Kreis Wesel. Die Zahl der Ausbildungsverträge ist gestiegen, dennoch hat das Handwerk einen schweren Stand. Geschäftsführer Benninghoff über die Gründe.
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Arbeit gibt es mehr als genug. Allerdings fehlt vor allem im Handwerk der Nachwuchs. Das merkt auch die Kreishandwerkerschaft Wesel. Zwar sei die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Kreis mit insgesamt 622 im vergangenen Jahr wieder gestiegen, dennoch sei die Lage „eher bescheiden“, so Geschäftsführer Holger Benninghoff. „Uns fehlen immer noch 70 Ausbildungsverträge, um auf das Niveau vor Corona zu kommen.“
Und die Pandemie sei nur ein Grund für die fallenden Zahlen. Zwar hätten einige Betriebe wegen der coronabedingt unsicheren Wirtschaftslage keine Ausbildungsstellen angeboten. Aber noch mehr renne man seit Jahren der Akademisierung hinterher und kämpfe bei Schulabsolventen und Familien um Anerkennung.
Handwerkskammer: Weit über 30 Prozent der Ausbildungsstellen unbesetzt
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Das bestätigt die Handwerkskammer Düsseldorf. Mit dem Bologna-Prozess und einem Schwenk der Bildungspolitik, die höhere Bildungsabschlüsse lange Zeit gefördert habe, sei die Akzeptanz der dualen Ausbildung gesunken, so Pressesprecher Alexander Konrad. Eine Folge sei der starke Rückgang der Hauptschulen gewesen, ähnlich sehe es bei den Realschulen aus, beide einst Hauptrekrutierungsquellen für das Handwerk.
Zwar nimmt der Anteil der Abiturientinnen und Abiturienten an den Ausbildungsjahrgängen des Handwerks zu und liegt laut Kammer derzeit bei rund 20 Prozent, „aber die Bedarfslage ist weiterhin groß“. So habe die letzte repräsentative Konjunkturumfrage mit 8000 von insgesamt 60.000 Mitgliedsunternehmen im Handwerkskammerbezirk ergeben, dass „weit über 30 Prozent aller Ausbildungsstellen“ unbesetzt seien, sagt Alexander Konrad.
Kreishandwerkerschaft ermutigt Schüler zu Praktikum
Um diese Bedarfslücke zu schließen, müsse man auch die Wahrnehmung bei Schülerinnen und Schülern sowie ihren Familien ändern, sagt Kreishandwerksgeschäftsführer Holger Benninghoff. Zum Beispiel werde in vielen Handwerksberufen nicht mehr so gearbeitet wie vor „30 oder 40 Jahren“. Außerdem habe man nur in wenigen Branchen die Möglichkeit, so schnell auf eigenen Beinen zu stehen wie im Handwerk. Dazu gehöre aber auch das Eingeständnis, dass nicht jedes Kind zu einer akademischen Laufbahn bestimmt sei. Manchmal, so Benninghoff, sei es besser, „eine Ausbildung zum Elektroniker zu machen, anstatt sofort Elektrotechnik zu studieren“.
In diesem Zusammenhang ermutigt der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft die Schülerinnen und Schüler, viel mehr in sich hineinzuhorchen und sich auszuprobieren, auch gerne im Handwerksbetrieb um die Ecke. Er könne sich nicht vorstellen, das dort jemand abgewiesen werde.
18 Bewerber auf 100 Stellen im Lebensmittelbereich
- Die Kreishandwerkerschaft Wesel hat rund 1200 Mitgliedsunternehmen. Davon bilden laut Geschäftsführer Holger Benninghoff 60 bis 70 Prozent aus.
- Der Bedarf an Nachwuchs erstreckt sich laut Kreishandwerkerschaft über sämtliche Handwerksberufe, allerdings ist die Diskrepanz im Lebensmittelbereich laut Agentur für Arbeit im Kreis Wesel besonders groß. Demnach verzeichnete die Arbeitsagentur im Bereich Lebensmittel-/Genussherstellung, also unter anderem Bäcker und Metzger, im vergangenen Jahr 18 Bewerberinnen und Bewerber auf 100 Stellen im Agenturbezirk.