Wesel. Eva Holthuis hat den Wechsel von der Pfarrstelle am Lauerhaas in die Schill-Kaserne nicht bereut. Vier Monate war sie in Jordanien im Einsatz.
Als Eva Holthuis mit ihrem Mann Albrecht als Pfarrerehepaar im Sommer 1993 am Lauerhaas in Wesel ihre Zelte aufgeschlagen hatte, wäre ihr wohl kaum in den Sinn gekommen, dass knapp drei Jahrzehnte später die Bundeswehr die Hauptrolle in ihrer kirchlichen Laufbahn spielen würde. Als evangelische Militärpfarrerin in einer Zeit, in der Corona das Leben bestimmt, in der auch die Amtshilfe in den Impfzentren eine wichtige Rolle spielt. In der es statt am beschaulichen Niederrhein zu arbeiten, auch mal zu den Soldaten nach Jordanien geht, wie Anfang vergangenen Jahres.
Doch Eva Holthuis hat den Schritt vor vier Jahren in keiner Sekunde bereut. „Es macht total Spaß“, sagt die 57-Jährige mit voller Überzeugung. „Veränderungen halten einen flexibel.“ Viele Jahre war Holthuis indes schon parallel in der Notfallseelsorge und als Krankenhauspfarrerin aktiv. „Ich bin also in der Seelsorge herumgekommen, da war der Schritt gar nicht so groß. Und die Notfallseelsorge ist auch ein Schlüssel zur Militärseelsorge.“
Am 1. Januar 2018 hieß es zunächst einmal: Ankommen als Militärseelsorgerin, Ausbildung bei der Bundeswehr in Hilden, Düsseldorf, Mönchengladbach, Uedem, Straelen, Wulfen und Wesel, Kennenlernen der Aufgabenbereiche. Oder „die Rolle finden zwischen Kirche und Staat“, wie es Eva Holthuis umschreibt. Von der Birkenstraße am Lauerhaas ging es in die Dienststelle der Evangelischen Militärseelsorge in der Schill-Kaserne. Dort übrigens hält Pfarrhelfer Hans Hattermann der Pfarrerin den Rücken frei, kümmerte sich von Beginn an um viele administrative Dinge.
Trennung von der Familie
„Wie bewege ich mich unter Soldaten?“, war eine entscheidende Frage in den ersten Monaten bei der Bundeswehr. Zudem ging es darum, die privaten Nöte und beruflichen Probleme der Soldaten kennenzulernen. „Die Trennung von der Familie ist eine bundeswehrspezifische Problematik.“ Doch die so genannte Feldkompetenz hatte Eva Holthuis relativ schnell verinnerlicht, ist seitdem quasi als Sozialarbeiterin, als Psychologin, als Ansprechpartnerin mit einem immer offenen Ohr für rund 3000 Soldaten an insgesamt sieben Standorten gefragt. Und auch mal um Halt zu geben. Beispielsweise als ein 29-jähriger Soldat vom Tode seines Vaters erfuhr und eben nicht zur Beerdigung konnte. Erreichbar sein, präsent sein, eben eine verlässliche Größe sein – das war und ist Holthuis’ Devise. „Zuhören und beraten, vor allem qualitativ beraten.“
Die Arbeitswoche ist in der Regel voll – und reicht von Standortgottesdiensten, Taufen wie am kommenden Samstag, Trauungen, Beerdigungen und Gedenkveranstaltungen wie im November auf dem britischen Soldatenfriedhof zwischen Kleve und Goch bis hin zu den so genannten Rüstzeiten für Soldaten und Soldatenfamilien (Auszeiten mit kirchlichen Impulsen beispielsweise auf Borkum), lebenskundlichem Unterricht, der Mitarbeit im psychosozialen Netzwerk der Bundeswehr oder der Kontaktpflege zu niederländischen Militärseelsorgern wie im Moment im Vorfeld der „Invictusgames“, den Paralympics für kriegsgeschädigte Soldaten. Und 2019 organisierte Eva Holthuis im Rahmen des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Dortmund mit einem Team der Militärseelsorge den „Bittgottesdienst für den Frieden“.
Amtshilfe bei Kontaktverfolgung
Anfang vergangenen Jahres wurde es dann richtig spannend für Eva Holthuis: Am 19. Januar ging es für vier Monate nach Jordanien, als seelsorgerische Einsatzbegleitung ins Camp Sonic in Al Azraq. Die Luftwaffe unterstützt dort die US-Soldaten im Kampf gegen den IS. Aber auch hier bestimmte Corona den Alltag, zwischenzeitlich waren 16 von 150 Personen infiziert. „Da war schon eine besondere Zeit“, erinnert sich die Weselerin. Kontakt zur Familie und den drei Töchtern hat Eva Holthuis trotzdem gehalten. „In Whatsapp-Zeiten ist das kein Problem“, schmunzelt die Pfarrerin. „Und mein Mann ist plötzlich die Familienachse.“
Die Arbeit insgesamt bleibt sehr vielfältig, im August ging es zu den im Hochwassergebiet an der Ahr eingesetzten Soldaten. Und Anfang November stand im Gemeindehaus in Brünen ein Seminar mit Soldaten, die in Afghanistan stationiert waren, auf dem Programm. Sie gehören zu den Fernmeldern des 1. Nato Signal Battalion mit Standort in der Schill-Kaserne.
Ganz im Zeichen von Corona sand indes der Jahreswechsel. So reiste die Militärpfarrerin derzeit quer durch den Regierungsbezirk Düsseldorf.
In Kleve, einer von insgesamt 22 Bundeswehr-Amtshilfeorten, informierte sich Eva Holthuis zuletzt über die Arbeit bei der Kontaktnachverfolgung. Denn Soldaten werden im Telefonat mit Erkrankten auch immer wieder mit Leid und Trauer konfrontiert. Oder mit dem Frust und Wut der Angehörigen. Und die Soldatinnen und Soldaten in der Nebenstelle des Gesundheitsamtes Grefrath freuten sich über Baumkuchen, Kaffee und kleine Giveaways der Evangelischen Militärseelsorge. Im Impfzentrum Neuss beispielsweise wünschte der Stabsunteroffizier ein seelsorgliches Gespräch. Alltagsgeschäft für Eva Holthuis. „Und die Bundeswehr-Sprache habe ich auch längst drauf.“