Kreis Wesel/Kreis Kleve/Duisburg. Die Sorgen sind groß: Wie lassen sich genug Arbeitskräfte für den Niederrhein gewinnen? Darüber sprachen Vertreter aus Politik und Wirtschaft.

Ihr Vater hat sie mit seinem Beruf inspiriert, den Wunsch hegt sie also schon lange: „Schon als Kind wollte ich Bäckerin werden, es hat sich so angefühlt, als wäre ich in den Beruf hineingeboren worden“, sagt Janine Markett, Auszubildende der Bäckerei Gerads im Kreis Kleve. Nicht jeder junge Mensch findet so einfach seinen Weg in die Berufswelt. Die Wünsche und Erwartungen, welche die 19-Jährige sowie zwei weitere Auszubildende aus der Region beim Fachkräfte-Kongress in Moers formulieren, werden sich aber mit denen weiterer junger Menschen aus ihrer Generation decken: Sie wollen ihre Ausbildung mitgestalten, wünschen sich Unterstützung und Flexibilität, wollen Perspektiven und Weiterbildungsmöglichkeiten aufgezeigt bekommen.

IHK-Präsident am Niederrhein sorgt sich um Wettbewerbsfähigkeit

Die Ausgangslage ist bekannt: „Es gibt den großen Wandel hin zum Arbeitnehmermarkt“, sagt Lukas Hähnel, Leiter der EntwicklungsAgentur Wirtschaft (EAW) im Kreis Wesel. Unternehmen müssten sich also mit den Bedürfnissen der jungen Menschen auseinandersetzen, um sie für sich gewinnen zu wollen. „Arbeitskräfte sind nicht erst in Zukunft Mangelware – ohne sie wird es nicht gehen.“ Man müsse nur die Statistik lesen, es sei keine Überraschung, warum man nun hier stehe. Wo man genau steht, das macht auch kurz zuvor Werner Schaurte-Küppers, Präsident der Niederrheinischen IHK, deutlich: „In Duisburg und am Niederrhein fehlen bis 2030 rund 40.000 Arbeitskräfte.“ Er sorgt sich um die Wettbewerbsfähigkeit der Region.

Deutlich werde der Mangel bereits sehr stark in den Branchen Pflege und Gastronomie, so Schaurte-Küppers. Christoph Gerwers, Landrat des Kreises Kleve, ergänzt den Sektor Landwirtschaft. Und Oberbürgermeister Sören Link denkt an Erzieherinnen und Erzieher, Lehrkräfte sowie Ingenieure bei den Kommunen: „Der öffentliche Dienst macht mir ernsthaft Sorgen“, woanders könnte mehr Gehalt oder eine zusätzliche Leistungen gezahlt werden.

Anerkennung von Berufsabschlüssen dauert zu lange

Beim Fachkräftemangel ebenfalls immer ein Thema: die Integration ausländischer Arbeitskräfte. „Wir brauchen eine Willkommenskultur“, so Schaurte-Küppers. Deutlich wird vor allem: Die Anerkennung von Berufsabschlüssen dauert zu lange. Behörden sind gefordert. Doch genau die seien derzeit sehr stark belastet, wie auch Landrat Ingo Brohl aus dem Kreis Wesel betont. Noch immer müsse alles in die deutsche Sprache übersetzt werden, doch möglich müsse das auch auf Englisch sein, „auch das gehört zu einem modernen Land dazu“, so Arbeitsminister Karl-Josef Laumann, der Moers und den Niederrhein an diesem Tag zum Auftakt seiner landesweiten Tour im Rahmen der Fachkräfteoffensive NRW besucht. Die Landesregierung will darin ihre Maßnahmen zur Fachkräftesicherung bündeln, Akteure des Arbeitsmarkts einbinden. Was daraus entstehen wird, bleibt noch abzuwarten.

„Wir können es uns nicht mehr leisten, dass jemand außen vor bleibt“, sagt Arbeitsminister Karl-Josef Laumann.
„Wir können es uns nicht mehr leisten, dass jemand außen vor bleibt“, sagt Arbeitsminister Karl-Josef Laumann. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Ein besonderes Augenmerk liegt auf der dualen Ausbildung. Der Minister führt den Ausbildungsrückgang von 14 Prozent in der Region an. Ja, sechs Prozent weniger Kinder hätten die Schule abgeschlossen, aber das allein erkläre das Minus nicht, die Lehrstellen seien da, so der Minister. „Wir können es uns nicht mehr leisten, dass jemand außen vor bleibt“, etwa bei nicht so perfekter Laufbahn. „Berufe müssen zu Menschen passen, sonst werden sie nicht glücklich“, betont Laumann. Es sei wichtig, den jungen Menschen zu helfen, zu einer Entscheidung zu kommen. Der Arbeitsminister spielt insbesondere auf 3000 junge Menschen, die sich am Niederrhein noch in einem Übergangssystem befinden, darin verblieben sie noch zu lange. Die Zahl sei nicht erschreckend hoch, „das kann man händeln“. Für das kommende Jahr solle die gesetzliche Grundlage geschaffen werden, dass die Behörden Auskunft darüber erhalten können, wer die Schule ohne Perspektive verlasse.

Große Herausforderungen für die kleinen Betriebe am Niederrhein

„Inzwischen bewirbt sich der Betrieb bei den Jugendlichen“, weiß Barbara Ossyra, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit im Kreis Wesel und Kleve. Eine Herausforderung, die sie hier beim Thema Recruiting sieht? „Die Beratung und Unterstützung für die kleinen Betriebe.“ Große Unternehmen haben da andere Ressourcen – das sieht auch EAW-Leiter Hähnel. Und auch Janine Markett weiß um die Schwierigkeit der flexibleren Arbeitszeiten etwa in kleinen Bäckereien. Etwas, das ihr an ihrer Tätigkeit so gut gefällt: Ein Ergebnis am Ende des Arbeitstages zu sehen, „ist so schön“. Am besten werben diejenigen für einen Beruf, die ihn ausüben.