion Barche (Leiterin Familienzentrum am Lutherhaus), Pfarrer Thomas Bergfeld und Kirchmeister Reiner Weyer. Im Hintergrund ist die Optik nach dem Umbau zu erahnen. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Denn in der Innenstadt fehlt es an Kita-Plätzen, durch die Erweiterung des Familienzentrums würden 40 neue entstehen, davon 6 U3-Plätze. Dafür gibt es Fördermittel des Landes, die die Stadt für den Umbau an die Gemeinde weiterleiten würde. Rund 1,3 Millionen Euro sind das und damit mehr als die Hälfte der benötigten rund 2,3 Millionen. Die übrigen Kosten wollen Stadt und Gemeinde sich teilen, die Stadt mit einem „höheren sechsstelligen“ Betrag, die Gemeinde mit einem niedrigeren, ebenfalls sechsstelligen Betrag.

Somit kann die Kirchengemeinde das historische Gebäude behalten und die Stadt kommt durch den Umbau günstiger an Kita-Plätze, als es mit einem Neubau möglich gewesen wäre. Darüber hinaus hätte auch die Stadtgesellschaft etwas davon: Der Luthersaal kann außerhalb der Kita-Zeiten wieder als Veranstaltungsort genutzt werden. Er soll im Prinzip bleiben, wie er ist, lediglich in Sachen energetische Sanierung sind hier Veränderungen geplant: Die Decke soll gedämmt und der Raum mit einer Fußbodenheizung ausgestattet werden.

Neue Räume für das Familienzentrum am Lutherhaus

Künftig soll er dann während der Kita-Zeit multifunktionell genutzt werden: als Mensa, aber auch als Raum für Bewegung sowie für Theater, Rollenspiele und die musische Erziehung. Ebenfalls weitgehend unverändert bleiben der Eingangsbereich sowie das zum Luthersaal führende angrenzende Treppenhaus samt Aufzug, letzterer käme zum Beispiel Kindern im Rollstuhl zugute. Im Erdgeschoss sind außerdem zwei neue Gruppenräume (65-77 Quadratmeter) angedacht, jeweils mit einem Nebenraum (29-30 Quadratmeter), hinzu kommt ein Medienraum.

Ebenfalls zur Planung gehört ein schmaler Anbau zwischen dem Eingangsbereich und dem zukünftigen Außengelände. Dieser soll im Erdgeschoss wie eine Schleuse in den besagten Außenbereich führen, dazu soll er zwei Therapieräume beherbergen und im Obergeschoss nebst eines Personalraums auch eine 50 Quadratmeter große Küche bekommen. Über letztere freut sich vor allem die Leiterin des Familienzentrums, Marion Barche. Denn bislang bekommt die Kita die Mahlzeiten geliefert, durch eine Küche im Haus könnten die Kinder jedoch viel besser erleben, dass und wie Essen zubereitet wird. Ein Balkon im Obergeschoss in Richtung Außenbereich rundet den ansonsten eher bescheidenen Anbau ab, er könnte wie eine Art Freilichtbühne verwendet werden.

Der besagte Anbau soll ein begrüntes Flachdach bekommen, das zusätzlich mit einer PV-Anlage ausgerüstet werden könnte. Das wird mittelfristig sicherlich ebenfalls relevant, denn auch die Gebäude in Kirchenbesitz sollen bis 2035 klimaneutral werden, wie Pfarrer Thomas Bergfeld erläuterte.

So geht es weiter am Lutherhaus

Bis die Umbaupläne am Lutherhaus realisiert werden können, gilt es diverse bürokratische Hürden zu überwinden, optimistisch gerechnet könnte der Umbau frühestens Mitte 2025 beginnen. Noch nicht in die Umbau-Pläne eingepreist wurde die Sanierung der Kuppel des Lutherhauses. Diese war 2020 mit rund 300.000 Euro geschätzt worden und liegt in der Verantwortung der Kirchengemeinde. Damit soll es auch schon dieses Jahr losgehen, und zwar am 26. August. Bis Ende des Jahres soll sie abgeschlossen sein.

Die Kuppelsanierung ist absichtlich auf dieses Datum gelegt worden, denn einen Tag zuvor feiert das Familienzentrum sein 70-jähriges Bestehen als großes Quartiersfest. Es handelt sich somit um eine der ältesten Kitas der Stadt, zu den berühmtesten Absolventen gehört der Ex-Tagesschausprecher Jan Hofer.

Da die Gemeinde das Lutherhaus nun doch behält, wird auch der Luthersaal wieder für Veranstaltungen genutzt. Noch in diesem Jahr seien hier mehrere Konzertveranstaltungen und ein musikalischer Kabarett-Abend geplant, so Thomas Bergfeld, außerdem ein Chor-Jubiläum und eine Senioren-Adventsfeier.

Noch sind Einrichtungen des Kirchenkreises bzw. der Diakonie im Lutherhaus-Komplex untergebracht. Diese werden in den kommenden Monaten umziehen, erklärte Bergfeld. Sie hatten bereits längere Zeit nach neuen Räumlichkeiten gesucht und sind auch fündig geworden.