Wesel. Rainer Keller (SPD) aus Wesel sitzt seit drei Monaten im Bundestag. Er spricht sich im Gespräch mit der NRZ für eine allgemeine Impfpflicht aus.

Ein Navigationsgerät für die Orientierung im Bundestag braucht Rainer Keller nicht mehr – doch nach drei Monaten im Hohen Haus kennt der Weseler längst nicht jede Abkürzung. Irgendwann in den vergangenen Wochen hatte der SPD-Politiker zusammen mit zwei Abgeordneten-Kollegen, ebenfalls Neulingen, einen Termin im Elisabeth-Lüders-Haus im Berliner Regierungsviertel. Der Bau liegt direkt gegenüber vom Reichstagsgebäude und von dort führt ein Tunnel unter der Spree hin. Angeblich zumindest. „Irgendwann haben wir die Suche danach aufgegeben und sind oben herum gegangen“, erzählt Rainer Keller im Gespräch mit der Redaktion und lacht. „Ich nehme seitdem lieber die Wege, die ich kenne.“ (Hinweis der Redaktion: Rainer Keller ist am 22. September völlig überraschend gestorben: Hier lesen Sie einen Bericht mit den Reaktionen auf seinen Tod und einen Nachruf)

Politisch ist der 56-Jährige, der im September etwas überraschend den Wahlkreis Wesel I gegen Sabine Weiss von der CDU gewonnen hat, mittlerweile voll im Berliner Betrieb angekommen – die Ampel-Regierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz hat ihre Arbeit aufgenommen. Verteilt worden sind auch die Positionen in den Ausschüssen, in denen die Arbeit gemacht wird.

Rainer Keller im Bundestag: Zwei politische Ausschüsse

Als ausgewiesener Gesundheitspolitiker ist Keller kein Mitglied des Gesundheitsausschusses. „Ich wollte da auch gar nicht rein, um einen Interessenskonflikt zu vermeiden“, sagt der SPD-Politiker, der vor seinem Einzug in den Bundestag im Medizinbereich tätig war.

Stattdessen sitzt der Weseler nun im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe sowie im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Eher sperrige Themen, mit denen sich nicht so einfach Aufmerksamkeit generieren lässt. Doch vor allem die Umweltthemen hätten einen direkten Bezug in seinen Heimatwahlkreis, findet Keller: „Es wird dort sehr stark um den Hochwasserschutz und die Auswirkungen von Dürresommern gehen. Das sind wichtige Themen, die den Niederrhein und den Kreis Wesel unmittelbar betreffen.“ In diesem Ausschuss ist der Weseler Berichterstatter für die SPD.

Ganz ohne Gesundheitspolitik wird Keller nicht auskommen müssen, denn der Entwicklungsausschuss beschäftigt sich stark mit der Frage, wie die Corona-Krise auf globaler Ebene gelöst werden kann – außerdem spielen außenpolitische Themen wie der Russland-Ukraine-Konflikt eine Rolle.

Keller: Manche würden selbst durch Impfpflicht nicht erreicht

Sorgen machen Keller derzeit die befürchteten Auswirkungen der Omikron-Variante für die Kritische Infrastruktur wie Feuerwehr, Polizei oder Stadtwerke. Um die fünfte Corona-Welle auch auf nationaler Ebene so gut wie möglich in den Griff zu bekommen, spricht sich der Sozialdemokrat für eine allgemeine Impflicht und ein Impfregister aus. „Ohne eine Impfpflicht mit klaren Kriterien werden wir aus der Situation nicht herauskommen und ohne ein Register würde sie nur ein Papiertiger bleiben“, meint Keller.

Er selbst habe sich lange Gedanken gemacht, ob eine allgemeine Impfpflicht vertretbar ist. „Es geht hier um einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, deswegen muss die Entscheidung gut vorbereitet werden“, sagt Keller. „Ich tue mich aber schwer damit, dass mehr als 70 Prozent der Bevölkerung von einer Minderheit in Geiselhaft genommen wird.“ Klar sei aber auch, dass es Gruppen in der Gesellschaft gebe, die selbst mit einer Pflicht nicht mehr erreicht werden.

Kreative Lösungen bei den Impfangeboten

Um die Impfquote davon unabhängig zu verbessern und an diejenigen zu kommen, die aus anderen Gründen noch keine Erstimpfungen erhalten haben, wünscht er sich kreativere Lösungen bei den Impfangeboten, etwa auf Schulhöfen oder in Teststationen. Auch eine Aufklärungskampagne in verschiedenen Sprachen könnte ein Weg sein. Ein gutes Beispiel sei dabei die Stadt Duisburg. Keller sieht aber auch, dass die Verwaltungen vor Ort und die Hilfsorganisationen seit Monaten am Limit arbeiten.

Hintergrund: Keller plant zwei Anlaufstellen im Wahlkreis

Rainer Keller vertritt im Bundestag als Direktkandidat den Wahlkreis Wesel I. Der umfasst umfasst neben der Kreisstadt Wesel die Kommunen Alpen, Hamminkeln, Hünxe, Kamp-Lintfort, Rheinberg, Schermbeck, Sonsbeck, Voerde und Xanten.

Zum 1. Januar richtet Keller ein Wahlkreisbüro an der Esplanade 28 in Wesel ein, es wird von seinem Mitarbeiter Malte Pooth geleitet. Wenn es die Corona-Lage wieder zulässt, soll das Büro eine Anlaufstelle für jede Bürgerin und jeden Bürger sein. Aufgrund der Größe des Wahlkreises soll es zudem einen Standort für Bürgersprechstunden in der SPD-Mitmachzentrale an der Freiherr-von-Stein-Straße 30 in Kamp-Lintfort geben.