Wesel. Die Rückkehr zum Abi nach neun Jahren hat ab Sommer Auswirkungen auf die Oberstufe. Die Umstellung hat auch Folgen für Schülerinnen und Schüler.

2005 sorgte in Nordrhein-Westfalen die Einführung des Turbo-Abi für viel Aufregung: An den Gymnasien wurde die Schulzeit von neun (G 9) auf acht Jahre (G 8) verkürzt. Aktuell wird die Rolle rückwärts umgesetzt, die Gymnasium kehren zu G 9 zurück. Nach den Sommerferien hat das handfeste Auswirkungen auf die Oberstufe – zumindest für diejenigen, die die Klasse zehn wiederholen. In diesem Fall müssen die Jugendlichen die Schule wechseln. Eine weitere Folge: Im Jahr 2026 wird es keinen Abiturjahrgang an den Weseler Gymnasien geben.

Auch wenn die Umstellung einige Probleme aufwirft, sorgt sie nicht für so viel Wirbel wie einst der Wechsel zum Turbo-Abi. „G 9 ist für die Gymnasien besser“, sagt AVG-Schulleiter Sebastian Hense. „Daher fällt der Schritt etwas leichter.“ Ähnlich sieht das seine Kollegin vom Konrad-Duden-Gymnasium, Karen Schneider: „Wir empfinden das als Gewinn.“ Schließlich haben die Gymnasiasten nun wieder ein Jahr mehr Zeit.

Dennoch gilt es einige kniffelige Fragen zu klären. Zunächst für diejenigen, die im Jahrgang zehn eine „Ehrenrunde“ drehen. Bisher war Klasse zehn als EF (Einführungsphase) schon Teil der Oberstufe. Nach dem Sommerferien kommt der erste G9-Jahrgang in die Zehnte, die dann aber zur Mittelstufe gehört. Dorthin können Wiederholer also nicht. Für sie, erklärt Sebastian Hense, richtet die Bezirksregierung daher so genannte Bündelungsgymnasien ein, die eine EF in Stufe zehn anbieten.

G 9-Rückkehr in Wesel: Diese Möglichkeiten haben Wiederholer

Davon wird es nur wenige geben, die nächsten sind in Xanten oder Bocholt geplant. Wer eine ortsnahe Alternative sucht, kann in die EF einer Gesamtschule oder an ein Berufskolleg wechseln. Eine komplizierter Nebeneffekt der Umstellung. Wegen des Wechsels zu G9 können die Gymnasien im kommenden Schuljahr übrigens auch keine Jugendlichen aufnehmen, die nach der Realschule das Abitur anstreben.

Neun statt acht Jahrgänge an den Gymnasien bedeutet auch, dass der Bedarf an Personal und Räumen steigt. Für die Gebäude ist die Stadt zuständig. Im Schulbauprogramm ist der zusätzliche Jahrgang an AVG und KDG bereits eingeplant – allerdings verzögert sich das gesamte Weseler Sanierungsprogramm wie berichtet um einige Jahre. Laut Schuldezernent Rainer Benien wird der Ausbau und die Sanierung der Gymnasien ab 2026 geplant und ab 2028 umgesetzt. Die Stadt muss also provisorische Lösungen finden, um einen zusätzlichen Jahrgang unterbringen zu können. Das werden mobile Räume sein, entweder aus Holz oder klassische Metallcontainer, so Benien. „Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht.“

Das sagen Weseler Schulleiter zur Rückkehr zur G 9

AVG-Leiter Sebastian Hense ist trotz allem froh, dass seine Schüler wieder ein Jahr mehr Zeit zum Lernen haben. „Es gibt aber keine Rückkehr zum alten G 9“, betont er. Das heißt: Der Nachmittagsunterricht bleibt, wenn auch nicht mehr im früheren Umfang. Denn auch die Lehrpläne haben sich verändert. So gibt es mehr Stunden in den Hauptfächern, auch Informatik für die 5er und 6er ist neu. „Man kann mache Themen tiefer behandeln“, so Hense. „Ich finde es gut, es entspannt die Lage für die Schüler.“

Positiv bewertet auch Karen Schneider, Leiterin des Konrad-Duden-Gymnasium, das neunjährige Gymnasium. Obwohl das KDG eine Ganztagsschule ist, können zumindest die 5er und 6er – wenn sie es wünschen – etwas früher nach Hause gehen als zu Zeiten von G8: Der obligatorische Unterricht endet an Langtagen um 15 Uhr statt wie früher um 15.40 Uhr. Freiwillige Angebote können aber weiter genutzt werden. Ein Jahr mehr Zeit bietet aus Schneiders Sicht nur Vorteile. So finden wieder Angebote Platz, die zu G8-Zeiten nicht mehr ins Programm passten: Arbeitsgemeinschaften in der Mittelstufe zum Beispiel oder Informatik für die Klassen sieben und acht. Auch was den zusätzlichen Raumbedarf angeht, ist die Schulleiterin zuversichtlich. Denn das KDG kann Räume der benachbarten Realschule nutzen, sobald dort der geplante neue Anbau fertig ist.

Hintergrund: Rückkehr zu G 9 verändert die Oberstufe

Der Umstellung auf G 9 am Gymnasien bringt mit sich, dass in den kommenden Jahren bis 2025/26 je ein Oberstufenjahrgang ausfällt. Denn die Oberstufe besteht aus den drei Jahrgängen EF (Einführungsphase), Q 1 und Q 2. Im G8-Bildungsgang verteilen sie sich auf die Klassen 10, 11 und 12. Im G 9-Bildungsgang rückt die Oberstufe in die Klassen 11, 12 und 13. Eine EF gibt es im Schuljahr 2023/24 also nicht, weil die Klasse 10 nach G 9 noch zur Mittelstufe gehört und die Klasse 11 (letzter G8-Jahrgang) schon zur Q1, also dem zweiten Jahr der Oberstufe. Das Phänomen verschiebt sich in den beiden darauffolgenden Jahren nach hinten – was bedeutet, dass es 2026 keine Abiturienten an den beiden Gymnasien gibt. 2027 baut dann der erste G 9-Jahrgang das Abi – nach 13 Jahren Schulzeit.