Wesel. Edeka Lurvink in Wesel greift zu einer drastischen Maßnahme: An der Kasse werden größere Beutel und Rucksäcke kontrolliert. Die Hintergründe.

Es ist Donnerstagmittag, im Esplanade-Center an der Weseler Kreuzstraße herrscht viel Betrieb: Schülerinnen und Schüler sind hier, genauso Senioren oder Angestellte, die die Mittagspause für einen schnellen Einkauf nutzen. Das Personal an der Kasse von Edeka Lurvink ist also gut beschäftigt – seit einigen Tagen gehört neben dem Bezahlvorgang für die Kassiererinnen und Kassierer eine neue Aufgabe zur Routine: Sie werfen vor oder nach dem Kassieren einen Blick in beinahe jede größere Tasche oder Rucksack, den die Kundschaft dabei hat. Der Supermarkt hat diese Kontrollen eingeführt, um die Zahl der Ladendiebstähle zu verringern.

Am Eingang und im Kassenbereich weist Edeka auf die neue Maßnahme hin. Auf einem Schreiben heißt es dort: „Liebe Kunden! Um ‚Missverständnisse‘ an den Kassen zu vermeiden, bitten wir Sie unaufgefordert an den Kassen ihre privat mitgebrachten Taschen, Beutel, Rucksäcke etc. vorzuzeigen. Andernfalls bitten wir Sie, diese vor Ihrem Einkauf an den Kassen abzustellen.“

Marktleiter Benny Lurvink wollte sich gegenüber der Redaktion nicht offiziell zur Einführung der Kontrollen äußern. Nach NRZ-Informationen kämpft das Geschäft jedoch seit einigen Monaten damit, dass immer mehr Waren gestohlen werden. Künftig sollen zudem Schließfächer aufgestellt werden, damit Kundinnen und Kunden ihre größeren Taschen oder Rucksäcke dort sicher verstauen können. Nicht betroffen von den Kontrollen sollen kleinere Handtaschen sein.

Taschenkontrollen bei Edeka in Wesel: So laufen sie ab

Das bestätigen am Donnerstag auch die Beobachtungen der Redaktion, im Fokus des Kassenpersonals stehen vor allem größere Einkaufsbeutel oder Rucksäcke. Viele Kunden zeigen ihre Tasche unaufgefordert vor, andere nach Aufforderung. Alle sind einsichtig. Zu Konflikten oder Diskussionen kommt es in diesem kurzen Zeitraum wegen der Maßnahme nicht.

Bei den Ladendiebstählen gibt es tatsächlich eine steigende Tendenz in den vergangenen Jahren – allerdings nur auf den ersten Blick. Wie aus der Kriminalstatistik der Kreispolizeibehörde hervorgeht, gab es 2023 insgesamt 1338 Mal den Verdacht auf einen Ladendiebstahl. Im Jahr davor wurden 1169 Fälle angezeigt, 2021 sogar nur 902. Diese Zahlen sind aber durch die Corona-Pandemie verfälscht, schließlich hatten viele Läden zeitweise geschlossen, die Menschen haben mehr im Internet bestellt. Blickt man auf die Jahre 2015 (1769 Fälle) und 2016 (1639 Fälle), dann liegen die aktuellen Zahlen noch deutlich darunter. Jedoch gab es schon bis 2019 eine sinkende Tendenz – so wurden im Jahr vor der Pandemie kreisweit 1164 Ladendiebstähle anzeigt.

Zahl der Taschendiebstähle im Kreis Wesel gestiegen

Für das Esplanade-Center, in dem neben Edeka auch Aldi und Kik angesiedelt sind, kann die Kreispolizei in den vergangenen Wochen und Monaten keinen sprunghaften Anstieg feststellen. „Wir befinden uns in einem normalen Maß, aber für den Ladenbesitzer ist natürlich jeder Diebstahl ärgerlich“, sagt Polizeisprecher Björn Haubrok. Klar sei: Überall dort, wo es viele Geschäfte und viel Laufkundschaft gebe, passierten mehr Ladendiebstähle. Ein Supermarkt in Innenstadtlage wird also immer öfter von Dieben aufgesucht werden, als ein Lebensmittelgeschäft am Dorfrand.

Dieser Zettel hängt bei Edeka Lurvink in Wesel unter anderem am Eingang.
Dieser Zettel hängt bei Edeka Lurvink in Wesel unter anderem am Eingang. © NRZ | RKU

Laut Haubrok geht es bei den Diebstählen an der Kreuzstraße meistens um Waren, die weniger als 50 Euro wert sind: Verpackte Lebensmittel, Alkohol, manchmal auch Wurst oder Käse. Das spricht dafür, dass es sich in den meisten Fällen eher um Gelegenheitsdiebe als um professionell agierende Banden handelt. Zu den Tätern gehören nach Angaben des Polizeisprechers oft Jugendliche, die vielleicht eine Mutprobe bestehen wollten, oder um Menschen ohne festen Wohnsitz. Was am Monatsende häufiger vorkomme: Ältere Menschen, deren Rente nicht mehr reicht, und die in ihrer persönlichen Not eine Tafel Schokolade mitgehen lassen.

„„Wir befinden uns in einem normalen Maß, aber für den Ladenbesitzer ist natürlich jeder Diebstahl ärgerlich““

Björn Haubrok
Polizeisprecher

Nicht nur Lurvink kämpft in Wesel mit der Diebstahl-Problematik. Sven Komp, der die Edeka-Märkte in Obrighoven und Lackhausen betreibt, setzt deswegen seit kurzem auf eine ähnliche Maßnahme – sie gilt aber nur im Getränkemarkt. Dort werden Schließfächer aufgestellt, Kunden sollen dann größere Taschen und Rucksäcke vor dem Einkauf deponieren. „Wir haben massive Diebstähle von hochwertigen Spirituosen erlebt“, erklärt Komp den Grund für diese Entscheidung. Aus seiner Sicht handelt es sich bei den Tätern vor allem um professionelle Diebesbanden, die gezielt nach teuren Schnapsflaschen greifen, um sie woanders weiterzuverkaufen. „Das trifft dann leider auch die ehrliche Kundschaft“, bedauert Komp. In seinen Supermärkten seien keine Taschenkontrollen geplant.