Wesel. Eine Kopie des Bildes von Künstler Derick Baegert von 1494 wird jetzt in Kitas, Schulen und Seniorenheimen gezeigt und fachkundig erklärt.
Ein knappes Dutzend Seniorinnen und Senioren haben sich angemeldet. Sie interessieren sich für ein Angebot, mit dem das Städtische Museum gerade für Furore sorgt. Die Idee dazu hatte vor einiger Zeit Sarah Heidebroeck, die Kulturbeauftragte der Stadt Wesel. Die Kunsthistorikerin machte sich Gedanken darüber, warum das berühmte Gemälde „Die Eidesleistung“ des Weseler Künstlers Derick Baegert brav gesichert und klimatisiert im Städtischen Museum ein etwas tristes Dasein führt.
„Wenn der Berg nicht zum Propheten kommen will, muss der Prophet zu Berg gehen“, so lautete ihre sprichwörtliche Überlegung. Allerdings war von Anfang an ausgeschlossen, dass das Original auf Reisen geht. Also wurde eine hochauflösende Fotografie erstellt, mit der die „Weseler Eidesleistung“ auf Leinwand im Maßstab 1:1 reproduziert wurde.
Gefaltet und verpackt kann das Werk nun vor Ort schnell auf einen schwarzen Rahmen gespannt und damit sehr wirklichkeitsecht präsentiert werden. Senioreneinrichtungen, Schulen und Kitas haben nun die Möglichkeit, das Schmuckstück, das früher den Gerichtssaal im Ende des fünfzehnten Jahrhunderts gebauten Rathaus illustrierte, sich „ins Haus zu holen.“
Vermittlungs- und Workshopteil
Um die Kunstvermittlung der Zielgruppe anpassen zu können, wurden unterschiedliche Angebote erarbeitet: sie bestehen aus einem Vermittlungs- und einem Workshopteil. Maria Schraa, Einrichtungsleiterin der neuen Seniorenresidenz Insanto an der Dinslakener Landstraße, wurde durch einen Flyer auf das Angebot des Städtischen Museums aufmerksam und nahm gleich Kontakt auf.
Für die 47 Bewohner sei das eine interessante Abwechslung, so die Überlegung. Viele Bewohner seien geprägt durch eine langjährige Verbundenheit mit Wesel und könnten wohl einer solchen Veranstaltung gut folgen.
Und so verändert sich der Gruppenraum in der Seniorenresidenz bald in ein Künstleratelier, in dem die älteren Herrschaften zunächst der Kunstvermittlerin Bettina Meyer zuhören. Mit ihrer Unterstützung fassen sie ihre Eindrücke zusammen, beschreiben einzelne Personen des Gemäldes und interpretieren seine Aussage. Bald haben die Senioren den Richter, die Schöffen und den Angeklagten identifiziert.
Auch Maltechniken werden von Bettina Meyer erläuterten und so sind die Senioren erstaunt, dass mitunter nur ein einzelnes Pferdehaar für feinste Ausführungen im Mittelalter verwendet wurde. Unterstützt von der Kunsthistorikerin Stephanie Merten geht es dann über in den praktischen Teil.
Kleine Vergoldungsübung
Der Workshop sieht eine kleine Vergoldungsübung vor. Zunächst noch etwas zurückhaltend, sind die Senioren dann doch sehr aufmerksam bei der Sache. Die Befürchtung der Einrichtungsleiterin Maria Schraa, die Bewohner könnten bei der Veranstaltung überfordert werden, erweist sich als unbegründet. Mit schwarzem Karton, Anlegemilch und Blattgoldimitat erstellen die Senioren selbst kleine Kostbarkeiten.
>>> DARSTELLUNG DES KONFLIKTS ZWISCHEN GUT UND BÖSE:
Als in der Hansestadt Wesel Wirtschaft und Künste blühten, hat Derick Baegert „Die Eidesleistung“ 1494 im Auftrag des Magistrats gemalt. Sie gilt als erstes Tafelbild, das den Eid vor einem weltlichen Gericht thematisiert. Zu sehen ist eine Gerichtsszene mit Richtern, Schöffen und natürlich dem Angeklagten der – titelgebend – eine Hand zum Eid erhoben hat. Dass die von einer Teufelsfigur gehalten wird, während eine gänzlich in Weiß gekleidete Person (mutmaßlich ein Engel) dem Angeklagten etwas ins Ohr flüstert, ist schon der erste Punkt, an dem sich Interpretations-Diskussionen ergeben, handelt es sich doch um eine sehr plastische Darstellung des Konflikts zwischen Gut und Böse.